"Es gibt eine Führungskrise in Venezuela"

Gespräch mit dem venezolanischen Politikwissenschaftler Nicmer Evans über die Krise des Landes und die bevorstehenden Parlamentswahlen

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Der Politikwissenschaftler Nicmer Evans
Der Politikwissenschaftler Nicmer Evans

Enorme Preissteigerungen und Versorgungsengpässe bei Gütern des täglichen Bedarfs sind in Venezuela in den vergangenen zwei Jahren zur Normalität geworden. Während die Regierung von Präsident Nicolás Maduro sich als Opfer eines Wirtschaftskriegs der Unternehmer sieht, kritisieren Oppositionelle die aus ihrer Sicht verfehlte Politik der Regierung als Ursache der anhaltenden Krise. Auch innerhalb des Chavismus werden zunehmend Stimmen laut, die ein Umschwenken der Regierungspolitik fordern. Deutlichster Ausdruck dieser Entwicklung ist derzeit Marea Socialista, eine ehemalige Strömung der sozialistischen Regierungspartei PSUV, die zu den Parlamentswahlen am 6. Dezember mit eigenen Kandidaten antritt. In Caracas hat amerika21-Redakteur Jan Kühn eines der bekanntesten Gesichter dieser Gruppierung getroffen. Mit Nicmer Evans sprach er über die aktuelle Situation in Venezuela und Perspektiven für die weitere Entwicklung.


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In den internationalen Medien und zum Teil auch hier in Venezuela wird ein ziemlich katastrophales Panorama von Venezuela gezeichnet und man spricht von einem Land am Rande des Abgrundes. Wie sehen Sie die wirtschaftliche Situation und die gesellschaftlichen Auswirkungen, die sie hat?

Schauen Sie, die Meinungsmuster sind während all dieser fünfzehn Jahre der Regierung eines revolutionären Prozesses letztendlich immer gegensätzlich gewesen und waren stets darauf bedacht, während der Führerschaft von Präsident Chávez all das, was die konkrete Realität des Landes ausmachte, auf unverhältnismäßige Weise zu attackieren. Damit will ich nicht bezweifeln, dass manche Anklage oder manches Element, das in den Medien präsent gewesen wäre, richtig gewesen sein kann. Auf jeden Fall überwog eine unbedingte, eiserne Konfrontation zwischen der Realität und dem, was viele Sektoren auf nationaler und internationaler Ebene als die Katastrophe eines Modells darstellen wollten, das ganz im Gegenteil einen außergewöhnlichen Aufschwung nahm und unmittelbare Auswirkungen auf die Völker Lateinamerikas hatte: Ecuador, Bolivien, Kuba, zu gewisser Zeit Paraguay, in einem anderen Moment Honduras, Argentinien, Brasilien und viele andere mehr. All das war ein Resonanzkörper für das, was hier erwachte und in jedem einzelnen dieser Länder seine eigene Auslegung erfuhr, in einigen Fällen erfolgreich und in anderen mit nicht so viel Erfolg.

Dennoch sehen wir uns heute, nach dem Tod von Präsident Chávez, einer ganz besonderen Situation ausgesetzt. Auch wenn es stimmt, dass Präsident Chávez bei der Anwendung des politischen Modells, bei der Einführung des gesellschaftlichen Modells riesige Erfolge verbuchen konnte, so hatte er doch ernsthafte Schwierigkeiten bei der Anwendung des ökonomischen Modells. Dies zog schließlich Probleme nach sich, die heute sehr viel deutlicher zu erkennen sind, da derjenige, der abgesehen vom politischen und sozialen das wirtschaftliche Modell leitet, tiefgehende Schwierigkeiten dabei hat, das zu schaffen, was Präsident Chávez geschafft hat, das heißt Lösungen zu finden und zuweilen sogar politische Jonglierkünste zu zeigen, um einen Teil der begangenen Fahrlässigkeiten wieder zu beheben. Außerdem gibt es auch ein wichtiges Element, das die heutige Situation von all jenen Jahren unterscheidet: Wir haben es zum ersten Mal mit einem Ölpreis zu tun, der von 100 auf 40 US-Dollar pro Barrel gefallen ist, was außer Kontrolle der Regierung liegt.

Es gibt ein transnationales Element, das sich in proportionaler Weise auf die Popularität der Bewegungen in Venezuela auswirkt. Es gib ein direktes Verhältnis zwischen dem Ölpreis und den politischen Veränderungen sowie der allgemeinen Unterstützung für den amtierenden Präsidenten. Dies ist eine sehr konkrete Realität, und auch Nicolás Maduro konnte dem nicht entkommen. Nicolás Maduro fiel es zu, eine sehr komplexe Präsidentschaft zu übernehmen, da Präsident Chávez in seinen letzten Lebensjahren bereits nicht mehr in der Lage war, die ökonomischen Angelegenheiten wirklich zu steuern. Er wusste, dass dies ein Problem war, aber er konnte sich der Lösung der wirtschaftlichen Probleme nicht mehr in der Weise widmen, wie er es in den vorangegangenen Jahren getan hatte, selbst wenn er vorhergesehen hätte, was damals fast nicht vorhersehbar war: der Verfall des Preises für das Barrel Rohöl. Aber es stimmt schon, wir waren bereits dabei, in Schwierigkeiten zu geraten.

Wir haben bisher noch nicht den Mangel an Devisen erlebt, die dazu notwendig sind, eine Rentenwirtschaft1 zu unterhalten, die völlig von Importen abhängig ist. Und dies war das große Problem unter der Führung von Präsident Chávez. Er hatte ein klares Ziel vor Augen, aber die Anwendung des Modells misslang. Warum? Weil der Sozialismus auf seiner produktiven Fähigkeit und auf der Entwicklung seiner Produktivkraft beruht, sich aber aufgrund seiner gesellschaftlichen Beziehung zu den Produktionsmitteln vom Kapitalismus unterscheidet. Er vernachlässigt jedoch niemals die Notwendigkeit der gerechten Wertschätzung der Arbeit und den Anreiz der Arbeit zur Produktion.

Leider verloren, ausgehend von der schlechten Anwendung des Modells, viele Dinge in Bezug auf die Bewertung der Arbeit an Kraft. Dies geschah als Folge dessen, was Präsident Chávez einmal als "Erdölsozialismus" bezeichnet hat, auch im Hinblick auf die Vernachlässigung der nationalen Produktion zugunsten von Importen. Ein fatales Konzept für das, was eine sicherlich sehr viel diversifiziertere Wirtschaft mit einer bedeutenden Industrie sein müsste, die – wie niemand leugnen kann – weiterhin die Grundlage der Wirtschaft sein muss, die aber dazu in der Lage sein müsste, Modifizierungen in der Form der Verarbeitung und der Industrialisierung hervorzubringen. Außerdem ist die konsumistische Kultur der Venezolaner wirklich übertrieben, und auch das fördert die Schwierigkeiten, die aus ökonomischer Sicht vorhanden sind.

Was wir also in den ausländischen Medien sehen, bildet weiterhin übertriebene Meinungsmuster ab, die böswillig sind und Destabilisierung zum Ziel haben. Die Informationen sind jedoch nicht immer fern der Realität. Was eine Distanz zur Realität herstellt, ist die Absicht. Aber natürlich gibt es Warteschlangen, gibt es Unterversorgung, gibt es einen dramatischen Mangel an Produkten. Wir sprechen von Medikamenten gegen chronische Krankheiten, dabei geht es nicht einfach nur um ein Medikament gegen Zahn- oder Kopfschmerzen, nein, wir sprechen über Medikamente gegen Bluthochdruck, gegen Diabetes, zur Behandlung von Aids, gegen Krebs. Dies bedeutet eine schreckliche Verarmung der Lebensqualität der Venezolaner, weil heutzutage die Devisen, die wir für den Import benötigen, immer knapper werden.

