Venezuela / Politik

Eine Wahl, die Lateinamerika veränderte

Vor 25 Jahren siegte Hugo Chávez bei den Wahlen in Venezuela

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"Keimzelle für den Aufbau des Sozialismus": Die Comuna Socialista El Maizal im Bundesstaat Lara. In den mehr als 3.000 Comunas in Venezuela lebt das Vermächtnis von Chávez weiter
"Keimzelle für den Aufbau des Sozialismus": Die Comuna Socialista El Maizal im Bundesstaat Lara. In den mehr als 3.000 Comunas in Venezuela lebt das Vermächtnis von Chávez weiter

Das Ergebnis der Wahlen vom 6. Dezember 1998 schlug ein wie eine Bombe. Diese Wahlen waren in vieler Hinsicht etwas Besonderes. Die beiden etablierten Parteien AD (sozialdemokratisch) und Copei (christdemokratisch), die sich seit 1956 in der Regierung ablösten und das politische Leben im Land bestimmten, waren diskreditiert und demoralisiert, weswegen sie keine eigenen Kandidaten aufgestellt hatten und es vorzogen, Henrique Salas Römer, einen bürgerlichen Verlegenheitskandidaten der Partei "Projekt Venezuela" zu unterstützen. Weitere Gegenkandidaten waren Irene Sáez, eine ehemalige Schönheitskönigin, und Luis Alfaro Ucero, Generalsekretär der AD, der aber von seiner Partei im Stich gelassen wurde. Hugo Chávez kandidierte für seine Partei "Bewegung V. Republik" (MVR – Movimiento Quinta República).

Seine Kandidatur war nur möglich geworden, weil das Gerichtsverfahren, das gegen ihn wegen seines am 4. Februar 1992 gescheiterten Staatsstreiches gegen die Regierung Carlos Andrés Pérez eröffnet worden war, von Präsident Rafael Caldera 1994 niedergeschlagen worden war, und Chávez nach zwei Jahren Gefängnisaufenthalt auf freien Fuß gesetzt wurde, ohne dass es zu einer Verurteilung gekommen war. Ein Vorbestrafter hätte laut Verfassung nicht als Präsidentschaftskandidat antreten dürfen, auch nicht im Falle einer Amnestie oder Begnadigung. Dieser Umstand verdient deshalb besonders erwähnt zu werden, weil in vielen Quellen vom amnestierten Putschoffizier die Rede ist, als der Chávez angetreten sei.

Chávez selber weigerte sich stets, den Aufstand vom 4. Februar 1992 einen Putsch zu nennen. Für ihn war es eine Erhebung fortschrittlicher Militärs, um die Institutionen zu verändern und die Macht dem Volk zu übergeben. Als deutlich wurde, dass dies zum Scheitern verurteilt sein würde, ergab sich Chávez mit seinen Truppen in Caracas und erhielt auf sein Verlangen hin die Möglichkeit, sich über das Fernsehen 30 Sekunden lang an seine Mitstreiter zu wenden. In dieser kurzen Ansprache übernahm er die Verantwortung für den gescheiterten Aufstand und erklärte, dass die Aufständischen ihre Ziele vorerst (por ahora) nicht erreicht hätten, es würden sich aber neue Möglichkeiten ergeben. Diese militärische Erhebung stieß auf immense Sympathie in den sozialen Bewegungen und der verarmten Bevölkerung.

Chávez wurde zur Leitfigur und durch die Worte "por ahora – vorerst" zum Hoffnungsträger der armen Bevölkerungsmehrheit. Bezeichnend für die Stimmung im Land war, dass Carlos Andrés Pérez 1993 wegen Korruption seines Amtes enthoben wurde.

Welche Sympathien Hugo Chávez aufgrund dieses Aufstands gegen die Regierung des korrupten Carlos Andrés Pérez genoss, zeigt sich am besten anhand eines dem Vaterunser nachempfundenen Gebets, das ihm ein unbekannter Venezolaner im Gefängnis zukommen ließ:

Chávez unser, der du bist im Gefängnis,
geheiligt sei dein Staatsstreich,
räche uns, unser Volk,
dein Wille geschehe,
der von Venezuela,
der deiner Armee,
gib uns heute das schon verlorene Vertrauen wieder,
und vergib nicht den Verrätern,
so wie auch wir nicht denen vergeben werden,
die dich gefangen nahmen,
rette uns vor soviel Korruption
und befreie uns von Carlos Andrés Pérez.
Amen.

