Lateinamerika / Politik

Lateinamerika: Debatte über Brics nach dem Gipfel in Johannesburg

Dynamik für eine multipolare Welt. Globaler Süden bedeutend in diesem Prozess. "Durch Brasilien spielt Lateinamerika jetzt in der ersten Liga"

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Das Forum fand in den sozialen Netzwerken von Telesur und Misión Verdad statt
Das Forum fand in den sozialen Netzwerken von Telesur und Misión Verdad statt

Caracas. Mehrere Analysten und Politiker haben beim Forum des lateinamerikanischen Fernsehsenders Telesur "Erweiterung der Brics, Zeichen einer neuen Welt" über die Ergebnisse des 15. Gipfeltreffens des Staatenbündnisses diskutiert. Moderiert haben es die Direktorin von Telesur, Patricia Villegas, und Gustavo Borges Revilla, Leiter Portals Misión Verdad.

Der mexikanische Analyst Alfredo Jalife bezeichnete das Brics-Treffen in Johannesburg als einen "tektonischen Gipfel", weil er eine Dynamik für eine multipolare Welt aufzeige, die die angelsächsische Unipolarität, die in der G7 vorherrscht, hinter sich lasse.

Die Auswirkungen würden auf dem Brics-Gipfel im nächsten Jahr im russischen Kasan deutlicher zu sehen sein, so Jalife. Es wird erwartet, dass dort neue Mitglieder aufgenommen werden, zu denen auch Venezuela gehören könnte.

Für den mexikanischen Historiker Christian Nader zeigten sich in Johannesburg Anzeichen für den Übergang zu einer neuen Welt und er betonte die Bedeutung des Globalen Südens dabei. Nader sagte, dass "wir auf afrikanischem Boden einen Prozess sehr tiefgreifender Veränderungen erleben, das ist der Grund für Äthiopiens Beitritt zu den Brics".

In seinem Beitrag beim Forum erinnerte er an die jahrhundertelange Vorherrschaft des Westens, vertreten durch die USA und ihre Verbündeten, die zu einer unipolaren Welt geführt habe. Diese westliche Vorherrschaft könnte jedoch trotz des eingeleiteten Veränderungsprozesses noch Jahrzehnte andauern, so Nader.

Seiner Meinung nach sind die Brics dabei, ein "mobiles Epizentrum" zu schaffen, das nicht in einer einzigen Nation angesiedelt sein muss. Eine neue Welt werde entsprechend der Bedürfnisse der Mehrheit der Länder im Rahmen des Dialogs und der vielfältigen Positionen, die berücksichtigt werden müssen, geschaffen, betonte er.

Zur Bedeutung des Brics-Gipfels für Lateinamerika erklärte der ehemalige bolivianische Minister Juan Ramón Quintana, dass die Region mitten in der Auseinandersetzung stehe, sie sei ein strategischer Akteur mit einer starken Beteiligung. "Durch Brasilien spielt Lateinamerika jetzt in der ersten Liga, wir waren vorher nur ein Nebenakteur", sagte Quintana.

Die Region stehe vor einer noch nie dagewesenen und wichtigen Chance, die der Gemeinschaft lateinamerikanischer und karibischer Staaten (Celac) geopolitisches Kapital verschaffe und die Region in eine Position bringe, in der sie weniger gefährdet sei, von den USA angegriffen zu werden.

"Wir werden die Brics als Schutzschild haben um zu verhindern, dass Lateinamerika das Territorium von Staatsstreichen und Interventionen ist", sagte der ehemalige Präsidialminister.

Quintana zufolge würde Lateinamerika aus Sicht der USA zu einer noch größeren Bedrohung ihrer "Sicherheitsinteressen" werden, so wie auch die Stärkung der Brics.

Der Staatenbund sollte darauf setzen, Krieg auszuschließen, sagte der frühere Minister und betonte, wenn etwas den Westen in den letzten Jahrhunderten charakterisiert habe, dann seine Vormachtstellung, Dominanz und Hegemonie aufgrund des Kriegskapitalismus.

Da der Kriegskapitalismus diese ungerechte, gewalttätige und brutale Welt hervorgebracht habe, sollten die Brics über eine Politik der Transformation der globalen Beziehungen nachdenken, die es so weit wie möglich vermeidet, Krieg in Erwägung zu ziehen, so Quintana.

Die Außenminister Venezuelas und Boliviens, die am Brics Plus-Dialog in Johannesburg teilnahmen, haben bei dem Forum ebenfalls ihre Einschätzungen geäußert.

Der venezolanische Außenminister Yvan Gil sagte, dass der Gipfel aufgrund der aktuellen Entwicklungen große Erwartungen geweckt habe. Nach Gils Auffassung war es aus zwei Gründen der wichtigste Gipfel dieser Organisation: wegen der laufenden weltweiten Veränderungen und wegen der Erwartungen an die Erweiterung.

Gil betonte, dass die Brics-Gruppe ein interessantes Konzept verfolge, nämlich, die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen auf andere Prinzipien zu stützen, wie die Respektierung des Völkerrechts, der Selbstbestimmung der Völker und das Verständnis für die Bedeutung der Solidarität und der Zusammenarbeit als Basis der politischen Beziehungen.

Ein mächtiger Block mit großen Kapazitäten bilde sich heraus, der die G7 übertroffen und sich in der wissenschaftlichen und technologischen Entwicklung am stärksten entwickelt habe, so Gil.

Der bolivianische Außenminister Rogelio Mayta betonte, dass die Ereignisse der letzten Jahre die Vorrangstellung der Brics in der Welt beschleunigt haben. Die Entwicklungsländer seien sich über die Notwendigkeit einig, dass es neue Denkansätze und neue Strukturen in den internationalen Beziehungen und eine neue internationale Finanzstruktur geben müsse, die es den benachteiligten Ländern endlich ermögliche, sich zu entwickeln, sagte Mayta.

Bei dem Brics-Gipfeltreffen, das vom 22. bis 24. August in Johannesburg stattfand, hatte Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa bekannt gegeben, dass Argentinien, Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate ab 1. Januar 2024 Vollmitglieder des Bündnisses sein werden.

Neben Venezuela gehören Kuba, Bolivien und Honduras zu den Ländern Lateinamerikas, die ebenfalls Teil der Brics-Gruppe werden wollen.

Der kubanische Präsident Miguel Díaz-Canel war in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Gruppe der 77 und China zum Gipfeltreffen eingeladen und betonte in seiner Rede die Unterstützung "für den Weg zu einem inklusiven Multilateralismus" wie in der Abschlusserklärung definiert.

Die entwickelten Länder des Westens und die großen transnationalen Konzerne hätten eine internationale Ordnung geschaffen, die den Fortschritt der Nationen des Globalen Südens in keiner Weise berücksichtige und nur für winzige Minderheiten funktioniere. "Die Gruppe der 77 und China und die Brics haben die Verantwortung und die Möglichkeit zu handeln, um diese ungerechte Weltordnung zu ändern: Das ist keine Option, es ist die einzige Alternative", so Díaz-Canel.