Der wahre große Mangel ist ein Mangel an Devisen, und der wird unter anderem durch das äußerst hohe Niveau an Korruption bewirkt, das in Venezuela existiert. Dies ist nicht erst heute so, aber das Problem ist, dass dies heute sichtbarer geworden ist. Nicht weil Präsident Chávez nicht gewusst hätte, dass es in seiner Regierung Korruption gab. Aber er gab dieser Regierung eine moralische Prägung, die dafür sorgte, dass die Korrupten sich nichts anmerken lassen durften, und zwar auch gegenüber ihm.

Ich werde dir eine überraschende Geschichte erzählen, die mich immer noch sehr schockiert: Ein von mir sehr geschätzter Freund hat einen Kumpel im Schatzamt – ich werde keine Namen nennen. Eines Tages meint mein Freund zu mir: "Hör mal, ein Herr Soundso vom Schatzamt hat mich eingeladen. Wir werden uns treffen." Am nächsten Tag erzählt mir mein Freund, dass der vom Schatzamt, ein hohes Tier, zu ihm gesagt hat: "Begleite mich doch, ich will mir ein Motorrad kaufen." Ein hochzylindrisches, eins von diesen ganz teuren. Mein Freund versteht etwas von Motorrädern und empfiehlt ihm einige. Da sagt der andere plötzlich zu ihm: "Willst du auch eins?" Als ob es um einen Kaffee ginge. Er ist völlig überrascht und antwortet ihm: "Nein, nein, nein, ich will keins, wenn ich eins brauche, dann kauf ich mir selbst eins." Da sagt der Kerl zu ihm: "Junge, hab dich doch nicht so." – "Nein, das kann ich nicht annehmen." – "Schon gut, dann eben nicht, aber ich muss dir gestehen, dass ich nicht weiß, was ich mit dem Geld machen soll. Ich bin schon ganz verrückt danach, dass sie mich beim Schatzamt rausschmeißen, ich will bloß weg da, hoffentlich stürzt die Regierung, komme, was wolle, Hauptsache, ich kann gehen und endlich mein Geld genießen, das ich gescheffelt habe, nur weil ich diesen Posten habe." Der schreibt das alles nicht mal einem Korruptionsproblem zu. "Ich weiß nicht, wohin mit dem Geld, das Geld ist wie eine Grippe, wie ein Husten, das kann man nicht verheimlichen." Das veranschaulicht eine Sache ein bisschen, die scheinbar witzig, aber in Wahrheit eher dramatisch ist. Die Ausmaße der Korruption in Institutionen wie dem nationalen Schatzamt sind offenkundig und notorisch.

Nun steht hinter dem strukturellen Problem der Korruption in Venezuela noch ein weiteres, sehr viel krasseres Problem, das darin besteht, dass die Sichtweise der venezolanischen öffentlichen Verwaltung dafür sorgt, dass es unmöglich erscheint, eine soziale Rechnungsprüfung durchzuführen, und dass es bei den öffentlichen Verwaltungsakten Transparenz gebe könnte. Es ist unmöglich, in Venezuela unter dem Gesichtspunkt der bürgerschaftlichen Organisierung eine Rechnungsprüfung zu realisieren, da die Institutionen dir einfach keine Informationen geben. Fertig, da kann man eben nichts dran machen. Dies bringt als Konsequenz die Tatsache mit sich, dass während der zwölf Jahre der Wechselkurskontrolle2 mehr als eine Billion Dollar im Umlauf waren, von denen nahezu 25 Prozent Teil der Kapitalflucht sind. Und das sind offizielle Angaben der venezolanischen Zentralbank. Was bedeutet das? Es gibt über 250 Milliarden Dollar an Kapitalflucht von 2003 bis jetzt.

Was heißt in diesem Sinne geflüchtet? Dass sich das Geld auf Konten im Ausland befindet und keine Entsprechung in Importen, in Waren oder Investitionen besitzt; es ist einfach von der öffentlichen Nationalbank oder von Privatbanken abgezogen worden und befindet sich außer Landes.

Geschieht dies auf dem Wege, dass der Staat Devisen an Unternehmer vergibt, ob sie nun Chavisten oder Oppositionelle sind, und die dann damit nicht das machen, was sie zu tun vorgeben?

Natürlich, und außerdem besteht eine Vermittlung durch das Bankwesen, da der Staat keine Ressourcen abgibt, keine Devisen zuteilt, wenn nicht über die Banken. Die Banken können auch ein Vermittler sein, um Devisen abziehen zu können. Während all dieser Jahre hat es eine fürchterliche Komplizenschaft zwischen Teilen der Bürokratie, der Banken und des Privatsektors gegeben, die sich alle untereinander abgesprochen haben, um den großen Finanzbetrug des Landes zu vollziehen – und der hat sich in diesen letzten zwei Jahren weiter vertieft. Heute erleben wir einen Finanzbetrug in vielfacher Millionenhöhe, man hat uns mit Waffengewalt überfallen, ohne uns die Waffe zu zeigen. Das Übelste dabei ist, dass wir aufgrund der geringen Transparenz des Staates nicht mal angeben können, wer der Täter war.

Genau deshalb gibt es Gruppen wie Marea Socialista3, die die Durchführung einer öffentlichen Überprüfung fordern. Aber gut, das ist ein anderes Thema. Auf jeden Fall zeigt das ein bisschen auf, dass die Krise, die Venezuela heute durchmacht, obwohl wirtschaftlich bedingt, auch eine politische Krise und darüber hinaus eine ethische Krise ist. Es handelt sich um eine ethische Krise, die zudem den Gegnern ein Silbertablett bereitet, die das Modell kritisieren, als ob der Sozialismus in Venezuela schon zur Anwendung gekommen wäre. Die Wahrheit ist, dass hier in Venezuela einzig und allein eine Sozialdemokratie im Stil von Kautsky mehr noch als der von Bernstein zur Anwendung gekommen ist, immerhin eine Sozialdemokratie, die wenigstens noch Marx respektiert. Das ist das Einzige, was hier umgesetzt wurde, natürlich mit sehr positiven und wichtigen Fortschritten. Aber es handelt sich um eine Sozialdemokratie der linken Mitte, die es ermöglicht hat, über politische Maßnahmen wie die Missionen4 eine gerechtere Verteilung der Erdölrente anzustreben, aber auf diesem Weg geht doch eine eindrucksvolle Menge an Ressourcen verloren.

Natürlich gab es einen Fortschritt bei der Verteilung der Reichtümer, der aber auch die Korruption sehr gefördert und wenig politisches Bewusstsein bezüglich der Überwindung der Abhängigkeit erzeugt hat. Aber es hat ein wachsendes politisches Bewusstsein auf anderen wichtigen Ebenen gegeben, die Leute sprechen heute mit einer Kenntnis der Ursachen von Politik, reden über ihre Verfassung und sind ihrer mächtig, haben sie sich zu Eigen gemacht, reden vom Sozialismus, vom revolutionären Prozess und zitieren dir Dinge und denken über Dinge nach. Jeder in diesem Land ist dazu fähig, das zu tun. Aber wenn sich dies nicht in die Notwendigkeit überträgt, ein Volk zu betrachten, das produktiv ist, das für eine gerechte Entlohnung seiner Arbeit kämpft, das seine Arbeit wertschätzt, um ein Land zu sehen, das in geplanter Weise nach seiner Entwicklung strebt, dann gibt es einen Mangel, dann gibt es ein Problem.

