Kritik im Bundestag an Geldern für Sektensiedlung

Bundesregierung stellt der ehemaligen "Colonia Dignidad" hunderttausende Euro zur Verfügung. Linksfraktion fordert Umwidmung der Mittel

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Auszug aus dem Bundeshaushalt
Auszug aus dem Bundeshaushalt: "Integration der Villa Baviera"

Berlin. Während Staatsanwaltschaften in Deutschland und Chile die mutmaßlichen Verbrechen in der Deutschensiedlung Colonia Dignidad neu aufrollen, befasst sich nun die Opposition im Bundestag

mit der bislang weitgehend unbekannten staatlichen Unterstützung aus Deutschland für die Sekte in dem südamerikanischen Land. Obgleich die Bundesregierung die andauernde Anwesenheit mutmaßlicher Verbrecher auf dem rund 16.000 Hektar großen Gelände in Zentralchile nach jüngsten Auskünften für "sehr problematisch" hält, hat die inzwischen in "Villa Baviera" umbenannte Siedlung in den vergangenen Jahren massive Geldmittel aus Deutschland erhalten.

Nach der Erhöhung eines entsprechenden Haushaltstitels auf 250.000 Euro bei den Beratungen im vergangenen Jahr wurden die Bundesmittel für die umbenannte Colonia Dignidad für 2012 zwar auf 150.000 Euro reduziert. Dennoch behält sich Berlin die Entsendung von Experten der Entwicklungshilfeagentur GIZ und des Senior Experten Service nach Chile vor, um die wirtschaftlichen Tätigkeiten der berüchtigten Deutschensiedlung zu unterstützen.

Nach amerika21.de vorliegenden Informationen wird die Linksfraktion am heutigen Mittwoch bei den laufenden Haushaltsberatungen im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags eine Umwidmung dieser Hilfsgelder beantragen. Die deutschen Regierungsmittel sollten künftig zur Schaffung einer Gedenkstätte durch das Museum der Erinnerung in Santiago de Chile oder dem das Nationale Institut für Menschenrechte im Haus der Villa Baviera in der Hauptstadt genutzt werden, heißt es in dem Antrag, der amerika21.de vorab vorlag. "Zudem soll anstelle der psychiatrischen Maßnahmen innerhalb der Kolonie die Einrichtung eines therapeutischen Netzwerks gefördert werden", fordern die Linken. Dieses Netzwerk müsse alle Opfern der Colonia Dignidad/Villa Baviera, chilenische und deutsche, außerhalb des Geländes der Siedlung betreuen. Außerdem solle eine Gedenkplakette am früheren Haus der Kolonie in Parral, in dem politische Gefangene gefoltert wurden, angebracht werden.

In der Begründung weist die Linksfraktion darauf hin, dass das Außenamt seit Jahren Gelder an die Sektensiedlung bezahlt, "um deren Integration (...) in die chilenische Gesellschaft" zu fördern. Von dieser Unterstützung habe unter anderem auch das aktuell mit chilenischen Haftbefehl gesuchte und nachweislich in Deutschland lebende Führungsmitglied der Colonia Dignidad, Hartmut Hopp, profitiert. Während der 67-jährige Hopp auf Antrag der chilenischen Behörden mit einem dringenden Haftbefehl gesucht wird, lebt der Flüchtig mit seiner Ehefrau unbehelligt in Nordrhein-Westfalen. Nach Auskunft von Beobachtern bezieht er in Willich (NRW) Sozialhilfe.