Anti-Terror-Gesetz in Brasilien vor Verabschiedung

Gewalt bei Protesten soll als "Terrorismus” eingestuft werden. Befürworter berufen sich auf FIFA-Auflagen zur Fußball-WM

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Proteste gegen die Milliardenausgaben "Fußball-WM für wen?"
Proteste gegen die Milliardenausgaben "Fußball-WM für wen?"

Brasília. Der brasilianische Senat plant, innerhalb der nächsten zwei Wochen die sogenannten Anti-Terror-Gesetze zu verabschieden. Damit reagiert das Parlament auf gewaltsame Auseinandersetzungen am Rande der anhaltenden Proteste im Land, die sich unter anderem gegen die hohen Ausgaben zur Vorbereitung der FIFA-Fußballweltmeisterschaft der Männer richten. Bis zu 30 Jahre Gefängnis stehen nach den derzeitigen Gesetzesvorhaben zukünftig auf die Beteiligung an gewalttätigen Protesten, denn diese sollen als terroristisch eingestuft werden.

Das Gesetzespaket sieht Strafen von 15 bis 30 Jahre Gefängnis für denjenigen vor, der "Terror oder allgemeine Panik provoziert oder erzeugt" oder "eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die Persönlichkeitsrechte Anderer" darstelle. Damit öffnet das Gesetz nach Meinung von Kritikern Wege, die Teilnehmer einer Demonstration als Terroristen zu beschuldigen, sobald es im Zuge einer Protestveranstaltung zu Auseinandersetzungen kommt. Vor allem soziale Bewegungen könnten durch den neuen Terrorismusparagraphen leicht kriminalisiert werden.

Das Gesetzesvorhaben wird seit Mai vergangenen Jahres im Kongress diskutiert und liegt seit November dem Senat sowie vier Ausschüssen vor. Die in zwei Monaten beginnende WM hat nun einen Wettlauf im Parlament bewirkt. Drei Entwürfe für das Gesetz und mehr als 160 Vorschläge liegen der Kammer vor, um den Begriff Terrorismus überhaupt zu definieren.

Ein Gesetzesprojekt (PLS 728) aus dem Jahr 2011 hat derzeit die besten Chancen, verabschiedet zu werden. Es wird fraktionsübergreifend von drei Senatoren von den rechtskonservativen Parteien PP und PRB sowie der regierenden Partei der Arbeiter (PT) getragen. Ihre Begründung bezieht sich explizit auf die Fußball-WM 2014 und die Schutzauflagen der FIFA. Es sei notwendig, "dass wir die Vereinbarungen und Auflagen der FIFA achten und ihnen nachkommen", heißt es im Text. Tatsächlich fordert das Reglement der FIFA einen reibungslosen Ablauf der Spiele. Die andauernden Proteste im Land könnten dieses Vorhaben jedoch gefährden. Auch Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff setzt sich mittlerweile für eine Verschärfung der Strafgesetze ein.

Kritiker halten die Terror-Formulierungen jedoch alle für zu schwammig. Für den ehemaligen Richter am Oberlandesgericht São Paulo, Walter Maierovich, passt der Terrorbegriff nicht in den brasilianischen Kontext. Stattdessen könne er als Vorlage dienen, soziale Bewegungen zu kriminalisieren. Laut der derzeitigen Gesetzesvorlage lasse sich nicht zwischen Methoden oder Aktionen krimineller, terroristischer oder politischer Gruppen unterscheiden, warnt Maierovich. "Nach dem, was jetzt im Senat diskutiert wird, ist auch der Tumult auf der Strasse Terrorismus", so der Jurist.

Nach Auffassung von Juarez Tavares, Professor für Strafrecht an der staatlichen Universität von Rio de Janeiro und ehemaliger Generalstaatsanwalt des Bundes, seien wiederum die Begriffe Terror und Panik unterschiedlich interpretierbar. Es reiche nicht, jemand zu beschuldigen, Panik erzeugt zu haben, so Juarez. Dies könne unterschiedlich ausgelegt werden und somit ganze Bewegungen kriminalisieren.

Das Gesetzesvorhaben bekam im Senat eine neue Gewichtung, nachdem der Kameramann Santiago Ilídio Andrade auf einer Demonstration gegen Fahrpreiserhöhung in Rio de Janeiro im Februar von einem Feuerwerkskörper am Kopf getroffen wurde und später den Verletzungen erlag. Die Rakete war aus der Demonstration heraus abgefeuert worden. Ursprünglich hatte sich die regierende PT gegen das Vorhaben gestellt. Doch auf Druck der Regierung verlangt sie nun nur noch Veränderungen im kleinen Stil. Im Zuge der anstehenden Fußballweltmeisterschaft und der negativen Berichterstattung im Ausland bezüglich der Sicherheit im Land sollen rechtliche Mittel her, um einer Eskalation bei Protesten vorzubeugen.