Ich würde gerne einen Punkt vertiefen, den Sie erwähnt haben. Es gibt eine sehr hohe Inflation, und der Mindestlohn hat sich mehr oder weniger an die Inflation angepasst, ist aber immer noch so niedrig, dass es mir angesichts der Preise, die ich hier sehe, schwer fällt zu glauben, dass jemand von diesen Löhnen leben kann. Gleichzeitig gibt es viele Warteschlangen und viele Leute, die einkaufen. Darum sagt die Regierung: "Es gibt zwar Schlangen, aber die Leute haben das Geld um einzukaufen." Mit der Inflation müssten die Reallöhne normalerweise fallen, weil ich annehme, dass sie nicht im selben Rhythmus steigen wie die Inflation. Also frage ich mich: Woher kommt all dieses Geld, und wie verteilt es sich?

Das kann ich dir ganz einfach beantworten. Der Mindestlohn wird in Venezuela heutzutage auf der Grundlage des niedrigsten Satzes der Wechselkursunterschiede berechnet. Offiziell heißt es, dass unser Lohn monatlich 750 US-Dollar beträgt, dies jedoch zum Kurs von 6,305. Und immer weniger von dem, was der Venezolaner konsumiert, wird zu einem Preis von 6,30 berechnet – um nicht zu sagen, dass das Einzige, was bei 6,30 liegt, die Produkte sind, die über die staatlichen Vertriebsnetze geliefert werden und die nicht die gesamte Bevölkerung erreichen. Alles andere wird nach einem bizarren Dollar berechnet, weil es sich dabei um eine Mischung aus dem parallelen Dollar und dem Sicad II6, den es bereits nicht mehr gibt, und anderen Mechanismen handelt, die sich die Leute auszudenken beginnen, um auszurechnen, wie die Dinge, die produziert oder importiert werden, dem Dollar entsprechen. Dabei entsteht eine tiefgreifende Spekulation, weil es Dinge gibt, die zu 6,30 oder zu 12 importiert, aber zu 100, 120 oder noch viel mehr berechnet werden. Darüber hinaus haben wir ein System der Wechselkurskontrolle beibehalten, in dem sich der niedrigste Kurs einige Jahre lang bei 6,30 gehalten hat, und darüber wird weiterhin der Lohn berechnet, aber die Wahrheit ist, dass der Lohn zur Zeit nicht mal ein Viertel der Rechnung in US-Dollar repräsentiert, die die Zahlen in Venezuela offiziell widerspiegeln oder widerzuspiegeln vorgeben.

Dies hat die Venezolaner zu verschiedenen Sachen gezwungen, aber gleichzeitig hast du eine Maschine in Maracay7, die Geldscheine produziert, die Bolívar und immer mehr Bolívar produziert. Dies bedeutet die unverhältnismäßige Produktion von unorganischem Geld, das zugleich im Gegensatz zu Löhnen steht, die sehr niedrig sind. Dies lässt zu und trägt dazu bei, dass der Venezolaner nicht von seinem Lohn leben kann. Der Venezolaner ist sich darüber bewusst, dass der Lohn wichtig ist, um eine gewisse Stabilität zu genießen; die Leute suchen sich eine Anstellung in der öffentlichen Verwaltung oder in großen Unternehmen wegen der Krankenversicherung (Krankenhausbehandlung, chirurgische Eingriffe, Mutterschaftspflege), wegen der Rente oder dem Ruhestandsgeld. Aber nur sehr wenige in Venezuela arbeiten wegen des Lohnes, weil die Löhne schrecklich niedrig sind, außer du arbeitest für einen transnationalen Konzern und sie bezahlen dich in Dollar, oder du arbeitest im diplomatischen Bereich, da gibt es Löhne, die der Mühe wert sind. Die Mehrheit, das heißt mehr als 90 Prozent der Venezolaner, lebt von totalen Elendslöhnen. Aber es gibt Bolívar auf der Straße, und die Leute sind erfinderisch. Der Venezolaner besitzt glücklicherweise eine beeindruckende Fähigkeit, Probleme zu lösen. Das nennt man hier "matar tigres" (Tiger töten), das bedeutet zu versuchen, das Leben mit anderen Mitteln zu meistern. Und das ist es eben, was es möglich macht, dass die Leute trotz der niedrigen Löhne immer noch eine gewisse Kaufkraft besitzen. Das führt zu Warteschlangen, um Harina Pan (Maismehl) zu kaufen, aber auch zu Schlangen, wie ich sie gestern vor einem Laden namens iBook gesehen habe, um Tablets der Marke Siragon zu kaufen, weil die gerechte Preise8 haben. Es ist ein ziemlich bizarrer Kontrast, wenn Leute Schlange stehen, um Grundnahrungsmittel zu kaufen, aber auch anstehen, um günstige Tablets zu kaufen, weil die einheimische Firma Siragon billige Dollar auftreiben konnte, um die Komponenten einzukaufen, und so bringt sie diese Geräte nun zu einem vernünftigen Preis in den Handel. Aber das ist eine Ausnahme, und die Leute nutzen das schnell aus, da sie das Tablet außerdem als eine Ware kaufen, die man zu gegebener Zeit tauschen oder auch zum doppelten oder dreifachen Preis weiterverkaufen kann. So ist das auch mit den Grundprodukten und mit dem sogenannten Bachaqueo, das bedeutet, eine Sache zu kaufen, um sie dann weiterzuverkaufen oder auf solidarischer Basis zu tauschen. Aber die Erklärung für all das ist die Fähigkeit, die der Venezolaner hat, sich zu helfen zu wissen.

Zum jetzigen Zeitpunkt liegt das Problem darin, dass die Leute es weder mit Arbeit noch auf dem Wege dieser Art von ökonomischen Lösungen schaffen, all ihre Bedürfnisse und, was noch gewagter wäre, ihre Erwartungen zu befriedigen. Auch wenn es dir gelingt, deine Bedürfnisse zu befriedigen: Die Erwartungen, die während der Regierungszeit von Präsident Chávez geweckt wurden, waren sehr hoch. Die venezolanische Mittelklasse reiste ohne irgendwelche Probleme zwei oder dreimal im Jahr ins Ausland. Dies bildete so etwas wie einen Bezugsindex der Erwartungen an das Leben, den es heute nicht mehr gibt, denn heute kann die Mittelklasse nicht mehr reisen, ja, sie träumt nicht mal mehr davon. Dennoch sind die Flughäfen weiterhin voll, die Fluglinien sind weiterhin voll, und nun muss man die Flüge wegen des Problems der Kapitalrückführungen, die die Fluggesellschaften benötigen, in Dollar kaufen. Sie können die Dollars nicht von hier mitnehmen, und trotzdem sind die Flüge weiterhin voll. Also das ist ein sehr interessanter Gegensatz, der einem klarmacht, dass nicht nur Bolívar produziert werden, sondern dass ein Teil des flüchtigen Devisenkapitals zurückkehrt. Aber es kehrt auf irregulären, nicht legalen Wegen zurück, ja sogar über den Drogenhandel und die Geldwäsche, die auch in Venezuela ein ernstes Problem zu werden beginnt.

