El Salvador

Historische Chance

El Salvador könnte erstmals eine linke Regierung bekommen

San Salvador. Am Sonntag wird in El Salvador ein neuer Präsident gewählt. Die seit 20 Jahren regierende Nationalistische Republikanische Allianz (ARENA ) muss erstmals befürchten, an der Regierung von der linken Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) abgelöst zu werden.

Diese schickt erstmals einen Kandidaten ins Rennen, der nicht dem linksorthodoxem Flügel der Partei angehört. Der 49-jährige Mauricio Funes machte sich über 20 Jahre lang einen Namen als kritischer Fernsehjournalist, bevor er im November 2007 die Präsidentschaftskandidatur für die ehemalige Guerilla bekannt gab. Der Partei trat er erst im August 2008 bei. Er verspricht eine Stärkung der politischen Institutionen und des Agrarsektors, eine Erhöhung der Sozialausgaben sowie eine unabhängige Außenpolitik.

Der Präsidentschaftskandidat der ARENA, Rodrigo Ávila, ist ehemaliger Polizeichef und war von 2004 bis 2005 Vizeminister für Sicherheit. Er steht für eine Fortführung der neoliberalen Politik und und den Ausbau der engen Beziehungen zu den USA, auch wenn er im Wahlkampf aus taktischen Gründen verstärkt auf soziale Themen setzte.

Beide Parteien haben ihre Wurzeln im 12-jährigen Bürgerkrieg El Salvadors (1980-1992). Die FMLN bildete sich 1980 als Zusammenschluss fünf verschiedener Guerillafronten und wandelte sich mit den Friedensverträgen von 1992 zur politischen Partei. Die ARENA wurde 1981 von dem Major Roberto D 'Aubuisson gegründet. Dieser war während des Krieges für zahlreiche Grausamkeiten der rechten Todesschwadronen verantwortlich und gilt als der geistige Urheber des Mordes an dem progressivem Erzbischof Oscar Romeo 1980. Die ARENA hat sich nie von ihren rechtsextremen Wurzeln distanziert und verehrt D 'Aubuisson bis heute.

Die letzten Wahlen gewann ARENA vor allem durch massive Angstkampagnen, in denen sie vor Kommunismus, Vernichtung von Arbeitsplätzen und Problemen mit den USA warnte, sofern die FMLN die Wahl gewinnen sollte. Gegen Mauricio Funes fällt diese Art von schmutzigem Wahlkampf nicht ganz so leicht. Er tritt als Sozialdemokrat auf und schmiedet auch Bündnisse außerhalb der Parteistrukturen. Mit den "Freunden von Mauricio" hat sich um ihn herum ein finanzstarker Unterstützerkreis gesammelt, dem unter anderem zahlreiche Unternehmer angehören. Die Angriffe richteten sich im Wahlkampf daher auch weniger gegen Funes persönlich, auch wenn er auf Wahlplakaten der ARENA zusammen mit Hugo Chávez und Fidel Castro abgebildet wird. Zwar suchte Funes bisher eher die Nähe von moderaten Politikern wie dem brasilianischen Präsidenten Lula Da Silva und der chilenischen Präsidentin Michele Bachelet, doch die ARENA warnt eindringlich vor einem aus Venezuela importierten Sozialismus des 21. Jahrhunderts. Die von den FMLN-regierten Gemeinden mit Venezuela geschlossenen Verträge über verbilligte Erdöllieferungen seien nur das erste Indiz dafür, behauptet die Regierungspartei.

Da Funes nicht so recht als Zielscheibe taugt, arbeitet sich die ARENA an seinem Vizepräsidentschaftskandidaten Salvador Sánchez Cerén ab. Dieser gehörte während des Bürgerkrieges zur Kommandantur der Guerilla und vertritt den traditionellen, linken Flügel der heutigen Partei. In Fernsehspots stellt ARENA ihn als kommunistischen Massenmörder dar, der schlimmer sei als die Chefs der berüchtigten, als "maras" bekannten Jugendgangs. Aber ausgerechnet auf dem Gebiet der mara-Bekämpfung hat der ARENA-Kandidat Ávila jedoch ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Seit Jahren gehört El Salvador zu den gewalttätigsten Ländern der Erde. Nach einem leichten Rückgang in den letzten Jahren steigt die Mordrate mittlerweile wieder an. Die ARENA macht die maras für einen Großteil der Gewalt verantwortlich und verfolgt einen rein repressiven Ansatz. Als ehemaliger Polizeichef und Vizeminister für Sicherheit war Ávila in der Vergangenheit selbst an der gescheiterten "Politik der harten Hand" gegen die maras beteiligt, die auch zur Bekämpfung sozialer und politischer Proteste missbraucht wurde.

Anhängern der ARENA bleibt somit nichts anderes übrig, als auf vermeintliche wirtschaftliche Erfolge wie Wachstum, niedrige Inflationsraten und ausländische Direktinvestitionen zu verweisen, die sie auf die wirtschaftliche Öffnung und die Unterzeichnung von Freihandelsverträgen zurückführen. Tatsächlich hat El Salvador aber massive wirtschaftliche Probleme: Fast die Hälfte der Bevölkerung lebt in Armut und zunehmende Privatisierungen bedrohen die Grundversorgung für breite Teile der Bevölkerung. Über 500 Menschen verlassen täglich das Land mit dem Ziel, in die USA zu emigrieren. Dort leben bereits 2,5 Millionen Landsleute, die allerdings nicht wahlberechtigt sind. Deren Rücküberweisungen an Familienangehörige entsprechen etwa 17 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Neben diesen so genannten "remesas" basiert die salvadorianische Wirtschaft zu einem großen Teil auf der maquila-Industrie, wo auf Grundlage niedriger Löhne, niedriger Umwelt- und Sozialstandards sowie Steuervorteilen Waren für den Weltmarkt produziert werden. Aufgrund dieser Abhängigkeit von außen wird die Weltwirtschaftskrise auf El Salvador gravierende Auswirkungen haben.

Für die Wahl am Sonntag wird ein knapper Ausgang erwartet. Lag Mauricio Funes in Umfragen stets deutlich vor Ávila, ist dieser Vorsprung zuletzt immer kleiner geworden. Funes und viele Anhänger der FMLN warnen eindringlich vor einem Wahlbetrug durch die ARENA. Es gibt ernst zu nehmende Hinweise darauf, dass aus den benachbarten zentralamerikanischen Staaten massenhaft Menschen zur Wahl angekarrt werden, um dann mit illegal ausgestellten Personalausweisen ihr Kreuz bei ARENA zu machen. Dennoch geht Funes als leichter Favorit ins Rennen. Im Fall eines Wahlsieges würde neben der Wirtschaftskrise auch das Ergebnis der Parlamentswahlen vom Januar 2009 seinen Handlungsspielraum einengen: Die FMLN hatte sich mit knapp 43 Prozent der Stimmen zwar von 32 auf 35 Sitze verbessert und stellt die stärkste Fraktion; für eine absolute Mehrheit wären jedoch mindestens 43 Sitze erforderlich gewesen.