Krise des Gesundheitssystems in Chile: Zehntausende sterben mangels Behandlung

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Präsident Gabriel Boric und Gesundheitsministerin Ximena Aguilera weihen in Quilpue ein Pilotprojekt der medizinischen Primärversorgung
Präsident Gabriel Boric und Gesundheitsministerin Ximena Aguilera weihen in Quilpue ein Pilotprojekt der medizinischen Primärversorgung

Santiago. Die Zahl der vermeidbaren Todesfälle von Patienten in Chile hat zugenommen. Im Jahr 2022 starben 44.000 Menschen, während sie auf einen chirurgischen Eingriff oder eine fachärztliche Behandlung warteten.

Während der Pandemie von Februar 2020 bis August 2023 verschärfte sich im Land das Problem der unbehandelten Patienten im Wartezustand noch weiter. Tausende von nicht lebensbedrohenden chirurgischen Eingriffen wurden verschoben, und die Wartezeit für einen Facharztbesuch verlängerte sich um Monate. Die unbehandelten Patienten füllen die Wartelisten, die nur langsam abgearbeitet werden.

Jetzt liegen die Zahlen der verstorbenen Patienten in diesen Listen für das Jahr 2022 vor. Demnach sind 5.400 Personen verstorben, die Anspruch auf die gesetzlich verankerte "Explizite Gesundheitsgarantie" (Plan GES) hatten. Darin sind 87 Pathologien erfasst, die wegen der Dringlichkeit vorrangig behandelt werden müssen. Dazu gehören Herz-Kreislauf-Erkrankungen, verschiedene Krebsarten, Nieren- und Lebererkrankungen, Epilepsie sowie schwere Gehirn- und Augenverletzungen. Nach der Aufnahme in diesen Plan haben die Patienten Anspruch auf eine bevorzugte Behandlung, einschließlich der vollständigen Übernahme der Kosten für Medikamente und medizinische Hilfsmittel.

Die weitaus größere Zahl der Verstorbenen, nämlich über 38.000, sind Patienten, die keinen Anspruch auf eine bevorzugte Behandlung haben. Viele Ärzte weisen darauf hin, dass der physische und psychische Stress, der durch die lange Wartezeit verursacht wird, das Leben durchaus verkürzen könne und dass die gemeldete Krankheit nicht unbedingt die Todesursache sein muss.

Das Ausmaß des Problems wird erst in absoluten Zahlen deutlich. So warten mehr als 331.000 Patienten auf eine Operation und 2,4 Millionen auf einen Termin beim Facharzt. Das entspricht einem Anstieg von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Dabei gibt es durchaus Fortschritte. Im ersten Jahr der Regierung von Präsident Gabriel Boric sanken die Wartezeiten für chirurgische Eingriffe um 32 Prozent und für fachärztliche Behandlungen um 22 Prozent. Bis zum Ende der laufenden Amtszeit sollen sie um fast die Hälfte, nämlich um 40 Prozent, reduziert werden.

Im Haushalt 2024 sind außerdem Mittel für den Bau von sechs weiteren Krankenhäusern vorgesehen, 21 sind bereits im Bau. Hinzu kommen 13 Gemeinden, die in das Programm der erweiterten Primärversorgung aufgenommen werden.

Aufgrund der Krise der privaten Krankenversicherer Institut für Gesundheitsvorsorge (Isapre) erfährt die staatliche Krankenversicherung Fonasa einen starken Zulauf, der durch Werbekampagnen noch verstärkt wird. Dies bringt zwar mehr Geld durch Beiträge in die Kassen, zwingt aber gleichzeitig zur Ausweitung der Leistungen.

Das ganze Dilemma begann in der Zeit der Militärdiktatur nach dem Putsch 1973, als dem privaten Gesundheitssystem Tür und Tor geöffnet wurde und gleichzeitig das öffentliche System dem Verfall preisgegeben wurde. So wurde beispielsweise der Bau eines öffentlichen Krankenhauses mit 1.200 Betten in der Arbeitergemeinde Pedro Aguirre Cerda gestoppt.

Ein weiteres Problem, das nur langsam gelöst werden kann, ist der Mangel an Fachärzten, da die Mindestausbildungszeit circa sieben Jahre beträgt. Als Zwischenlösung ist geplant, Patienten auch an Samstagen zu behandeln, was zusätzliche finanzielle Anreize für das Personal voraussetzt.