Dieses Stimmungsbild erklärt, warum sich Hugo Chávez bei einer Wahlbeteiligung von 63,5 Prozent mit 56,20 Prozent der abgegebenen Stimmen mit absoluter Mehrheit gegen Salas Römer (39.97) und die ehemalige Schönheitskönigin (2,82) durchsetzte. Die anderen Kandidaten blieben jeweils unter 0,5 Prozent.

Neue Verfassung und Sozialprogramme: die Chávez-Erfahrung

Im Wahlkampf hatte er versprochen, einen Kampf gegen die verbreitete Korruption, Ungleichheit und Ungerechtigkeit zu führen, und dem Land eine neue Verfassung zu geben. Diesem Versprechen blieb er treu, als er bei seinem Amtsantritt als Präsident am 2. Februar 1999 den Eid ablegte: "Ich schwöre bei Gott, vor dem Vaterland und auf diese dem Tod geweihte Verfassung, dass ich die nötigen demokratischen Umgestaltungen vorantreiben werde, damit die Republik eine den neuen Zeiten entsprechende Verfassung bekommt. Das schwöre ich".

Noch im selben Jahr begann landesweit eine breit geführte Diskussion mit allen sozialen Gruppen zur Erarbeitung der neuen Verfassung, die ihren Höhepunkt und Abschluss in einer Volksabstimmung am 15. Dezember 1999 fand, als sie mit 72 Prozent angenommen wurde. Mit dieser neuen, der Bolivarischen Verfassung, die sich durch viele basisdemokratische Elemente auszeichnete, war der Weg geebnet für die von Chávez und seiner MVR vorgesehene Neugründung des venezolanischen Staates, für die Bolivarische Revolution.

Die Bestimmungen erlaubten eine neue Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von oben nach unten. Im Ergebnis konnten der Hunger und die Armut in Venezuela in bedeutendem Maße vermindert werden. 1995 lebten 75,5 Prozent der Bevölkerung in Armut, 42,4 Prozent in extremer Armut. Die Arbeitslosenquote betrug bis zu 35 Prozent. Über die Hälfte der Beschäftigten waren im informellen Sektor tätig: ohne Arbeitsverträge und Versicherung, 37,7 Prozent der unter 15jährigen hatten nie eine Schule besucht.

Für die konkrete Umsetzung der Pläne wurden neben den existierenden staatlichen Institutionen "Misiones" (Sozialprogramme) ins Leben gerufen. Sie verfolgten das Ziel, in den verschiedenen Bereichen die enormen sozialen Schulden zu begleichen, die die Nation in den langen Jahrzehnten der Verschwendung durch die elitäre Führungsschicht und der sozialen Ausgrenzung großer Teile der Bevölkerung angehäuft hatte.

Hier ist nicht der Platz, um alle mehr als 40 Misiones aufzuführen; genannt werden sollen nur einige auf besonders wichtigen Gebieten. Im Bildungsbereich gab es allein vier: Alphabetisierung, kostenfreie Bildung auf höheren Stufen bis zur Hochschulreife, Neubau und Erweiterung von Universitäten. Im Gesundheitswesen ragten die Misiones Barrio adentro, Milagro (Wunder) und Sonrisa (Lächeln) heraus. Ersteres sorgte für eine medizinische Versorgung in den Armenvierteln vor allem mit kubanischen Ärzten (die aus bürgerlichen Kreisen stammenden Ärzte gaben sich mit solchen nicht zahlungsfähigen Leuten nicht ab), die zweite für die Behandlung von Grauem Star, die dritte für Zahnbehandlung – alle natürlich kostenfrei.

Darüber hinaus gab es Misiones zur Absicherung der Ernährung, Schaffung von Wohnungen und zur Förderung der Landwirtschaft. Grundsätzlich wurden alle diese Missionen nach Chávez’ Tod 2013 unter der Regierung von Nicolás Maduro fortgeführt, allerdings wegen fehlender Mittel aufgrund der Auswirkungen der US-Sanktionen teilweise sehr stark gekürzt.