In diesem großen Pandämonium gegenläufiger Elemente stecken die Leute, obwohl sie noch Kaufkraft besitzen, in einer Krise. Sie stecken in der Krise, weil sie nicht daran gewöhnt sind, Schlange zu stehen, an die Tatsache, davon abhängig zu sein, ob jemand ein Produkt anbietet oder nicht, und außerdem nicht auswählen zu können, welche Produkte man kauft, und die einen durch andere Produkte ersetzen zu müssen, weil es eben nur diese gibt. Das wirklich schwere und große Problem der Venezolaner ist der Erwerb von Wohnungen. Hier können sich die Leute ein Auto kaufen und im Auto leben, aber eine Wohnung zu erwerben ist für einen Mittelklassemenschen derzeit unmöglich. Ich persönlich bin dankbar, dass ich vor drei oder vier Jahren meine Wohnung kaufen konnte, aber heute, da ich das Doppelte oder Dreifache von dem verdiene, was ich zu jener Zeit verdiente, könnte ich nicht einmal daran denken, ein Appartement zu kaufen. Ich hatte, als ich diese Wohnung gekauft hatte, daran gedacht, mir später noch eine weitere anzuschaffen, aber das ist für mich zurzeit ausgeschlossen. Auch Fahrzeuge sind ziemlich unerschwinglich, jemand, der von seinem Lohn lebt, kann nicht nur keine Eigentumswohnung kaufen, sondern darüber hinaus auch keine Mietwohnung bezahlen. Es gibt also Schichten, die leiden, und es gibt andere, die sich durchschlagen, aber das Ergebnis ist nichts Stabiles, und aus der Instabilität erwächst die Krise.

Bereits seit eineinhalb Jahren spricht die Regierung von einem Wirtschaftskrieg, der in Form eines Angriffs der Bourgeoisie gegen den revolutionären Prozess geführt werde, um diesen aufzuhalten. Die Opposition gibt dabei der Regierung aufgrund einer falschen Wirtschaftspolitik die Schuld. Ich würde gerne ein wenig auf die Ursachen zurückkommen. Einerseits mag es sehr wohl Absichten seitens der großen Unternehmen geben, den Präsidenten zu stürzen, was wir aus der Vergangenheit bereits kennen. Zugleich haben gewisse Formen der Wirtschaftspolitik von Maduro und Chávez dieses Problem sicherlich befördert. Wie sehen Sie das Problem der Ursachen, einschließlich des offiziellen Diskurses bezüglich des sogenannten Wirtschaftskrieges?

Der Wirtschaftskrieg existiert, aber es gilt zu beachten, dass es dabei nur einen Feind gibt, der Feind steht sowohl außen wie im Inneren. Der Wirtschaftskrieg entsteht als Folge des Gespürs für eine Gelegenheit, die Destabilisierung zu vertiefen, die aus den Konsequenzen der Ineffizienz und der Untauglichkeit einer Reihe von politischen und administrativen Entscheidern erwächst, die abweichenden Wirtschaftssektoren, die die Regierung von Präsident Chávez scharf attackiert haben, nun auf dem Silbertablett die Möglichkeit servieren, Präsident Maduro als schwaches Zielobjekt anzusehen, das dafür anfällig ist, auf sehr viel stärkere Weise angegriffen zu werden. Ich glaube, dass der Wirtschaftskrieg existiert, aber dass es sich dabei um einen eigenverschuldeten Wirtschaftskrieg handelt. Vonseiten der Regierung selbst wird es möglich gemacht, dass diese Art von Dingen geschieht, die zudem zur perfekten Bühne werden, damit die Regierungen der USA und die in Miami ansässige Anti-Castro-Fraktion, sowie ein Komplex von transnationalen Konzernen, die das grundlegende Verlangen haben, ihre Zähne in die Kehle der venezolanischen Erdölwirtschaft zu schlagen, dies als strategischen Augenblick sehen. Jedoch besser geplant als im Jahre 2002 geschehen.9 Es gibt in Venezuela sehr wohl den Versuch eines sanften Staatsstreichs. Aber es gibt ihn nur, weil Maduro das zugelassen hat, weil Maduro die Leute nicht für sich eingenommen hat, weil er nicht versucht hat, sich zu legitimieren, seine Handlungen zu legitimieren, und noch viel weniger, starke Entscheidungen zu treffen, die es ihm erlauben würden, das venezolanische Volk davon zu überzeugen, dass wir einen Präsidenten mit Führungs- und Orientierungsfähigkeit haben, mit einer eindeutigen Planung und einem klaren Projekt.

Dieses Vorgehen von Maduro, die Ankündigung einer Ankündigung zu machen, dass man demnächst etwas verkünden werde10, ist eine Respektlosigkeit, das kann man nicht anders nennen, das ist wirklich respektlos, das ist zynisch. Und der Zynismus gegenüber einem Prozess, der sich damit brüstet, revolutionär und sozialistisch zu sein, steht ihm schlecht zu Gesicht, aber wirklich sehr schlecht. Also mit diesen Aktionen, die ganz das Gegenteil von dem sind, was einen außergewöhnlichen Moment der Krise ausmachen könnte, um ihn zu einer Möglichkeit zu machen und das Volk dazu aufzurufen, einen Veränderungsprozess zu beginnen, was das Erdölrentenmodell betrifft, da nährt er sich von Behauptungen wie "Wir haben alle notwendigen Dollars für dieses Jahr und für das nächste" oder "Ganz egal, wie sich [der Preis für] das Barrel Öl auch entwickeln mag" oder "Ich werde eine erfolgreiche Reise um die Welt machen, um Geld aufzutreiben, aber wenn ich zurückkomme, werde ich wie ein Held empfangen werden". Das alles unterschätzt wirklich das Volk und erlaubt es nicht, die Vierte von der Fünften Republik11 zu unterscheiden. Das ist ein Rückfall in genau die Fehler, die man kritisiert hatte und aufgrund derer Chávez sich bewaffnet erhoben12 hat und weshalb er auf der politischen Bühne erschienen ist.

Die Ausmaße der Korruption und dazu die Dreistigkeit, mit der man die Mehrheit der Bevölkerung zu täuschen beabsichtigt, sind einfach inakzeptabel. Das kann man nicht anders bezeichnen als Täuschung. Es gibt ein hohes Niveau an Betrug und Zynismus in Bezug auf die Transparenz und die Handlungen des Staates, und das hat Dinge erzeugt wie die Zahlen, die es heutzutage gibt: weniger als 20 Prozent Popularität von Präsident Maduro, belegt durch private Meinungsforscher wie auch durch Umfragen, die im Auftrag der Regierung selbst gemacht wurden. Außerdem eine interessante Zusammensetzung der Wählerschaft, die nicht nur die Regierung, sondern auch die Opposition betrifft. Es gibt eine Führungskrise im Land, und das gilt nicht nur für den Chavismus, sondern noch mehr für die Opposition. Wir sehen unter all diesen Umständen, dass die ökonomischen Faktoren wirken, aber keine politische Gegenposition haben, die kanalisierend wirken, die einen Nutzen aus der Situation ziehen könnte, um irgendeine Alternative vorzulegen, was auch immer es sei. Mehr noch, die venezolanische Opposition wird sich über absolut gar nichts einig, und angesichts der Nähe irgendeines Wahlerfolges streitet man sich über jede Kleinigkeit, weil man dem Land nichts anzubieten hat. Es gibt keinen Vorschlag seitens der venezolanischen Opposition.

