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TV-Tipp: "Chile oder die Diktatur des freien Marktes"

ARTE: 40 Jahre nach dem Sturz von Salvador Allende und dem Beginn der Herrschaft Augusto Pinochets hat die Filmemacherin Diana Seiler das Land bereist und zieht eine bittere Bilanz (53 Min.)

Chile ist ein reiches Land mit vielen Bodenschätzen und einer jungen Bevölkerung. Es gilt als Vorzeigeland Südamerikas, als Musterbeispiel für die Chancen, die eine konsequente Wirtschaftsliberalisierung Schwellenländern bieten kann - mit boomender Wirtschaft und wachsendem Wohlstand. Doch stimmt das wirklich?

Wer in den Nobelort Viña del Mar kommt, dem fällt auf, dass auf dem Gebäude der privaten "Universidad del Mar" Spruchbanner hängen. Umgeworfene Stühle versperren den Weg, die Studenten haben ihre Uni besetzt. Denn ihnen ist ihre Zukunft genommen worden. Der Lehrbetrieb wurde eingestellt, nachdem die Besitzer der Universität alle finanziellen Mittel ihrer Firma – der Hochschule – entwendet und die Studienbeiträge zweckentfremdet als Sicherheit für andere Kredite bei Banken hinterlegt haben. Doch die Kredite, welche die jungen Leute für ihr Studium aufgenommen hatten, müssen sie weiter bedienen, obwohl die Lehre eingestellt wurde. Mit Schulden - aber ohne Ausbildung - stehen sie da, sind Opfer der Chile AG.

Was passiert, wenn ein Land alles auf den Markt bringt? Wenn oberstes Kriterium die Privatisierung und Liberalisierung der Wirtschaft ist? Nach dem Sturz Allendes haben unter Diktator Pinochet vier chilenische Wirtschaftswissenschaftler, die bei Milton Friedman in Chicago studiert hatten, radikale Wirtschaftsreformen durchgesetzt. Das neoliberale Wirtschaftssystem der sogenannten "Chicago Boys" funktioniert bis heute. Ob Wasserrechte, Bergbaukonzessionen, Energiewirtschaft, Renten-, Gesundheits- oder Bildungssystem - alles ist in privater Hand.

Schulen und Universitäten sind größtenteils private Wirtschaftsunternehmen, die Familien müssen 20 bis 30 Prozent ihres Einkommens für die Bildung ihrer Kinder ausgeben, was sich in Deutschland und Frankreich auf weniger als ein Prozent beläuft. Da sie das nicht mehr mittragen wollen, sind Schüler und Studenten, Lehrer und Eltern 2011 auf die Straße gegangen. Längst ist aus den Bildungsdemonstrationen mehr geworden: die Forderung nach einem Ende der Chile AG.

Chile ist ein Land, dessen Gesellschaft immer weniger hinter dem einmal eingeschlagenen Weg steht. Dem konsequenten Neoliberalismus als Wirtschaftsmotor steht die Erinnerung an Allende gegenüber, die in den Gedanken der Bevölkerung eine Renaissance des Sozialismus ausgelöst hat. Immer stärker wird der Wunsch nach einer Änderung der Verfassung, jener Verfassung aus Zeiten der Diktatur.

Termindaten
Datum: 03.09.2013, 23:25
Veranstaltungsart: TV-Tipp
Veranstaltungsort: Fernsehsender ARTE
Veranstalter: Fernsehsender ARTE