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Peru: Proteste halten an, Indigene Verbände fordern Rücktritt von Dina Boluarte

Menschenrechtskommission besucht Castillo im Gefängnis sowie soziale Organisationen. Ungewissheit über Unterstützung für Opfer staatlicher Repression

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Delegation der Interamerikanischen Menschenrechtskommission trifft sich mit peruanischen Kabinett und Präsidentin Boluarte
Delegation der Interamerikanischen Menschenrechtskommission trifft sich mit peruanischen Kabinett und Präsidentin Boluarte

Lima. Eine Delegation der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) hat sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit dem abgesetzten peruanischen Präsidenten Pedro Castillo getroffen. Nach Angaben des peruanischen Ombudsbüros (Defensoria del Pueblo) diente der Besuch der CIDH dazu, die Haftbedingungen des ehemaligen Präsidenten zu überprüfen.

Neben Präsidentin Dina Boluarte traf sich die Kommission auch mit Journalist:innen und Vertreter:innen verschiedener sozialer, studentischer, bäuerlicher, indigener und aktivistischer Organisationen, um die "Informationen über Menschenrechtsverletzungen" zu überprüfen, die die Kommission im Zuge der sozialen Mobilisierungen erhalten hatte. 

Indes forderte die Interethnische Vereinigung für die Entwicklung des peruanischen Regenwaldes (Aidesep), die wichtigste indigene Organisation des Amazonasgebiets in Peru, angesichts der politischen Krise und dem Tod von 28 Menschen und mehr als 600 Verletzten abermals den sofortigen Rücktritt von Präsidentin Dina Boluarte und die Auflösung des Kongresses.

In einer Videobotschaft mit dem Titel "Stoppt das Massaker!" wies der Präsident der Aidesep, Jorge Pérez Rubio, die polizeilichen Repressionen zurück und forderte die Bestrafung der Verantwortlichen für die Todesfälle sowie Gerechtigkeit für die Hinterbliebenen. Außerdem sprach er sich für die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung aus, welche die Themen der indigenen Bevölkerung, wie etwa den Schutz von indigenen Anführer:innen, die Verteidigung interkultureller zweisprachiger Bildung und den Schutz von isoliert lebenden indigenen Gemeinden auf die politische Agenda setzen solle. Zusammen mit seinen regionalen Vertreter:innen solidarisierte sich Pérez zudem mit den Mobilisierungen ihrer Basen in Madre de Dios und im zentralen Regenwaldgebiet (Selva Central), die einen Marsch in die Hauptstadt Lima planen.

Auch in anderen Regionen sollen die Proteste fortgesetzt werden. So beraten sich soziale Organisationen in Ayacucho derzeit darüber, ob die Mobilisierungen in den ersten Januartagen wieder aufgenommen werden können. In Puno riefen Aymara-Gemeinden zu einem unbefristeten Streik gegen Dina Boluarte und den Kongress auf und blockieren wichtige Straßen. Auch in La Convención (Cusco) sprach sich das Kampfkomitee für einen unbefristeten Streik aus. Dort war es der Armee am Sonntag gelungen, Demonstrierende, die die Erdgasverdichteranlage Kámani in der Ortschaft Kepashiaton belagert hatten, vom Gelände zu drängen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden dabei zwei Personen verletzt.

Während Boluarte noch vergangenen Woche das Vorgehen der Repressionskräfte verteidigt hatte, gab Justizminister José Tello nun bekannt, dass eine sektorübergreifende Kommission eingesetzt werden soll, die die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Entschädigung oder einer solidarischen Unterstützung für die Familien der bei den Protesten und der staatlichen Repression ums Leben gekommenen Personen prüfen soll.

In Lima sind die Regierungsbehörden indes mit tiefgreifenden Veränderungen beschäftigt. So legte Boluarte dem Kongress am Montag einen "dringenden" Gesetzentwurf vor, der eine Änderung der Geschäftsordnung der Legislativversammlung vorsieht und den Vorsitzenden des Kongresses zum Leiter des Präsidialamtes ernennt, sobald sich die Präsidentin nicht im Land aufhalten sollte. Demnach würde der jetzige Vorsitzende, José Williams, bei Auslandeinsätzen der Präsidentin die Exekutive und die pro-Fujimori Kongressabgeordnete, Martha Moyano, die Führung des Kongresses übernehmen.

Weiterhin hat die Regierung unter Boluarte die Ernennung von über 300 Bezirksunterpräfekten rückgängig gemacht. Castillo hatte während seiner Amtszeit die Unterpräfekten der Bezirke wählen und ernennen lassen. Nach Angaben des Innenministeriums sollen die Beamten eine "destabilisierende Rolle" bei den jüngsten Protesten gespielt haben. Boluarte hatte linke Parteien und deren ernannte Funktionäre vergangenen Freitag beschuldigt, "hinter dem Vandalismus" zu stecken und "Chaos, Misswirtschaft und Anarchismus" unter Anwendung der Gewalt bewirken zu wollen.