50 Prozent der Menschen in Venezuela identifizieren sich weder mit der Opposition noch mit der Regierung. Innerhalb des Chavismus identifizieren sich 40 Prozent nicht mit Maduro, und 25 Prozent der Opposition identifizieren sich nicht mit der Führerschaft des Tischs der Demokratischen Einheit13. Wenn man diese Zahlen zusammenfasst, könnte man sagen, dass es zwischen 65 und 70 Prozent der venezolanischen Bevölkerung gibt, die keinerlei Führerschaft im Land anerkennt, die kein Vorbild hat, das ihr sagt, wohin der Weg führen soll. Es handelt sich um eine Führungskrise, obwohl es auch eine Gelegenheit ist, damit sich neue und unterschiedliche Projekte oder Alternativen entwickeln können. Aber die führenden Spitzen der Polarisierung tun absolut alles, um zu verhindern, dass es zu anderen Organisationsformen kommt. Beim Nationalen Wahlrat (CNE), gibt es zum Beispiel über 200 Beantragungen von Namensreservierungen für nationale und lokale politische Organisationen, und der CNE hat nach zwei Jahren bis zum heutigen Tag diesbezüglich keine Antwort erteilt. Außerdem erzeugt der Zuschnitt der Wahlkreise zur Abstimmung für die Nationalversammlung ein System, das die Mehrheiten überrepräsentiert. Er respektiert die Minderheiten nicht, indem er ihnen irgendeine Art von Proportionalität verleiht, sondern es gibt ganz im Gegenteil eine Überrepräsentation der Mehrheit. Also denkt natürlich die Opposition bei diesen Wahlaussichten, dass sie gewinnen könne, und bei diesem System gibt es keinen Widerstand dagegen, sondern sie will es beibehalten, weil sie glaubt, bei einem Sieg eine stattliche Mehrheit in der Nationalversammlung erzielen zu können. Und die Regierung denkt weiterhin, dass sie mit einem Schwall von Bolívares für die Wahlkampagne und die eine oder andere verbraucherfreundliche Aktion wie dem Dakazo14 einen wichtigen Teil der Wahlbevölkerung unter Kontrolle halten kann, mit dem sie die Wahlen gewinnen könnte. All dies jedoch, ohne die Stimmung im Land abzulesen, abgekoppelt von der Realität des Landes, abgekoppelt von diesen 70 Prozent des Landes, die andere Erwartungen hegen.

Glauben Sie, dass sich dies nun in eine sehr hohe Wahlenthaltung übertragen wird?

Das hängt davon ab, was die Spitzen der Polarisierung tun werden, denn wenn sich am Ende die Möglichkeit ergibt, dass aufstrebende politische Organisationen auf die Wahlbühne vordringen, kann es zu einer Überraschung kommen. Ich sage nicht, dass es ein Phänomen wie Podemos in Spanien oder Syriza in Griechenland geben könnte, das plötzlich die Wahlen gewinnt, nein. Aber es kann die Möglichkeit geben, dass eine wichtige Menge an Stimmen, auch wenn sie sich nicht in Sitzen niederschlägt, eine Unzufriedenheit mit der Führungsspitze zum Ausdruck bringt und einen Prozess des Aufbaus einer neuen Alternative initiiert. Wenn dies nicht zugelassen wird, dann wird es einen hohen Grad an Enthaltung geben.

Werden Sie als Marea Socialista versuchen, sich bei den Parlamentswahlen gesondert zu positionieren oder gemeinsam mit der PSUV?

Marea Socialista geht von ihrer Existenz als eine Parteiströmung der PSUV dazu über, eine politische Bewegung zu sein. Außerdem nehmen wir als politische Bewegung einen konstituierenden Prozess auf, der die Einrichtung von konstituierenden Versammlungen in jedem einzelnen Bundesstaat, in jeder einzelnen Gemeinde umfasst. Dies geschieht mittels Gruppen freiwilliger Promotoren, die sich in den einzelnen Staaten zur Verfügung gestellt haben, um diesen konstituierenden Prozess in Gang zu setzen. Obwohl dieser Aufbau der Bewegung ein, zwei oder drei Jahre dauern kann, haben wir beschlossen, uns um eine Wahlzulassung zu bewerben, die uns von der Wahlbehörde unter Verletzung unseres verfassungsmäßigen Rechts auf politische Partizipation bis heute verwehrt worden ist. Dies geschah unter anderem, weil die jüngsten Meinungsumfragen eine bedeutende Präsenz von Marea Socialista als Ausdruck der Unzufriedenheit seitens eines Sektors der chavistischen Basis gegenüber der Regierung Maduro ergeben haben, der nicht bereit ist, für die Opposition zu stimmen, wenn es eine wählbare Alternative gibt.

Ich glaube, dass dies der Moment ist, damit zu beginnen, die Anständigen und die Guten zu Hause zu besuchen, weil sie sich, nicht aus Feigheit, sondern aus Überdruss, aus Ermüdung, irgendwann zurückgezogen haben. Wenn es notwendig ist, damit anzufangen, an die Türen zu klopfen, um gute Leute zu überzeugen, für die Nationalversammlung zu kandidieren, dann werden wir diese Arbeit übernehmen.

Wir existieren schon seit acht Jahren, aber öffentliche Aktivitäten von Marea Socialista gibt es erst seit ungefähr einem Jahr. Wir haben in verschiedenen Sektoren des Landes eine breite Aufnahmebereitschaft zumindest in der Hinsicht vorgefunden, darüber zu debattieren, was uns von den Parteien des Patriotischen Pols, von der Opposition und von den Strömungen innerhalb der PSUV unterscheidet. Wir sind dabei, dem Land Vorschläge zu unterbreiten, Vorschläge, um aus der Krise zu kommen, Vorschläge zu regieren – etwas, das weder die Opposition noch die Regierung tut. Nicht mal die Regierung schlägt dem Land Dinge vor, die man tun könnte, um der Krise zu entkommen. Die legt die Stirn in Falten oder bietet den Markt als Option an. Wie auch immer, hier sind wir und versuchen etwas anders zu machen, obwohl es ja logisch erscheint, dass man etwas anders machen muss, aber wie es scheint, ist der Gemeinsinn der am wenigsten gemeinsame der Sinne und wird von vielen Leuten nicht angewandt. Wir jedenfalls versuchen zumindest, etwas von diesem Gemeinsinn zum Einsatz zu bringen.

Wie wäre das Szenarium oder die Perspektive, wenn es der Opposition gelänge, die Mehrheit in der Nationalversammlung zu erringen?

Es wäre eine Katastrophe für den revolutionären Prozess, wenn es der Opposition gelänge, die Nationalversammlung für sich zu gewinnen. Wir von Marea haben uns vorgenommen, eine Staumauer zu bilden, ein Fangnetz, das verhindert, dass die Leute, die aufseiten der PSUV standen, die Opposition als eine Option sehen könnten. Wir werden die PSUV nicht spalten. Wenn wir es schaffen, eine Wahlzulassung zu bekommen, werden wir alles daransetzen, dass die Leute nicht aus dem revolutionären Prozess weglaufen. Die Führungsspitze der PSUV hat die Partei bereits fraktioniert, hat die revolutionäre Basis zerstückelt. Es gibt eine politische Spitze, die das Erbe von Präsident Chávez entwertet hat, sie besteht aus Leuten, die die Wähler abschrecken, aber die vor allem aktive Mitglieder abschrecken. Sie haben die Leute verschreckt, die mitarbeiten wollten, die mitmachen wollten, die zum revolutionären Prozess beitragen wollten.

