Eine-Meinungs-Demokratie bei Bertelsmann

Konzernstiftung lädt zu Lateinamerika-Debatte auf Frankfurter Buchmesse nur rechte Akteure ein

Die Bertelsmann-Stiftung lädt auf der Frankfurter Buchmesse zu einer Veranstaltung „zur Demokratie in Lateinamerika“ ein. Am 7. Oktober sollen am 10:30 Uhr in Halle 5.0 (D 941) ausschließlich Gegner der anti-neoliberalen Akteure in der Region debattieren. Unser Leser Edgar Göll hat daraufhin folgende E-Mail an den Organisator Matthias Jäger geschrieben.


Sehr geehrter Herr Jäger,

mit Verwunderung, um nicht zu sagen Empörung habe ich Ihre Einladung zur Kenntnis genommen.

Da ich aus beruflichen Gründen leider nicht persönlich teilnehmen kann, möchte ich Ihnen hier kurz meine Einschätzung mitteilen.

Der Besetzung des Podiums nach zu schließen kann der Titel Ihrer Podiumsdiskussion nicht geschafft werden: Ausschließlich Konservative haben Sie sich da eingekauft – und keinen Mut, Progressive und Linke zu Wort kommen zu lassen. Ist das Ihre feine Art von Zensur? Haben Sie Angst vor kritischen Meinungen, vor Leuten, die Marx gelesen und verstanden haben und anwenden? Sind Sie nicht an wirklich anderen Auffassungen als den Ihren interessiert?

Spezifischer: Sie haben nicht nur die kubanische Bloggerin Yoani Sanchez eingeladen, eine in der westlichen, antikommunistischen Imagemaschinerie als Dissidentin und Lichtgestalt konstruierte Frau, die so köstlich eurozentrischen Klischees von Oppositionellen entspricht. Sie bringen es tatsächlich fertig, als zentralen Aspekt "mangelnde bürgerliche Freiheiten" in Kuba anzukündigen. Das deutet darauf hin, dass Sie sämtliche politische Missstände in fast allen anderen lateinamerikanischen Gesellschaften als unerheblich, als zweitrangig ansehen bzw. so verstanden wissen wollen und propagieren. Das hat mitnichten mit "evidenzbasierten Politikstrategien" zu tun, wie Ihre Abteilung innerhalb des Bertelsmann-Konzerns so schön heißt. Geschicktes, aber unzutreffendes Labeling.

Kurzum: Was Sie vorhaben, ist allem Anschein nach eine (intellektuell) "billige" Propagandaveranstaltung. Sie missbrauchen offensichtlich die Arbeit der Projektmitarbeiter am BTI, um Ihr bzw. Bertelsmanns ideologische Brühe zu kochen.

Haben Sie den Mut und bekommen Sie es noch hin, eine Linke bzw. einen Linken hinzuzuziehen, oder wollen Sie tatsächlich unter sich bleiben?

Gruß
Edgar Göll
(Freundschaftsgesellschaft Berlin - Kuba)