Von grundlegender Bedeutung für die Einbeziehung besonders der unteren Volksschichten in das politische Leben war die Mision "Misión Identidad", dank derer die ärmere Bevölkerung kostenlos Personalausweise erhielt. Sieben von zehn Venezolanern hatten keinen. Und ohne Personalausweis konnten viele Rechte nicht wahrgenommen werden, etwa die Teilnahme an den Wahlen, denn ohne Ausweis konnte man sich nicht in die Wählerlisten eintragen lassen. Das hielt aber die herrschende Klasse nicht davon ab, jahrzehntelang von demokratischen Wahlen zu sprechen, obwohl über die Hälfte der Bevölkerung davon ausgeschlossen war. Durch die kostenlose Personalausweis-Ausgabe kam natürlich auch das Wählerpotential für Chávez zum Zug. Nun konnten die Volksmassen den/die Kandidaten wählen, der ihre Interessen vertrat. Die Bolivarische Verfassung gestattet es auch, einen Abgeordneten oder Funktionsträger abzuberufen, wenn er das nach Ansicht der Wähler nicht mehr tut. So kann der Wählerwille direkt wirksam werden.

Das Phänomen Chávez ist nicht zu verstehen ohne dessen soziale Herkunft und die seiner Unterstützer. Der Politisierungsprozess der unteren Klassen in Venezuela war einzigartig. Sich im Territorium zu organisieren, die Potentiale vor Ort kreativ zu erschließen, um die Schwierigkeiten der dort lebenden Bevölkerung zu identifizieren und zu überwinden – all das macht die partizipative Demokratie des Chavismus aus.

Die "Chávez-Erfahrung" hat die venezolanische Gesellschaft geprägt und prägt sie bis heute: die Organisierung an der Basis, die soziale Inklusion von historisch ausgeschlossenen Teilen der Gesellschaft, eine andere Auffassung von Politik.

Auch in der Wirtschaft gab es Umgestaltungen: Verstaatlichung bzw. Aufkauf von Betrieben, die von den Besitzern aufgegeben wurden oder wo das Arbeitsgesetzbuch nicht eingehalten wurde. Meist wurden die Betriebe in Genossenschaften der dort Arbeitenden umgewandelt, aber auch staatliche Leiter eingesetzt. Das brachte häufig Probleme mit sich, weil das gesamtgesellschaftliche Bewusstsein nicht entsprechend entwickelt war.

Ziel war auch die Diversifizierung der Industrie, um sich von einseitiger Abhängigkeit vom Erdöl zu befreien. Brach liegendes Land wurde – oftmals unter erbittertem Widerstand der Großgrundbesitzer bis hin zu Morden – an Genossenschaften zur Bewirtschaftung übergeben, um die landwirtschaftliche Produktion anzukurbeln. Das reichlich sprudelnde Erdöl hatte bereits in den 1950er Jahren zum Niedergang der Landwirtschaft geführt, weil es mit den Einnahmen aus dem Erdölexport billiger war, Lebensmittel einzuführen als selber anzubauen. Dieser Missstand sollte überwunden werden. Diese Art von Neugründung des Staates gefiel der wirtschaftlichen und politischen Elite nicht, die gewohnt war, das Land zu ihrem Gunsten zu regieren, aber nicht für den Großteil der Bevölkerung. Auch die USA waren gegen ein solches gesellschaftliches Experiment.

Nachdem klar geworden war, dass Chávez – im Gegensatz zu anderen Präsidenten vor ihm – sich nicht kaufen und vor den Karren der besitzenden Klasse spannen ließ, sondern seine Sozialprogramme konsequent umsetzte, ließen die besitzenden Kreisen nichts unversucht, sich seiner zu entledigen. Es gab von Anfang an Widerstand gegen die bolivarische Revolution. Im Gegensatz zu Chile, wo zuerst versucht worden war, Allende durch wirtschaftliche Zermürbung zur Aufgabe seines Projektes zu zwingen und erst zu einem Militärputsch als letztem Mittel gegriffen wurde, sollte Chávez gleich durch den Putsch am 11. April 2002 beseitigt werden. Doch die Millionen Bürger, die Chávez als politische Akteure zum Leben erweckt hatte und die hinter seiner Politik der sozialen und politischen Inklusion standen, gingen auf die Straße und ließen den Putsch scheitern. Am 13. April war der konterrevolutionäre Spuk vorbei und Chávez saß wieder fest im Sattel.