Meine persönliche Position ist, dass wir dafür optieren müssen, auf dem Wahlzettel zu stehen, weil ich glaube, dass wir ein wichtiger Faktor sind, um die Katastrophe in der Nationalversammlung zu verhindern, dass die Opposition schließlich die Mehrheit der Sitze gewinnt. Wenn es keine Optionen gibt und sich die Wahlen zur Nationalversammlung erneut polarisieren, dann – so glaube ich – wird es stimmenmäßig ziemlich eng, wird es viele Enthaltungen geben und werden Apparate in Gang gesetzt. Entscheidend ist, dass leider niemand in diesen Führungsspitzen etwas aus dieser Enthaltung ablesen wird, sodass am Ende wenig mehr als das Gleiche geschehen kann. Schließlich kann es sogar passieren, dass die Opposition die Wahlen auf der Ebene der Stimmenzahl gewinnt, dass dies aber keine ausreichende Anzahl an Sitzen repräsentiert. Das wird auch sehr von der Neugestaltung abhängen, die man den Wahlkreisen angedeihen lässt, und davon, inwieweit sich der CNE in diesem Sinne darauf einlässt.

Wäre das Szenarium eines Sieges der Opposition mit einer Mehrheit an Sitzen und ein Art von "institutionellem Putsch" im Stil von Paraguay und Honduras denkbar? Dort wurde bekanntlich das Parlament genutzt, um den Präsidenten abzusetzen.

Das ist sicherlich eine Option, die sich die venezolanische Opposition vorstellt. Aber das Einzige, was sie weiterhin vereint, ist der Wunsch, nicht nur Maduro, sondern den Chavismus loszuwerden. Die Führung der venezolanischen Opposition bemüht sich verzweifelt darum, jeden Überrest der Revolution zu tilgen, der nach 15 Jahren revolutionärem Prozess noch bestehen bleibt. Sie würden in dem Augenblick, in dem sie an die Macht kommen, alles dafür tun, das vorher Erreichte vollkommen zu beseitigen. Heute sind sie dem näher denn je, weil sie, obwohl ohne Plan, schließlich für ein Strafvotum stehen. Diese bestrafende Stimmabgabe kann dafür sorgen, dass die Opposition bei den Wahlergebnissen in eine privilegierte Position gelangt, aber vielleicht kann das Strafvotum sogar auch das Ergebnis einer naiven Sichtweise sein. Denn zu denken, dass es nicht das Gleiche sei, die Nationalversammlung zu verlieren wie die Präsidentschaft, und dass man jetzt gleich eine Bestrafung zum Ausdruck bringen müsse, bedeutet – wie Sie mir sehr richtig erläutert haben –, die Möglichkeit außer Acht zu lassen, dass über die Nationalversammlung Mechanismen geschaffen werden, um wohlgemerkt nicht Maduro aus dem Amt zu treiben, sondern um die Erfolge, die Siege, die Errungenschaften des venezolanischen Volkes während der Jahre von Präsident Chávez, die mit Maduro verloren gehen, zu zerstören. Aber mit einer Regierung der gegenwärtigen Opposition wäre das Verschwinden all dessen vollkommen.

Sie haben vorhin die Schwäche von Maduro erwähnt, aber wie würden Sie sie beschreiben? Handelt es sich um eine Schwäche gegenüber dem politischen Gegner, eine Schwäche beim Agieren gegen andere Machtzirkel innerhalb des Chavismus, um das Fehlen politischen Willens oder um mangelndes Bewusstsein?

Die Schwäche Maduros beruht im Wesentlichen im fehlenden Vertrauen, das er selbst in seine Führerschaft, in seine Regierungsfähigkeit hat. Dies hat ihn sogar daran gehindert, Veränderungen in seinem Ministerkabinett vorzunehmen. Das Kabinett, das er hat, funktionierte unter Chávez, es funktioniert aber nicht unter ihm. Er besaß nicht die Fähigkeit, sich all derer zu entledigen, die, wie Alberto Müller Rojas, der erste Vizepräsident der PSUV, einmal gesagt hat, eine Gruppe von Skorpionen bildeten, über deren Nest Chávez thronte.

Die andere Schwäche von Maduro besteht in seinen Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen, die drastische Veränderungen in seiner Umgebung und in seinem Handeln mit sich bringen, um verstärkt auf das Volk und die Leute und auf die Legitimität der Sache zu vertrauen. Außerdem liegt eine tiefgehende Schwierigkeit Maduros darin, kein Projekt zu haben, obwohl er beansprucht, der Erbe des Projekts von Präsident Chávez zu sein.

Die Schwierigkeit, um seine Aktionen zu legitimieren, und das Fehlen eines Projekts, welches das Projekt von Präsident Chávez verstärken und in einen Zusammenhang stellen könnte, erzeugt eine dritte, sehr große Schwäche: Das ist die Schwäche der Tendenz zum Autoritarismus. Wer sich schwach fühlt, versucht mit den Instrumenten, die er besitzt, das zu konsolidieren, was er hat, und neigt sogar dazu, andere Dinge wegzureißen, um sich sicherer zu fühlen. Ich glaube, dass Präsident Maduro bereits einige Anzeichen von Autoritarismus zeigt. Wenn er die nationale Leitung der Partei in willkürlicher Weise per Fingerzeig ernennt, misstraut er der Parteibasis bei der Auswahl derer, die die Partei führen sollen. Wo dem nicht so ist, werden die Parlamentskandidaten durch Urwahlen bestimmt, aber durch Urwahlen, bei denen das Kandidatenprofil besagt, dass Frauen und Jugendliche gefragt sind, wo wir hier doch Leute brauchen, die ungeachtet ihres Geschlechts oder ihres Alters dazu bereit sind, der Aushöhlung der Nation durch Veruntreuung entgegenzutreten, die dazu bereit sind, eine Alternative zum Neoliberalismus aufzuzeigen, und die sich die Vertiefung des revolutionären Prozesses zu eigen machen. Wie es scheint, besteht das von ihm angestrebte Profil darin, diejenigen zu vermehren, die seine Richtlinien einhalten und übernehmen, was er sagt, was zu tun sei, auch ungeachtet einer fehlenden Orientierung des politischen Projekts.

Was sind die wichtigsten Vorschläge von Marea Socialista, um der aktuellen Krise zu entkommen?

Da gibt es verschiedene, einige davon auf politischer Ebene und andere auf ökonomischer Ebene. Auf politischer Ebene fordern wir von Präsident Maduro, sein gesamtes Kabinett abzusetzen, damit die Bildung einer neuen Mannschaft aus Leuten ermöglicht wird, die – ohne notwendigerweise aus seinem Umfeld zu kommen – das nötige Profil besitzen, um dem Land Vorschläge zu machen und ihn in der Legitimierung dieser Vorschläge zu begleiten, um aus der Krise herauszukommen. Ein weiterer Vorschlag besteht in der Notwendigkeit einer größeren Vertiefung der partizipativen und protagonistischen Demokratie des Landes. Wir haben das Gefühl, dass es eine Verringerung der protagonistischen Räume gibt, die eine aktive Teilhabe der Menschen ermöglichen. Die Kommunalen Räte und die Kommunen selbst sind schließlich zu statistischen Größen geworden, die zurzeit keinen wirklichen Einfluss auf Entscheidungsprozesse haben, und auch die politischen, insbesondere die revolutionären Sektoren sind weitgehend von der Möglichkeit ausgeschlossen, dafür zu sorgen, dass es eine Debatte über das Projekt des Landes gibt.

