Bei der Bekämpfung des Coronavirus setzt Venezuela auf die organisierte Bevölkerung

Venezuela ist seit Mitte März in Quarantäne. Stadtteilorganisationen produzieren Schutzmasken und organisieren Hilfe. Bisher knapp 200 Infizierte

Caracas. In Venezuela gilt aufgrund der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 seit dem 17. März eine allgemeine Ausgangssperre. Geschäfte sind mit Ausnahme von Lebensmittelgeschäften, Drogerien und Apotheken geschlossen.

Zur Abfederung der sozialen Folgen der Quarantäne hat die Regierung daraufhin Geschäfts- und Wohnungsmieten ausgesetzt, besondere Lohnzuschläge verordnet und angekündigt, dass die Lohnzahlungen kleiner und mittlerer Unternehmen bis September vom Staat bezahlt werden. Andererseits wurde die Entlassung von Beschäftigten verboten.

Mit den Quarantänemaßnahmen verordnete die Regierung auch eine Schutzmaskenpflicht außerhalb des eigenen Hauses. Um eine ausreichende Versorgung sicherzustellen und den spekulativen Verkauf einzudämmen, wurde die inländische Maskenproduktion intensiviert. So hat beispielsweise eine Textilfabrik der Streitkräfte Ende März damit begonnen, Schutzmasken und weitere Textilien für die Verwendung in Krankenhäusern herzustellen. Das Bildungsprogramm Missión Ribas der Regierung, das normalerweise nachholende Sekundarschulabschlüsse anbietet, produzierte kurzfristig 50.000 Masken, mit denen das Personal in Kantinen von Schulen und Universitäten versorgt wurde.

Auch die Kommunalen Räte und Kommunen, Basisorganisationen auf Stadtteil-, Dorf- und Stadtebene, tragen zur Produktion von Masken bei. Verschiedene Kommunen in der Hauptstadt Caracas, aber auch in anderen Landesteilen haben in den letzten Wochen eigene Kapazitäten zur Herstellung aufgebaut, wie das staatliche Fernsehen VTV berichtete. In einigen Gemeinden seien so über 10.000 Masken aus lokaler Produktion an die Bevölkerung verteilt worden.

Mit dem aktiven Einbezug der lokalen Strukturen der Selbstverwaltung soll explizit das Horten und der überteuerte Verkauf von Masken verhindert werden. "Für diejenigen, die aus diesem Problem ein Geschäft machen wollten, wird das unmöglich durch die aktive Einbeziehung der Bevölkerung, die die Masken nach den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herstellt", kommentierte der Regierungschef des Hauptstadtbezirks Groß-Caracas, Darío Vivas.

Den Kommunen kommt in der gegenwärtigen außergewöhnlichen Situation auch in anderen Bereichen eine große Bedeutung zu. So versorgt beispielsweise die Kommune "El Panal 2021" im Stadtteil 23 de Enero in Caracas täglich Hunderte Kinder, ältere und besonders gefährdete Menschen mit warmen Speisen. Sie kann dabei auf eine zweijährige Erfahrung beim Betreiben einer eigenen Kantine für besonders verletzliche Bewohner des Viertels zurückgreifen. Laut Ana Marín, einer Sprecherin der Stadtteilorganisation, wurde auch ein Betreuungs- und Lernprogramm für Kinder entwickelt, deren Unterricht wegen Schulschließungen ausfällt.

Wie ein Arzt aus der Kommune "Altos de Lídice" im Westen von Caracas dem Portal venezuelanalysis.com berichtet, spielen die Basisorganisationen auch eine wichtige Rolle, damit die Quarantänemaßnahmen überhaupt durchgesetzt werden können. Schon in der Vergangenheit seien Erhebungen durchgeführt worden, um besonders gefährdete Bewohner des Viertels zu identifizieren und ihre Bedürfnisse zu erfassen.

"Wir kennen die Verletzlichsten, die Älteren, die Leute mit Atemwegsbeschwerden", sagt der Gemeinschaftsarzt Dr. Gutiérrez. So könnten gezielt Hausbesuche durchgeführt und die Leute versorgt und über Präventionsmaßnahmen informiert werden.

Bis vergangenen Samstag lag die Zahl der Ansteckungen in Venezuela laut Angaben der Regierung bei 189. Acht infizierte Personen sind gestorben. Am Sonntag hatte die Regierung von Präsident Nicolás Maduro die Quarantäne um weitere 30 Tage verlängert.