Danach versuchte man mit der dreimonatigen Stilllegung der Erdölindustrie um die Jahreswende 2002/2003, Chávez zu stürzen. Aber entgegen den Erwartungen der besitzenden Klasse standen die Massen treu zu Chávez, ließen sich nicht beirren durch Benzin- und Lebensmittelknappheit. Es waren die einfachen Arbeiter und Ingenieure in der Erdölindustrie, die diese wieder in Gang brachten. Nunmehr wurde auf die in der neuen Verfassung verankerte Möglichkeit einer Abwahl zurückgegriffen. Pikanterweise war diese Verfassung beim Putsch im April 2002 von den Putschisten als erstes sofort außer Kraft gesetzt worden. Aber auch dieser Versuch, den verhassten Chávez los zu werden, scheiterte kläglich. Alle Wahlen danach endeten bis zu seinem Tod im März 2013 mit einem Sieg des Chávez-Lagers.

Das änderte sich erst 2015, als die Opposition die Parlamentswahlen gewann. Aber da wirkten schon die von den USA stetig verstärkten Sanktionen gegen Venezuela, die sich allmählich verheerend auf die Wirtschaft und damit auf die Lebenslage der Bevölkerung auswirkten. Auch die seit 2014 gefallenen Erdölpreise taten ihr Übriges.

Eva Golinger, US-amerikanische Anwältin und Publizistin venezolanischer Abstammung und Chávez-Unterstützerin sagt dazu: "Leider waren diejenigen, die Chávez als Zuständige hinterließ, nicht in der Lage, das Land erfolgreich durch diese schwierigen Zeiten zu lotsen. Eine Kombination aus Korruption und Sabotage durch die oppositionellen Kräfte (mit ausländischer Unterstützung) lähmt die Wirtschaft. Missmanagement ist weit verbreitet und wirkt destruktiv."

Die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) stellte fest, dass sich der Staat etwa ab 2016 aus immer mehr Bereichen der Wirtschaft zurückgezogen und sie anderen wirtschaftlichen Akteuren und ihrer Profitlogik überlassen hat. Innerhalb des Regierungsapparates hätten Strömungen stark an Einfluss gewonnen, die der Ansicht waren, dass ein Überwinden der Krise und das Verbleiben an der Regierung nur durch Kompromisse mit Teilen der Bourgeoisie möglich sei. Der wirtschaftliche Liberalisierungsprozess in Venezuela habe schließlich zu einem neuen Status quo geführt, in dem Millionen Menschen von der Möglichkeit des Konsums ausgeschlossen werden, weil sie nicht die notwendigen Mittel haben. Die Hyperinflation wurde zwar besiegt, aber die Entwertung der Löhne nie gestoppt. Vielmehr hat sie sich noch verschärft. Der Mindestlohn lag zeitweise bei etwa einem Dollar – pro Monat. Die soziale Ungleichheit ist in den letzten zehn Jahren exponentiell gewachsen.

Die bürgerliche Opposition äußert sich indes mit verhaltener Genugtuung: "Wir haben zwar nicht eine andere Regierung erreicht, aber die Art und Weise geändert, wie sie regiert."

Dazu Golinger: "Jetzt versuchen sie, das Erbe von Chávez zu beschmutzen und auszulöschen, aber ich glaube, dass das ein unmögliches Unterfangen ist. Das Andenken an Chávez in Millionen Menschen, die er beeinflusst hat und deren Leben er verbessert hat, wird den Sturm überstehen. ’Chavismus’ ist zu einer Weltanschauung geworden, die auf Prinzipien von sozialer Gerechtigkeit und menschlicher Würde basiert."

Innenpolitisch kann 25 Jahre nach seiner Erstwahl zum Präsidenten bilanziert werden, dass das Venezuela von heute anders ist als das Venezuela unter Präsident Hugo Chávez. Die Veränderungen, die es seit seinem Tod gegeben hat, sind vielfältig und fast alle negativ. Von der bolivarischen Revolution und vom Chavismus ist aufgrund der US-Sanktionen gegen Venezuela und der von Maduro seit 2016 verfolgten Politik materiell nicht sehr viel übriggeblieben.