Dies ist ungefähr der Rahmen. Innerhalb dieses Rahmens beginnt sich ein Bild folgender Art abzuzeichnen. Wir schlagen vor, dass öffentlich diskutiert werden soll, damit es eine Legitimierung bezüglich der Entscheidung gibt, die das Volk in folgendem Sinne treffen kann: erstens die Vereinheitlichung der Wechselkurse, die von einer einzigen Grundlage abhängen. Wir glauben, dass die Wechselkurskontrolle aufrechterhalten werden muss, aber die Zusammenführung muss geschehen, denn die unterstützenden Varianten sind Förderer der Korruption. Diese Zusammenführung muss jedoch auf direkte und proportionale Weise an den Mindestlohn gebunden sein. So, wie die 6,30 die Markierung für den Mindestlohn darstellen, muss, wenn wir nun die Zusammenführung vornehmen, dieser neue Indikator den Mindestlohn in Venezuela bestimmen, um diese unerfüllte Erwartung der 750 Dollar als monatlichen Mindestlohn, ebenso wie für die übrigen Löhne von da an nach oben aufrechtzuerhalten. Dies ist eine erste Maßnahme, die es erlauben würde, die Angelegenheit der Währungskurskontrolle ein wenig zu rechtfertigen. Wir wissen aber natürlich, dass dies dem ökonomischen Problem nicht von sich aus gerecht wird. Wir haben heute ein Haushaltsdefizit von nicht weniger als 20 Milliarden Dollar, wenn sich das Barrel Rohöl schließlich bei 40 oder 45 Dollar einpendelt.

Wir schlagen vor, dass die Krise nicht von den Leuten bezahlt werden soll, wie es jetzt schon geschieht, sondern dass wir zunächst Prioritäten setzen sollten, wer die Krise bezahlen wird. Als Erstes müsste man eine Zahlungseinstellung der Auslandsschulden für ein Jahr ausrufen, was es erlauben würde, dieses Jahr über mindestens 12 oder 13 Milliarden Dollar zu verfügen, um einen Teil dieses Defizits abzudecken. Auf diese Weise würden wir die These von Stieglitz15 übernehmen, dass die Einstellung der Schuldenzahlung die Schaffung von größerem Vertrauen bei den Gläubigern ermöglicht, wenn man die Konten ordnet und es wirklich schafft, den Rausch innerhalb des Staates und innerhalb der Regierung unter Kontrolle zu bringen, um schließlich die Kontinuität der Schuldenzahlung zu garantieren.

Eine andere Sache, die wir uns vorgenommen haben, um das Ziel zu erreichen, das Loch zu stopfen, das heute im Haushalt besteht, und um aus der konjunkturellen Krise herauszukommen, besteht darin, auf Grundlage der öffentlichen staatsbürgerlichen Wirtschaftsprüfung zu erreichen, mittels bestehender internationaler Abkommen nicht weniger als fünf Prozent des flüchtigen Kapitals ins Land zurückzuführen. So hätten wir zehn Milliarden Dollar mehr, mit denen wir die Bedürfnisse des Landes abdecken könnten, ohne dass das Volk schlimmste Opfer bringen müsste, obwohl es bereits ein bedeutendes Maß an Aufopferung durchlebt. Wenn dies unverzüglich geschieht, wird es die öffentliche Wirtschaftsprüfung, die für uns natürlich eine strukturelle Angelegenheit ist, nach unserer Überzeugung ermöglichen, dem venezolanischen Volk das Vertrauen zu vermitteln, dass es einen wirklichen politischen Willen zur Überwindung von Straflosigkeit und Korruption gibt.

Ein weiteres wichtiges Element, das einen grundlegenden Bestandteil bildet, liegt im Schutz der nationalen Produktion vor Importen. In Venezuela lag die Lösung von Problemen bisher im Import, und natürlich beeinträchtigte die immer weiter verstärkte Einfuhr die nationale Produktion, weil es schließlich billiger wurde, zu importieren als zu produzieren. Und wenn man dies mit einem zu 6,30 subventionierten Dollar tut, welches importierte Produkt kann dann teurer sein als ein im Inland produziertes? Keines. Du subventionierst die Produktion außerhalb des Landes, und die nationale Produktion wird weder unterstützt noch subventioniert, das ist absolut abwegig.

Und das, obwohl, wie Sie vorher gesagt haben, die Preise normalerweise sehr viel höher festgelegt werden.

Klar, damit wird der bizarre Kontrast der ökonomischen Situation des Landes endgültig deutlich. Man importiert zu 6,30 und verkauft teurer. Aber so wird die Produktion im Ausland subventioniert, während die Leute in Venezuela am Ende das Gleiche bezahlen. Der Schutz der nationalen Produktion muss auch von einem wirklichen Anreiz der Überprüfung der Investitionen begleitet werden, damit sowohl der private als auch der öffentliche, der gemischte wie auch der kommunale Sektor einen produktiven Prozess starten können, der in einigen Fällen eher technisiert ist und andere Gebiete umfasst, die in den letzten Jahren nicht berührt wurden oder im Zuge der Deindustrialisierung verloren gegangen sind. In diesem Sinne schlagen wir vor, dass dem privaten Sektor klare Regeln zu setzen sind: Auf welchen Bereich erstreckt sich deine Beteiligung? Wo willst du hin? Was willst du machen? Aber bei all dem sind sämtliche Regeln zu beachten, weil die Erzeugung von Misstrauen im privaten Sektor und bei privaten Auslandsinvestitionen schließlich auch keinen Sinn hat.

Zurzeit sorgen die Bedingungen der Globalisierung dafür, dass ein Land unter den Umständen, in denen sich Venezuela befindet, für ausländische Investitionen nicht attraktiv ist – wobei ausländische Investitionen nicht zu verteufeln sind, vorausgesetzt, dass sehr klare und spezifische Normen bezüglich der nationalen Souveränität, Technologietransfers und einer Reihe anderer Elemente festgelegt werden, die eine klare Regelung vorschreiben, um einen gewissen Nutzen aus dieser ausländischen Investition ziehen zu können. Die privaten Sektoren fühlen sich hier vollkommen entmutigt. Auch wenn ich persönlich zutiefst von Enteignungen überzeugt bin, kann man nicht so einfach hergehen und Enteignungen verkünden. Das ist ein Irrtum, der von Präsident Chávez und auch von Maduro begangen wurde. Damit herumzuprotzen, dass du irgendwelche Sachen enteignest, ist ein Fehler. Wenn du es tust, dann tu es, aber tu es wohlüberlegt und perfekt, und dann wird die Geschichte auch was abwerfen und du hast auch noch Geld übrig, um den Leuten, die du enteignet hast, was zu zahlen, damit sie beruhigt sind und aufhören, Ärger zu machen, und du die wirklichen Möglichkeiten nutzen kannst. Dies ist ein weiteres reales und konkretes Dilemma der Enteignungen, die in diesem Land vorgenommen worden sind. Sie werden im Namen einer Arbeiterkontrolle durchgeführt, die nie vollzogen wird. Am Ende wird ein Militär oder ein Bürokrat eingesetzt, der das Ganze von zu Hause aus abwickelt.

