Präsident von Chile legt den jährlichen Rechenschaftsbericht vor

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Chiles Präsident Gabriel Boric legt den jährlichen Rechenschaftsbericht ab
Chiles Präsident Gabriel Boric legt den jährlichen Rechenschaftsbericht ab

Santiago. In einer dreieinhalbstündigen Rede hat Chiles Präsident Gabriel Boric in seiner verfassungsmäßig vorgeschriebenen jährlichen "Cuenta Publica" die Ergebnisse aus einem Jahr Regierung dargelegt. Er gab Ausblicke auf die kommenden Regierungsvorhaben und formulierte langfristige Ziele.

Zu Beginn erinnerte Boric an die schwierigen Bedingungen, unter denen er die Regierung übernahm. Er nannte die auslaufende Pandemie und den Krieg in der Ukraine als Ursachen für wirtschaftliche Probleme mit hoher Inflation und Arbeitslosigkeit. Dazu kamen hohe Staatsschulden, eine große Anzahl undokumentierter Einwanderer, ausufernde Schwerkriminalität, gewalttätige Zusammenstöße im Mapuche-Gebiet Walmapu.

Boric gliederte seine Rede in die Bereiche Soziales, öffentliche Sicherheit und wirtschaftliche Entwicklung. Als gemäß dem Regierungsprogramm erfolgreich durchgesetzte Reformen nannte er die Einführung der 40-Stunden-Woche, die Aufstockung des Mindestlohns auf rund  584 Euro, die teilweise Streichung der Selbstbeteiligung für Behandlungen im öffentlichen Gesundheitswesen und die Abarbeitung der Warteliste für chirurgische Eingriffe.

Ferner das Gesetz, das die Zahlung von Unterhaltsgeld wirksam erzwingt, die Einführung von Gebühren auf Erze und Mineralien zugunsten der Regionen sowie die Wiederherstellung der Kontrolle der nördlichen Grenzübergänge mittels des Einsatzes des Militärs.

Der Präsident erklärte, dass für alle durch die verheerenden Waldbrände zerstörten Wohngebäude Notunterkünfte errichtet und diese bis Juli komplett ans Trinkwassernetz und die Stromversorgung angebunden werden. Von den geplanten 260.000 Einheiten des Wohnungsbauprogramms seien 190.000 bereits übergeben, im Bau oder in Planung. Der öffentliche Personennahverkehr soll vorrangig ausgebaut, stillgelegte Zugverbindungen sollen wieder hergestellt werden. Zwischen Santiago, Valparaíso und Concepción seien Schnellzugverbindungen in der Planung.

Im Bereich der öffentlichen Sicherheit reklamierte der Präsident die Sicherstellung von 1.700 Waffen im Rahmen des Programms "Straßen ohne Gewalt", über 1.000 gesuchte Gesetzesbrecher seien dingfest gemacht worden. Soziales Eingreifen in Wohnvierteln solle gefährdete Kinder und Jugendliche vor einem Abrutschen in die Kriminalität bewahren und verurteilte Jugendliche und Kleinkriminelle wieder in die Gesellschaft eingegliedern. Gleichzeitig soll die Polizei aufgerüstet, Gefängnisplätze um zwölf Prozent aufgestockt und eine wirksame Kontrolle von Waffen im Privatbesitz durchgesetzt werden. Zukünftige Gesetzesnovellen müssten die wirksamere Verfolgung und Bestrafung von Entführungen, Auftragsmorden und Wirtschaftsvergehen ermöglichen. Das Finanzamt bekommt neue Vollmachten, um Steuervergehen zu verfolgen und zu bestrafen.

In seinem Rechenschaftsbericht wies Boric auf eine ‒ noch zögerliche ‒ Erholung der Wirtschaft hin. So stiegen 2022 die Investitionen um 2,5 Prozent und das Bruttosozialprodukt entgegen schlechteren Erwartungen um 2,4 Prozent. Die Regierung lege das wirtschaftliche Hauptaugenmerk auf Kupfer, in steigendem Maße auf Lithium (amerika21 berichtete) und grüne Wasserstoffindustrie. Investitionen können mit Steuererleichterungen sowie Kleinunternehmen und Neugründungen von Familienunternehmen mit Fördermitteln rechnen. Zur Speicherung von Energie sollen bis 2026 insgesamt 2,2 Milliarden Pesos investiert sowie eine eigene Satellitenflotte aufgebaut werden. Private Haushalte sollen zur Abfederung von Notsituationen weiterhin mit Preisstützung und Bonuszahlungen rechnen können.

Die kommenden Reformen sollen vor allem den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft fördern, wobei Boric die ausstehende Rentenreform hervorhob. Weitere Vorhaben umfassen die Unterstützung pflegebedürftiger Familienmitglieder, eine wirksame Behandlung von Menschen mit psychischen Problemen und die Wiedereingliederung der Kinder, die während der Pandemie die Schule abgebrochen haben.

Während seiner Rede verwies der Präsident immer wieder auf die Notwendigkeit einer Steuerreform, um alle Reformvorhaben langfristig abzusichern. In weiteren Themen behandelte er Umweltschutz, Klimawandel, Fischerei, Landwirtschaft und eine "Agenda der Anerkennung und des Dialogs mit indigenen Völkern" (Plan buen vivir), lateinamerikanische Integration und Bewältigung der kontinentalen Fluchtbewegungen.

In Umfragen erreicht Boric aktuell mit 41 Prozent das beste Ergebnis seit Juni 2022, als er seinen ersten Rechenschaftsbericht an die Nation vorgelegt hatte.

Die Opposition bedachte die Jahresbilanz mit Kritik. Sie verlangte mehr Geld für Verbrechensbekämpfung und lehnt eine Steuerreform zur Finanzierung der Reformvorhaben ab.