Gemeinsam gegen die Krise

Für Demokratie und sozialen Fortschritt: Zum zweiten Mal trafen sich Linksparteien und Gewerkschaften aus Europa, um die Kontakte zu Venezuela auszubauen

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Gemeinsam gegen die Krise
Revolutionäre Konferenz im mondänen Ambiente: Die Maison de l´Amerique Latine in Paris

Paris. Rund 200 Gäste sind am Samstag nach Paris zu der zweiten Konferenz von linken Kräften aus Europa und Venezuela gekommen. Eingeladen hatten zu dem Treffen die globalisierungskritische französische Organisation Mémoire des luttes, die Wochenzeitung Le Monde diplomatique und das in London ansässige Venezuela Information Centre, das auf Initiative von britischen Gewerkschaften gegründet wurde, um die Solidaritätsarbeit mit Venezuela zu befördern. Es war eine ungewohnte Mischung: In exklusivem Ambiente eines Stadtschlosses kamen Vertreter linker Parteien, von Gewerkschaften, aus der Diplomatie und von politischen Basisgruppen zusammen, um das zentrale Thema zu diskutieren: Die "Förderung einer unabhängigen Politik der Europäischen Union gegenüber Venezuela" und anderen Staaten Südamerikas, die mit dem Neoliberalismus gebrochen haben. Es war die zweite Konferenz dieser Art nach einem ersten Treffen im November vergangenen Jahres in London.

Überschattet wurde die Konferenz von der globalen Finanzkrise. Beinahe alle Redner nahmen auf die Turbulenzen im Banken- und Börsenwesen Bezug. Doch waren es nicht diese Erscheinungen, die sie bewegten, sondern die möglichen Konsequenzen. Von einer "wahrhaftigen zivilisatorischen Krise" sprach der ehemalige portugiesische Präsident Mário Soares. Der Sozialdemokrat erinnerte an die Folgen der Weltwirtschaftskrise 1929. Durch sie sei der Faschismus in Europa erstarkt, sie habe auch direkt in den Zweiten Weltkrieg geführt. Der langjährige Chefredakteur der französischen Zentralredaktion der Zeitung Le Monde diplomatique, Ignacio Ramonet, verwies ebenfalls auf die Gefahren der Krise, die er als "Anfang vom Ende der globalen US-Hegemonie" bezeichnete. So werde es für die US-Führung mittelfristig nicht möglich sein, den Krieg in Irak und die Finanzkrise zu bewältigen. Weil eine US-Niederlage in dem Zweistromland aber Iran als Regionalmacht festigen würde, sei ein Angriff auf Teheran wahrscheinlicher. "Die Schwäche der USA kann zu Überrektionen führen, die weltweit neue Krisen und Kriege verursacht", warnte Ramonet.

Hoffnungen in den Präsidentschaftskandidaten der Demokratischen Partei der USA, Barack Obama, wie sie zuvor Soares formuliert hatte, wollte der gebürtige Spanier Ramonet nicht teilen. Und auch der Senator der Sozialistischen Partei Frankreichs, Jean-Luc Mélenchon, erteilte Illusionen in eine von Obama geführte US-Regierung eine deutliche Absage. Die bolivarische Revolution habe sich in den vergangenen neun Jahren nur behaupten können, "weil Venezuela mit dem US-amerikanischen Imperialismus radikal gebrochen hat". Als Konsequenz daraus forderte er die europäische Linke auf, für eine Annullierung des Lissabon-Vertrags einzutreten. "Denn dieses Dokument bindet die EU an die militärische Hegemonialpolitik der USA", so Mélenchon.

Neben solchen Debatten war die Konferenz in Paris ein Treffpunkt für Venezuela-Aktivisten aus ganz Europa. In Sechs Arbeitsgruppen diskutierten sie die Themen soziale Sicherheit, rassistische Diskriminierung, die Rolle von Jugend und Studenten, die Demokratisierung der Medien und die Entstehung einer neuen multipolaren Weltordnung. Während der "offizielle" Teil von sozialdemokratischen Vertretern und meist generell gehaltenen Reden geprägt war, stand in den Arbeitsgruppen der Austausch zwischen den Gästen aus Venezuela und den Vertretern europäischen Organisationen im Vordergrund.

Deutschland war neben der Redaktion von amerika21.de auch durch mehrere Mitglieder der Linkspartei vertreten. Maren Kaminski nahm für den Vorstand der Linken am Vormittag kurz an der Sitzung teil. In einem Beitrag für die Tageszeitung junge Welt zitiert amerika21.de-Redakteur Ingo Niebel die Politikerin mit der Aussage: "Wir können jetzt die Ideen zu den Leuten bringen." Welche Vorstellungen das sind, wen sie meinte und wie das genau aussehen könnte, habe Kaminski nicht weiter spezifiziert, so Niebel. An einem Folgetreffen der geladenen Gäste am Sonntag nahm Kaminski nicht mehr teil.

Mehr Engagement zeigte Venezuelas Außenminister Nicolás Maduro, der am Samstag die Abschlussrede der zweiten europäisch-venezolanischen Konferenz hielt. Die aktuelle Krise beschränke sich mitnichten nur auf den Kapitalmarkt, sagte der Chefdiplomat. Es sei auch eine Energie- und Ernährungskrise, so Maduro, der die "historische Chance" sah, eine Alternative zum neoliberalen Kapitalismus aufzubauen. "Global betrachtet ordnen sich die Blöcke neu, wie sie nach dem großen europäischen Krieg, der bis heute als Zweiter Weltkrieg bezeichnet wird, entstanden sind", sagte Maduro. Neben Lateinamerika strebten Indien, China und Russland nach einer neuen Rolle in der Welt. "Venezuela nimmt an dieser Entwicklung aktiv teil", sagte der Stargast in Paris. Seiner Regierung sei daran gelegen, Ideen und Lösungen einzubringen, um eine neue Gesellschaft aufzubauen, "die wir Sozialismus nennen".


Den aktuellen Bericht von Ingo Niebel in der Tageszeitung junge Welt finden Sie hier. Texte über vergangene Treffen sind unten verlinkt.

Bildquelle: Maison de l´Amerique Latine