Grenzstreit um San-Juan-Fluss in Den Haag

Fehde zwischen Costa Rica und Nicaragua wegen Hoheitsrechten um Flussmündung. Motiv sind womöglich Pläne zum Bau eines Kanals

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Siegel des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag
Hoffen auf Klärung: Siegel und Urteil des IGH in Den Haag (Pressebild)

Den Haag/San José/Managua. Am Dienstag haben vor dem Internationalen Gerichtshof im niederländischen Den Haag die Verhandlungen über den Grenzkonflikt zwischen Costa Rica und Nicaragua begonnen. Beide Länder hatten im November 2010 wegen Grenzverletzungen im Mündungsdelta des Flusses San Juan Klage eingereicht.

Gegenstand der Verhandlung ist dabei in erster Linie die Flussinsel Calera in der Atlantikmündung des San Juan. Sie liegt zwischen zwei Mündungsarmen des San Juan. Auf den südlichen Verlauf erhebt Nicaragua unter Berufung auf seine vertraglich zugesicherten Hoheitsrechte Anspruch. Nach Angaben des Nachbarlandes befindet sich die Calero-Insel jedoch auf costarikanischem Territorium. Nicaraguanische Militäreinheiten hätten die Insel im November vergangenen Jahres "militärisch besetzt" und dabei in dem sensiblen Naturschutzgebiet Waldrodungen und Baggerarbeiten zur Schiffbarmachung des San Juan begonnen, heißt es aus San José.

Nicaragua wirft dem Nachbarland im Gegenzug vor, durch die Ausbaggerung des auf costarikanischem Territorium gelegenen Río Colorado den Wasserstand des Rio San Juan negativ beeinträchtigt zu haben. Die Maßnahmen im Mündungsdelta seien deshalb für die Schiffbarkeit des San Juan notwendig und würden die historisch zugesicherte Souveränität Nicaraguas über den Fluss wiederherstellen.

Bereits 2005 waren beide Länder mit Grenzstreitigkeiten vor den internationalen Gerichtshof gezogen. Damals wurden die Hoheitsrechte Nicaraguas über den Grenzfluss bestätigt, Costa Rica wurde zugleich jedoch die freie Nutzung des Flusses zu zivilen Zwecken zugesichert. 

In einer dreistündigen Präsentation vor dem Internationalen Gerichtshof sprach der costaricanische Vertreter bei Prozessauftakt am Dienstag von einer "Invasion" des Nachbarlandes, durch die "Stabilität und den Frieden beider zentralamerikanischer Länder gefährdet" würde. Die nicaraguanischen Vertreter betonten das durch den im Grenzvertrag von Cañas-Jerez aus dem Jahr 1858 festgeschriebene Recht ihres Landes auf die Schiffbarmachung des Flusses und die damit verbundene Nutzung des Flussbettes im südlichen Mündungsarm. 

Als möglicher Hintergrund des Streits wird in beiden Ländern über die Pläne zum Bau eines transozeanischen Kanals spekuliert. Die nicaraguanischen Regierungen unter Arnoldo Alemán und dessen Nachfolger Daniel Ortega hatte darüber in den letzten Jahren unterschiedliche Machbarkeitsstudien erstellen lassen und unter anderem im Oktober 2009 in den Vereinigten Arabischen Emiraten einen Interessenten für die umgerechnet 19-Milliarden-US-Dollar-Investition gefunden. Nikaraguanische Medien spekulieren darüber, dass die costaricanische Regierung ihrerseits das Ziel verfolge, einen möglichen Kanal über den Río Colorado zu leiten und damit selbst von einem Kanalbau zu profitieren.

Der Colorado ist ein Nebenfluss des San Juan der sich rund 40 Kilometer vor der Atlantikmündung teilt und knapp 30 Kilometer südlich des Hauptflusses auf costaricanischem Territorium in den Atlantik fließt.

Während im November letzten Jahres bereits die Vermittlungsbemühungen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) gescheitert waren, hoffen beide Konfliktparteien nun auf ein schnelles Urteil des Internationalen Gerichtshofes.