Alba – Unasur – Celac

Auf außenpolitischer und internationaler Ebene fällt die Bilanz ganz anders, viel positiver aus. Chávez’ Wahl wird allgemein als Ende des neoliberalen Zyklus angesehen, der die 1990er Jahre beherrschte. In den darauf folgenden Jahren kamen in anderen lateinamerikanischen Ländern Kräfte an die Regierung, die den politischen Ideen Chávez’ nahe standen.

Zusammen mit Fidel Castro schuf er zur Überwindung der Abhängigkeit von den USA Organisationen zur politischen und wirtschaftlichen Integration der lateinamerikanischer Länder, die den reaktionären Stürme der Zeiten widerstanden und überlebt haben.

Den Anfang machte die 2004 zwischen Venezuela und Kuba ins Leben gerufene "Bolivarische Alternative der Völker Unseres Amerika" (Alba), die sich 2006 nach dem Beitritt Boliviens den neuen Namen "Bolivarische Allianz der Völker Unseres Amerika - Handelsvertrag der Völker" (Alba-TCP) zulegte. Von den herkömmlichen Integrationsprojekten unterscheidet sie sich durch die Grundprinzipien Solidarität – Komplementarität – Humanismus. Die gegenseitige Unterstützung, d.h. die Nutzung der Vorteile eines jeden Landes steht im Vordergrund, um gemeinsam stark zu sein durch eine ausgeglichene wirtschaftliche Entwicklung in jedem Land, gerade dort zu helfen, wo einer schwach ist, und nicht die Schwäche des anderen zum eigenen Vorteil auszunutzen, nicht auf Kosten eines anderen besser zu leben.

Mit der Gründung der Alba-Bank 2008 begann der Weg zur Befreiung von der Herrschaft der Weltbank und des IWF.

Mit der Einführung des Sucre 2010 als neue zwischenstaatliche Währungseinheit, die in einem ersten Schritt als Verrechnungseinheit, die - ähnlich dem ECU, dem Vorläufer des Euro - nur als Buchgeld existiert, im gemeinsamen Handel genutzt wird, sollte die wirtschaftliche Integration der Alba-Staaten vereinfacht und die Loslösung vom US-Dollar als internationale Leitwährung eingeleitet werden.

Durch Alba-TCP wurde der von einigen Ländern gemeinschaftlich betriebene Fernsehsender Telesur, der über Satellit abstrahlt, und Radio del Sur geschaffen. Diese Sendeanstalten verstehen sich als mediale Unterstützung für die Schaffung eines neuen multipolaren internationalen Informationssystems im Dienste der Völker auf der Grundlage der Prinzipien der Unabhängigkeit, Gleichheit, Selbstbestimmung und für das Durchbrechen der Vormachtstellung der westlichen Nachrichtenmonopole.

Chávez hatte auch maßgeblichen Anteil an der Gründung der Union südamerikanischer Nationen (Unasur), die nach etlichen Jahren der Vorbereitung 2008 ins Leben gerufen wurde und der alle zwölf unabhängigen Staaten Südamerikas angehörten. Im Mittelpunkt steht die Zusammenarbeit beim Kampf gegen Ungleichheit, soziale Ausgrenzung, Hunger, Armut und Unsicherheit, um die Demokratie, Souveränität und Unabhängigkeit der südamerikanischen Staaten zu stärken und Asymmetrien zu reduzieren, z.B durch den Ausbau der verbindenden Infrastruktur zwischen den Ländern. Damit war Unasur klar als Gegenkraft zur unter der Vorherrschaft der USA stehenden OAS konzipiert.

Im Streit hinsichtlich der Positionierung im Venezuela-Konflikt traten acht Mitglieder aus dem links geprägten Bündnis Unasur aus und gründeten als Alternative im März 2019 das neoliberal geprägte Regionalbündnis Prosur.

Auf Initiative von Brasiliens Präsident Luis Inácio Lula da Silva im Mai 2023 wurde Unasur. reaktiviert. Besondere Aufmerksamkeit erhielt Lulas Aufruf, die südamerikanischen Staaten sollten in ihren bilateralen Handelsbeziehungen von der Verwendung des US-Dollars wegkommen.

Am 15. Dezember hat die Unasur nun nach fünfjähriger Abwesenheit ihre Arbeit wieder aufgenommen.

