Wird die Migrationsbehörde von Mexiko aufgelöst?

Nach Brandkatastrophe mit 40 Toten und vielen Verletzten Diskussionen um Ausrichtung der mexikanischen Migrationspolitik. Unterschiedliche Bewertung neuer Institutionen

centro_de_detencion_en_ciudad_juarez.jpeg

Ausgebrannte Unterkunft für Migrant:innen in Ciudad Juárez, Mexiko
Die ausgebrannte Unterkunft in Ciudad Juárez

Mexiko-Stadt. Der Priester und Menschenrechtsaktivist Alejandro Solalinde hat nach einer Besprechung mit dem mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador (Amlo) bekannt gegeben, dass die derzeitige Migrationsbehörde Instituto Nacional de Migración (INM) aufgelöst werden soll. An ihre Stelle werde ein neues Gremium, die Nationale Koordinierung für Migration und Ausländerfragen (ConMéxico) treten, dem Pater Solalinde als Ehrenpräsident vorsitzen soll.

Auslöser für diese Entwicklung ist das Unglück in einem Migrationszentrum in Ciudad Juárez im Bundesstaat Chihuahua vor zwei Wochen. Aus Protest gegen die dortigen Bedingungen hatten Migrant:innen ihre Matratzen in Brand gesteckt. Das Feuer geriet außer Kontrolle und führte zum Tod von etwa 40 Männern sowie zahlreichen Verletzten.

Verschiedene Mitarbeiter:innen des INM und privater Sicherheitsfirmen, die der Katastrophe tatenlos zugeschaut haben sollen, wurden festgenommen, ebenso ein Migrant, der als Verursacher des Brandes gilt. Das Migrationszentrum wurde geschlossen und der Vertrag mit der entsprechenden Sicherheitsfirma gekündigt. Präsident Amlo reiste nach Juárez, um sich ein Bild von der Lage zu machen und die Versorgung der Opfer zu inspizieren.

Die mexikanische Regierung und besonders das INM stehen wegen ihrer Migrationspolitik seit Jahren in der Kritik. Die Unterkünfte des INM gelten zumindest teilweise eher als Gefängnisse, und die Rolle des INM wird eher als die einer Polizei bewertet, die Migrant:innen verfolgt und unterdrückt.

Für viele Migrant:innen ist Mexiko ein Transitland auf dem Weg in die USA. Die Trump-Administration bewegte die mexikanische Regierung durch Androhung von Strafzöllen auf deren Exporte zu einer restriktiven Migrationspolitik. Mexiko geriet zusätzlich unter Druck, da die USA allein in den letzten drei Jahren 2,3 Millionen unerwünschte Migrant:innen nach Mexiko auswiesen (amerika21 berichtete). So wurde 2019 die Stelle des Leiters des INM mit Francisco Garduño besetzt, der vorher für die Verwaltung der Bundesgefängnisse im Land zuständig war. Kritiker:innen befürchteten damals eine Politik der harten Hand gegen Migrant:innen.

Teresa Ulloa Ziáurriz, Regionaldirektorin der Koalition gegen den Handel mit Frauen und Mädchen in Lateinamerika und der Karibik, weist auf die Gefahr durch organisierte Banden und Menschen- und Organhandel hin. Dem sind die Migrant:innen nicht nur in Ciudad Juárez ausgesetzt. Der Staat unternehme nichts. "Die Frauen, Jugendlichen und Mädchen, die aus den Migrantenkarawanen entführt wurden, werden sexuell ausgebeutet", so Ulloa. Besonders groß sei das Risiko für Frauen: 60 Prozent der Transitmigrantinnen werden Opfer von sexueller Belästigung und Gewalt.

Das UN-Komitee für den Schutz der Rechte aller Arbeitsmigrant:innen und ihrer Familienangehörigen hat in einer Reaktion auf den Tod der Migrant:innen in Juárez bedauert, dass die mexikanische Regierung nicht auf seine Kritik an den Haftanstalten reagiert hat. Bereits 2017 hatte das Komitee diese Anstalten und die dortigen Bedingungen kritisiert und im Jahr 2022 gefordert, dass Mexiko seine Anstrengungen verdoppeln solle, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern.

Gemeinsam mit dem Sonderberichterstatter für die Rechte von Migrant:innen, Felipe González Morales, hat das Komitee jetzt eine rasche und gründliche Untersuchung des Vorfalls verlangt, eine Forderung, der sich auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, anschloss.

Der Fall sorgte auch für internationale Verstimmung. Die Regierung des salvadorianischen Präsidenten Nayib Bukele verlangte von Amlo, Garduño zu entlassen und die Verantwortlichen für die Toten in Ciudad Juárez ins Gefängnis zu bringen.

In dieser aufgeheizten Stimmung möchte die mexikanische Regierung jetzt offenbar Maßnahmen ergreifen. Das neue Gremium ConMéxico soll, so Pater Solalinde, eine deutlich andere Struktur als das INM aufweisen. Garduño soll nicht als dessen Leiter eingesetzt werden und die derzeit im INM arbeitenden Militärangehörigen ebenfalls ihre Posten verlieren. ConMéxico soll Solalinde zufolge einen menschlichen, internationalen und interinstitutionellen Ansatz verfolgen und daher u.a. Vertreter:innen diverser Ministerien, der Nationalen Menschenrechtskommission, der Streitkräfte, der Kirche, der Wissenschaft, der Botschaften der zentralamerikanischen Länder sowie der Migrant:innen miteinbeziehen.

Der Plan hat bereits Kritiker:innen auf den Plan gerufen. Pater Julio López, zuständig für Menschenrechtsfragen bei der mexikanischen Bischofskonferenz, hält den Plan für eine Nebelkerze, um die Proteste zum Schweigen zu bringen, die nach dem Tod der Migrant:innen in Ciudad Juárez aufgekommen sind. López sagte: "Das Nationale Migrationsinstitut hat bereits einen Bürgerrat. Die Regierung muss ihm zuhören, denn dieser Rat spricht seit langem Empfehlungen aus, die sie nicht beachtet."

Eine ähnliche Kritik erschien in der Zeitung Heraldo de México. Dort wurde die geplante Abschaffung des INM als demagogischer Vorschlag bezeichnet, da die Denkmuster in der neuen Institution dieselben bleiben würden wie bisher und dadurch lediglich politische und administrative Zuständigkeiten verwässert werden würden.