Feministischer Protest in Lateinamerika: unabhängig und gegen Regierungspolitik

Hunderttausende sind am 8. März gegen Gewalt an Frauen, Verschwindenlassen, Diskriminierung und eine Beschneidung ihrer Rechte auf die Straße gegangen

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Buenos Aires: "Der Macho zittert, weil wir stark sind"
Buenos Aires: "Der Macho zittert, weil wir stark sind"

Mexiko-Stadt et al. In Mexiko-Stadt haben die Mütter der Verschwundenen und der Opfer von Feminiziden die Menge der Demonstrierenden angeführt, die den Weg vom Ángel de la Independencia über den Platz der Revolution bis zum zentralen Zócalo vor dem Nationalpalast füllte. Danach folgten feministische Kollektive, Gewerkschaften, Schulen, Universitäten und andere Gruppierungen.

Insgesamt waren nach Angaben des Innenministeriums allein in der Hauptstadt rund 180.000 Demonstrierende auf den Straßen. Einige Mitglieder des Organisationskomitees stellten in ihrer Rede dar, dass die feministische Bewegung sich nicht von der Politik vereinnahmen lassen werde, auch wenn derzeit zwei Frauen - Claudia Sheinbaum für Morena und Xochitl Gálvez für die konservative Koalition "Frente Amplio por México" - die aussichtsreichsten Chancen im Rennen um die Präsidentschaft haben.

"In dieser Wahlsituation halten wir an der Unabhängigkeit und Autonomie unserer Bewegung fest, die auf der Straße, im Kollektiv, in der Gewerkschaft, in der Wohnung, in der Universität wächst und sich manifestiert. Wir sind skeptisch, wir trauen den Kandidaturen nicht, weder denen, die die extreme Rechte und die Oligarchie des Landes repräsentieren, aber wir trauen auch nicht den geschönten Transformationsprojekten, die die alten politischen, militärischen und finanziellen Strukturen aufrechterhalten", so eine programmatische Ansage.

Nicht nur in der Hauptstadt, auch in zahlreichen kleineren Städten gingen Feminist:innen auf die Straße, um gegen Diskriminierung und Gewalt an Frauen zu demonstrieren. Dabei kam es unter anderem in Zacatecas, der Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates in Zentralmexiko, zu Polizeigewalt gegen die Protestierenden.

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Der Kampf in vielen Ländern Lateinamerikas für legalen und sicheren Schwangerschaftsabbruch
Der Kampf in vielen Ländern Lateinamerikas für legalen und sicheren Schwangerschaftsabbruch

In Argentinien richteten sich die Proteste auch gegen den neu gewählten Präsidenten Javier Milei, der als eine seiner ersten Amtshandlungen die Frauenministerin zu einer Staatssekretärin herabgestuft hat. Er hat zudem angekündigt, die erst 2020 erkämpfte Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen rückgängig zu machen. Die von Milei umgesetzten Kürzungen bei Gehältern, Renten und Transferleistungen betreffen Frauen besonders stark.

Die Regierung habe "die feministische Bewegung als Synonym für soziale Gerechtigkeit und damit als einen ihrer Hauptfeinde gebrandmarkt". Als Antwort darauf gebe es "ein enormes Bedürfnis nach Einheit und massiver Beteiligung bei den Demonstrationen", hieß es bei den vorbereitenden Versammlungen zum 8. März in Buenos Aires.

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Überall präsent: Protest gegen die israelische Kriegführung in Gaza
Überall präsent: Protest gegen die israelische Kriegführung in Gaza

Sowohl in Argentinien als auch in anderen Ländern wie Ecuador und Brasilien solidarisierten sich viele Frauen mit den Palästinenser:innen im Gazastreifen und forderten ein Ende der israelischen Angriffe auf Gaza. Viele bezeichneten das Handeln der israelischen Regierung als Genozid.

In Brasilien befassten sich die Demonstrationen außerdem mit Gewalt, der Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, Polizeigewalt vor allem gegen die Schwarze Bevölkerung, sowie dem Widerstand gegen Privatisierung. Auf die Straße gingen unter anderem studentische Aktivist:innen, Gewerkschaften, feministische Kollektive, Indigene sowie Mitglieder der Schwarzen Bewegung und der LGBTQIA+-Community.

In Chile gingen nach unterschiedlichen Angaben zwischen 50.000 und 350.000 Menschen, meist junge Frauen, auf die Straße. Auch in anderen Städten wie Concepción und Valparaíso kam es zu Demonstrationen.

In Venezuela versammelten sich Dutzende Frauen und forderten die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, bessere Gehälter sowie Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt. In einem Interview mit Venezuelanalysis sagte Suhey Ochoa von der feministischen Organisation Pan y Rosas, dass venezolanische Frauen derzeit drei grundlegende Rechte benötigten: legale, sichere und kostenlose Abtreibung, bessere Gehälter zur Deckung der grundlegenden Lebenshaltungskosten sowie mehr Frauenhäuser.

Die junge Aktivistin betonte, dass im vergangenen Jahr alle 44 Stunden eine Frau getötet worden sei. Dies entspräche einer Gesamtzahl von 201 Femiziden im Land. "Wir wollen diese Realität nicht mehr leben. Wir werden weiter für diese Forderungen kämpfen, egal wer im Juli regiert, denn keine Seite, weder Regierung noch Opposition, hat das Recht auf Abtreibung, Femizide oder würdige Löhne auch nur erwähnt", sagte Ochoa.

In El Salvador stufte das Digitalportal "El Faro" die Proteste der Frauen als "einzige Massenmobilisierungen gegen Präsident Bukele seit seiner Wiederwahl" ein. Mehr als 3.000 Frauen und ihre Verbündeten prangerten in den Straßen von San Salvador an, dass es im Jahr 2023, in dem sich die Regierung zu einem Rückgang der Tötungsdelikte beglückwünschte, 47 Frauenmorde gegeben habe. Die Organisation Redfem wies darauf hin, dass die Zahl der Fälle, in denen Frauen von ihren Partnern ermordet wurden, im Vergleich zum Vorjahr um 57 Prozent gestiegen sei.

Bei beiden Demonstrationen wurden auch Schilder, Slogans und Lieder gezeigt, die von der Regierung die Achtung der demokratischen Meinungs-, Presse- und Vereinigungsfreiheit sowie den Zugang zu öffentlichen Informationen forderten. "Die Regierung hat sich nicht damit begnügt, die Spielregeln in der gesetzgebenden Versammlung zu ändern, sondern sie hat sich des Obersten Wahlgerichts bemächtigt, um ein Land mit einer Einheitspartei zu konsolidieren", hieß es in einer Mitteilung der feministischen Versammlung.