Die Regierung hat nicht an die Arbeiterkontrolle geglaubt, es hat keine einzige wirkliche Erfahrung von Arbeiterkontrolle in diesem Land gegeben. Also muss der Staat anstreben, weniger Kontrolle über die produktiven Sektoren auszuüben, aber nicht, um sie in private Sektoren zu verschieben. Der Privatsektor muss genau definiert und begrenzt werden, muss sich wohlfühlen, damit er das abdeckt, was auf andere Weise nicht abzudecken ist, und damit er für eine gewisse Zeit nützlich sein kann. Aber in der Zwischenzeit kann der Staat nicht darauf abzielen, Fabriken aufzubauen, zu enteignen, zu vergesellschaften, um dann nichts zu tun.

Man muss vom produktiven Gesichtspunkt aus die Art und Weise suchen, in der man einen Übergang zur Arbeiterkontrolle findet, damit die Arbeiter ihre Fähigkeiten bezüglich ihrer produktiven und strategischen Kenntnis dieser Betriebe beweisen können und diejenigen Unternehmen, die für den Staat von strategischem Interesse sind, zumindest von Leuten geleitet werden, die in diesem Bereich ausgebildet sind und zusätzliche Fortbildungsprozesse durchlaufen. Übrigens ist Venezuela das einzige Land, das keine Schule zur Ausbildung für die öffentliche Verwaltung hat, ich glaube, das einzige zwischen Amerika und Europa. Auf jeden Fall müssen diejenigen, die diese Betriebe leiten werden, einen Ausbildungsprozess durchlaufen, damit sie auf produktive Weise und mit politischem und revolutionärem Bewusstsein das tun können, was sie tun sollen. Dies würde es erlauben, kurz- oder mittelfristig in eine produktive Phase starten zu können, die dem internationalen Kontext und erst recht den Möglichkeiten nationaler Investitionen eine größere Vertrauenswürdigkeit verleihen würde.

Aber darüber hinaus sollte die Politik des Staates nicht darauf orientieren, die nationalisierten oder von ihr kontrollierten Unternehmen, sondern die Möglichkeiten der Arbeiterkontrolle und des gesellschaftlichen Eigentums und der gesellschaftlichen Produktion mittels der Betriebe gesellschaftlicher Produktion16 und mittels der Motivierung zur Teilhabe am Bruttoinlandsprodukt der kommunalen Räte und der Kommunen zu stärken. Ich betone: unter Beibehaltung eines zweckdienlichen Privatsektors, den man nicht mit einem Federstrich verschwinden lassen kann. Abgesehen davon ist das zu diesem Zeitpunkt das Einzige, was du in Händen hast, obwohl du vorher darauf eingeprügelt hast bis zum Gehtnichtmehr. In der Tat ist dies das Einzige, was dir übrig bleibt, das ist schrecklich, aber es ist die Wahrheit.

Solange wir also noch mit dem Wenigen auskommen können, was wir hier haben, sollte man das eine pflegen und das andere verbessern, damit es einen Schub gibt. Dies halten wir auch mittel- oder kurzfristig für einen gängigen Vorschlag, der es erlauben könnte, nach Abschluss der Phase des Zahlungsmoratoriums etwas in der Hand zu haben, mit dem man Bürgschaften und Vertrauen generieren kann, um dann jedoch unter Bedingungen der Produktivität und auf der Suche nach einer Diversifizierung der Wirtschaft fortzufahren, die besser sind als diejenigen, die jetzt mit der Erdölrente existieren, um die Auslandsschuldung zu bezahlen.


Nicmer Evans ist Politikwissenschaftler und Aktivist bei Marea Socialista. Das Interview wurde im Februar 2015 in Caracas geführt und im August aktualisiert.

Die Übersetzung dieses Interviews wurde von der Rosa-Luxemburg-Stiftung gefördert.

  • 1. Als "Rentenwirtschaft" oder "Rentenökonomie" werden gemeinhin Volkswirtschaften bezeichnet, die maßgeblich auf den Erlösen aus dem Export einzelner Rohstoffe (bspw. Erdöl, Erdgas) basieren. Als "Rente" versteht man dabei den Gewinnanteil, der weder durch den Einsatz von Kapital und Arbeit entsteht, sondern sich allein aus dem besonderen Wert der exportierten Güter ergibt. Die Verteilung der "Erdölrente" ist in Rentenökonomien in der Regel zentrales Element politischer Auseinandersetzungen und bedingt die meisten Wirtschaftsaktivitäten.
  • 2. Im Jahr 2003 führte die Regierung Chávez einen festen Wechselkurs und Kapitalverkehrskontrollen ein, die bis heute in modifizierter Form bestehen.
  • 3. Marea Socialista (Sozialistische Flut) war eine Strömung der sozialistischen Regierungspartei PSUV, die im Frühjahr 2015 beschlossen hat, zu den Parlamentswahlen Ende des Jahres eigene Kandidaten aufzustellen. Siehe auch http://mareasocialista.com.ve/
  • 4. Missionen (spanisch: Misiones) werden in Venezuela diverse Sozialprogramme der Chávez-Regierung genannt.
  • 5. Der aktuell niedrigste offizielle Wechselkurs liegt bei 6,30 Bolívar pro US-Dollar.
  • 6. Sicad II war ein Mechanismus, durch den der venezolanische Staat US-Dollar zum Wechselkurs von 1:50 angeboten hat. Er wurde Anfang 2015 abgeschafft und durch ein anderes System mit dem Namen Simadi ersetzt, das aktuell einen Kurs von 1:200 bietet. Siehe auch https://amerika21.de/2015/02/112262/waehrung-venezuela-zentralbank.
  • 7. In Maracay ist die venezolanische Notenpresse angesiedelt.
  • 8. "Gerechte Preise" (precios justos) sind ein Ausdruck, den die Regierung für regulierte Preise verwendet. Sie liegen üblicherweise sehr weit unterhalb der Marktpreise.
  • 9. Im April 2002 wurde Präsident Chávez kurzzeitig aus dem Amt geputscht.
  • 10. Gemeint sind vor allem wiederholte Ankündigungen des Präsidenten, in Kürze Maßnahmen gegen die Krise zu verkünden, die dann zu keinen oder nur sehr geringen Taten führten.
  • 11. Als Vierte Republik wird in Venezuela üblicherweise die Zeit von 1958 bis zur Wahl von Hugo Chávez 1998 bezeichnet. Die Fünfte Republik mit der Verfassung von 1999 soll sich von dieser abheben.
  • 12. Gemeint ist der Umsturzversuch von 1992, an dem sich Chávez als Militär beteiligte.
  • 13. Der Tisch der Demokratischen Einheit (Mesa de la Unidad Democrática) ist ein großes Bündnis, in dem sich die meisten Parteien der Opposition zusammengeschlossen haben.
  • 14. Im November 2013 entsandte die Regierung das Militär in mehrere Filialen des Elektrowarenhändlers Daka, weil dieser Waren zu extrem überhöhten Preisen angeboten hatte, und zwang die Kette, die Preise zu senken. Dieser Vorgang wurde als "Dakazo" bekannt.
  • 15. Joseph E. Stiglitz, Träger des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften 2001.
  • 16. Betriebe gesellschaftlicher Produktion (Empresas de Producción Social, EPS) sind in Venezuela staatliche oder teilstaatliche Betriebe, in denen Arbeiterselbst- und -mitverwaltung realisiert werden soll.