Repression gegen soziale Proteste in Chile: Generäle sollen vor Gericht

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Boric und Yanez am Tag des Carabinero und der Carabinera am 27. April 2023 in Puerto Montt
Boric und Yanez am Tag des Carabinero und der Carabinera am 27. April 2023 in Puerto Montt

Santiago. Die chilenische Staatsanwaltschaft will drei Generäle wegen der Menschenrechtsverletzungen während der sozialen Proteste im Oktober 2019 und 2020 zur Rechenschaft ziehen.

Ricardo Yáñez ist heute oberster Generaldirektor der Polizei (Carabineros), war damals kommandierender Chef der Bereitschaftspolizei und damit verantwortlich für deren Einsätze gegen die Demonstrierenden. Mit ihm werden sein Vorgänger Mario Rozas Córdova und dessen Stellvertreter Diego Olate Pinares vorgeladen. Die Vorladung, bei der sie sich Vorwürfen wegen Unterlassung, Nötigung und Tötungsdelikten stellen müssen, ist auf den 7. Mai festgelegt,

Bereits 2022 stimmte der Vorstand des Nationalen Instituts für Menschenrechte (INDH) dafür, Strafanzeige gegen sieben hohe Offiziere wegen massiver Menschenrechtsverletzungen einzureichen.

In der Begründung hieß es: "Genau eine Woche nach Beginn des sozialen Ausbruchs hatte das INDH bereits 80 Klagen gemeldet, davon 66 Strafanzeigen, darunter 24 Personen, die durch Schrotmunition verletzt wurden. Am Samstag, den 26. Oktober wurden 1.051 Menschen verletzt, 25 von ihnen hatten Wunden durch Kugeln und 237 durch Schrot. 121 Menschen erlitten Augenverletzungen und vier erlitten einen Verlust oder erhebliche Verletzungen der Sehkraft."

Bis zum Abebben der Proteste starben 34 Menschen im Zusammenhang von Demonstrationen und den Begleitumständen. Sieben Tote gehen nachgewiesenermaßen auf direktes Einwirken der Polizeikräfte zurück.

Die Reaktionen auf die Vorladung der Generäle reichen von Abwarten, Rücktrittsforderungen und demonstrativer Solidarität mit den Uniformierten.

Die offizielle Regierungsposition ist, die Vorladung abzuwarten, um dann entsprechend zu reagieren.

Der Anwalt von Yáñez trat mit einer Presseerklärung an die Öffentlichkeit, nach der Präsident Gabriel Boric in einem privaten Telefongespräch dem General Rückendeckung gegeben hätte. Boric widersprach dem persönlich, worauf der Anwalt einen Rückzieher machen musste.

Die unabhängige Senatorin Fabiola Campillai ‒ ihr wurde durch eine aus nächster Nähe abgeschossene Tränengasgranate das Gesicht entstellt und Teile des Sehvermögens genommen ‒ fordert den Rücktritt des Generals. Sie wird dabei von Carmen Gloria Quintana unterstützt. Während der Militärdiktatur wurde sie zusammen mit Rodrigo Rojas Denegrí von einer Militärstreife aufgegriffen, mit Benzin überschüttet und angezündet. In einem Außenbezirk Santiagos verstarb Rojas, während Quintana schwer verletzt überlebte. Sie kämpft seitdem als Aktivistin für Gerechtigkeit und Menschenrechte

Aus den Regierungsparteien Breite Front (Frente Amplio) und Kommunistische Partei gibt es Stimmen, die die sofortige Entlassung von Yáñez fordern. Es würde nur vollzogen, was ohnehin im November anstehe, wenn seine Dienstzeit als Oberkommandierender der Polizei abläuft.

Die rechten Oppositionsparteien und Vertreter der Christdemokratischen Partei fordern von der Regierung, dem General das Vertrauen auszusprechen und sind damit auf einer Linie mit Obersten der Polizei im Ruhestand, die ihm in einer öffentlichen Erklärung ihre uneingeschränkte Unterstützung zusagen.

Yáñez stellte einen Befangenheitsantrag gegen die ermittelnden Staatsanwälte Xavier Armendáriz und Ximena Chong. Der Generalstaatsanwalt wies jedoch die angeführten Argumente, "Hass und Groll der ermittelnden Staatsanwälte gegen Yáñez und die Polizei" zurück und hat den Antrag ablehnt.