Die dritte große Errungenschaft unter Chávez’ Mitwirkung war die Gründung der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (Celac), der alle 33 souveränen Staaten des amerikanischen Doppelkontinents angehören außer den USA und Kanada. Damit wird schon deutlich, dass auch diese Organisation als ein Gegenstück zu der von den USA dominierten Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) angelegt war. Die lateinamerikanischen und karibischen Länder wollten endlich selber Dinge ohne Einfluss der USA entscheiden, die ihre Länder betrafen. Auch dieser Staatenbund hat die Wirren der Jahre überstanden, als in einigen Ländern rechte Kräfte an die Regierung gelangten, die eine USA-genehme Politik vertraten. Besonders Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador und sein argentinischer Amtskollege Alberto Fernández setzten sich für die Wiederbelebung der Celac ein. Sie ist wieder aktiv geworden und pocht verstärkt auf Eigenständigkeit in der internationalen Politik.

Eine spezielle Gründung von Chávez war Petrocaribe, ein Abkommen vom Juni 2005 für Erdöllieferungen zum Vorzugspreis von Venezuela an einige Karibikstaaten. Auch Bezahlungen mit Waren oder Dienstleistungen sind möglich. Kuba zum Beispiel entsandte als Gegenleistung tausende Ärzte und anderes medizinisches Personal, Lehrer, Sporttrainer und Regierungsberater. Zu den mittelfristigen Zielen gehört die gemeinsame Erschließung, Förderung und Verarbeitung von Erdöl und Erdgas durch die Mitgliedsstaaten. Es soll ein Netz erdölindustrieller Anlagen geschaffen werden, durch das die Versorgung der Staaten der Region mit Derivaten nachhaltig gewährleistet werden soll.

Bewahrtes Vermächtnis

Die Existenz dieser Organisationen und ihre Zielstellungen sind in großem Maße ein Verdienst von Hugo Chávez. Wie weitsichtig er dabei handelte, wird daran deutlich, dass die Brics-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) und die Gruppe 77 + China sowie die chinesische Belt-and-Road-Initiative genau diese Zielsetzungen haben, für die Chávez eingetreten war: der Kampf gegen Armut und den Klimawandel, für die Reformierung der internationalen Finanzarchitektur, Schaffung einer neuen Weltwirtschaftsordnung und bessere Verbindungen zwischen den Ländern des Globalen Südens, die Lösung der Schuldenfrage, die Loslösung vom US-Dollar und die Herausbildung einer multipolaren Weltordnung. Damit bleibt Chávez’ Vermächtnis bewahrt, hinterlässt er unauslöschliche Spuren.

Angemerkt sei schließlich noch, dass viele Venezolaner glauben, dass Chávez ermordet wurde. Dafür gibt es hinreichend Indizien, so die Rolle mehrerer Personen aus Chávez’ engstem persönlichen Sicherheitsdienst wie Oberstleutnant Leamsy Salazar, Hauptmann Adrián Velásquez und dessen Ehefrau Claudia Patricia Díaz Guillén. Letztere war mehrere Jahre Chávez‘ persönliche Krankenschwester, verwaltete Medikamente, Spritzen und andere Dinge der Gesundheits- und Ernährungsversorgung für Chávez und hatte privaten, unbeaufsichtigten Zugang zu ihm. Gemäß freigegebener geheimer US-Dokumente ist bekannt, dass die US-Armee schon seit 1948 an einer Waffe zur Injektion von radioaktivem Material für politische Morde an ausgewählten Feinden gearbeitet hat und dass es eine von der CIA entwickelte Mordwaffe zur Erzeugung von Herzinfarkt und Weichteilkrebs gab. Chávez starb an einem aggressiven Weichteilsarkom. Als das entdeckt wurde, war es bereits zu spät. Gemeinsam ist diesen genannten Personen, dass sie nach Chávez’ Tod in die USA übersiedelten und dort in das Zeugenschutzprogramm aufgenommen wurden bzw. über Vermögen verfügen, die diese Personen nicht mit legitimen Mitteln zusammengerafft haben können1

Texte und Reden von Hugo Chávez bei amerika21 finden sie hier

  • 1. Siehe Eva Golinger: Der seltsame Tod von Hugo Chávez, amerika21.de, 27.06.2016)