Kolumbien

Destabilisierung durch Sabotage, Mord und Rauschgift

Paramilitärische Einheiten aus Kolumbien sickern immer häufiger nach Venezuela ein

Ein direkter militärischer Angriff ist nicht unbedingt der effektivste Weg, um eine ungeliebte Regierung in einem Nachbarland loszuwerden. Ein Truppeneinmarsch kann schnell ins Auge gehen, wenn das angegriffene Land militärisch darauf vorbereitet ist - außerdem macht es sich in der Weltöffentlichkeit nicht gut, als Aggressor abgestempelt zu werden. Mehr Erfolg verspricht die indirekte Strategie: Die Destabilisierung von innen her. Dieses Vorgehen war schon 1973 in Chile erfolgreich, ebenso in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Nicaragua.

Offenbar inspiriert und wahrscheinlich auch finanziert von US-Geheimdiensten, sickern seit Jahren paramilitärische Verbände aus Kolumbien in Venezuela ein. Der bislang spektakulärste Fall wurde im Mai 2004 aufgedeckt, als das Militär etwa 100 bewaffnete und in venezolanische Uniformen gekleidete Kolumbianer in der Nähe von Caracas auf einer Farm verhaftete, die dem Exilkubaner Robert Alonso gehörte. Ihr Auftrag war es, den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez zu ermorden. Sie wurden drei Jahre später in ihre Heimat abgeschoben - als humanitäre Geste im Zusammenhang mit den Verhandlungen, die Chávez mit der kolumbianischen Guerilla-Bewegung FARC über die Freilassung von Geiseln führte.

Der verdeckte Krieg gegen die revolutionäre Regierung von Venezuela begann im Jahre 2001 nach der Landreform. Viele von der Enteignung bedrohte Großgrundbesitzer nahmen paramilitärische Einheiten aus Kolumbien unter Vertrag, um die Landarbeiter und Kleinbauern zu bekämpfen, die ihren Anspruch auf Acker- und Weideland anmeldeten. Hauptziel sind nach wie vor die bewaffneten Volksmilizen. Nach Angaben von Landarbeitergewerkschaften wurden von diesen Killertruppen bis heute etwa 180 Bauern ermordet. Weder die Auftraggeber noch die Mörder selbst sind bislang strafrechtlich belangt worden - was allerdings ein schlechtes Licht auf die Durchsetzungsfähigkeit der venezolanischen Behörden in diesen Landstrichen wirft.

Seit sieben Jahren setzen sich darüber hinaus immer mehr paramilitärische Verbände aus Kolumbien in den Grenzregionen Venezuelas fest, wobei vor allem die Bundesstaaten Táchira im Westen und El Zulia im Nordwesten betroffen sind. Die Söldner widmen sich dort nach Angaben der venezolanischen Behörden vor allem dem lukrativen Schmuggel von Benzin. Sie verschieben demnach aber auch in großem Stil subventionierte Lebensmittel über die Grenze. Auf diese Weise tragen sie zu den seit etwa einem Jahr häufiger auftretenden Engpässen bei der Versorgung der Bevölkerung bei - was die immer noch in Privatbesitz befindlichen Zeitungen und Fernsehsender der angeblich unfähigen Regierung von Hugo Chávez in die Schuhe schieben.

In San Cristobal, der Hauptstadt von Táchira, haben kolumbianische Paramilitärs darüber hinaus eine mafiaähnliche Organisation aufgezogen, die von einheimischen Geschäftsleuten Schutzgelder erpressen. Mit diesen Einnahmen finanzieren sie legale Unternehmungen, die wiederum geschäftliche Kontakte zum Militär, zur Polizei und zu venezolanischen Behörden unterhalten. Auch im Transportwesen versuchen die Eindringlinge, Fuß zu fassen, wobei es ihnen vorwiegend auf Taxi-Unternehmen ankommt, die als logistische Basis für den Aufbau geheimdienstlicher Strukturen dienen.

Seit etwa zwei Jahren gelingt es den Paramilitärs zudem, auch in den großen Städten des Landes Fuß zu fassen. Dort sickern sie vorzugsweise in die Wohnviertel der armen Bevölkerung ein, in der Chávez vor allem seinen politischen Rückhalt hat. Dabei gehen sie nach Erkenntnissen venezolanischer Behörden mehrgleisig vor: Zunächst versorgen sie Jugendliche preiswert mit Rauschgift und gründen kriminelle Banden. Dann bieten sie sich den verängstigten Slumbewohnern als Schutzmacht an, die für Recht und Ordnung sorgt - eine Aufgabe, mit der die reguläre Polizei vielfach überfordert ist. Parallel dazu gehen kolumbianische Killerkommandos in den letzten beiden Jahren immer häufiger dazu über, engagierte Gewerkschafter und andere politische Aktivisten zu ermorden, um so die politischen Strukturen der venezolanischen Revolution zu zerstören.


Weitere Informationen zu dem Thema sind auf der Homepage des amerika21.de-Referenten Dario Azzellini zu finden.