Venezuela

Kampf um die Erinnerung

Venezuela gedenkt dem versuchten Staatsstreich im April 2002

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Kampf um die Erinnerung
Flugblatt von 12. April 2002 zur Mobilisierung gegen den Putsch

Caracas. In Venezuela finden am heutigen Dienstag vielfältige Veranstaltungen statt, um an den Putschversuch vor acht Jahren zu erinnern. Auf einer der zentralen Straßen der Hauptstadt Caracas, der Calle Bolivar, werden die Unterstützer des bolivarianischen Prozesses eine große Demonstration durchführen. Der Vizepräsident des Parlaments, Dario Vivas, rief die Teilnehmer gestern auf, bei dieser Demonstration in grünen T-Shirts zu erscheinen statt in roten, wie es bei linken Demonstrationen in Venezuela üblich ist. Damit solle daran erinnert werden, dass die Bewegung der Bevölkerung gemeinsam mit der Initiative von loyalen Militärs den Putsch vom 12. April vereitelt habe. Am Abend ist außerdem ein großes Konzert auf der Plaza Venezuela geplant. Neben venezolanischen Gruppen wie Sontizon werden Bands und Liedermacher aus ganz Lateinamerika auftreten.

Die Abgeordnete Iris Varela erinnerte am Wochenende daran, mit welchen Methoden die Vertreter der Putschregierung, die von sich behaupteten, sie würden Venezuela vor dem "Castrokommunismus" retten, gegen die Volksbewegung vorgingen. Während der 47 Stunden des Staatsstreiches seien in Venezuela die schwersten Menschenrechtsverbrechen begangen worden. Mitglieder der gewählten Regierung wurden verhaftet und verfolgt, Aktivisten aus den Armenvierteln gefoltert und getötet. "Diese Vorgänge würden die Vertreter der Opposition heute am Liebsten verschwinden lassen, so als ob nichts passiert wäre." Die 19 Toten, die es alleine am 11. April gegeben habe, gingen auf das Konto von oppositionellen Polizeibeamten, welche die Opposition heute als Opfer einer politischen Justiz darstelle. Varela verwies darauf, dass mehr als 120 Zeugenaussagen zu ihrer Verurteilung geführt hatten.

Am 11. April 2002 stießen in Venezuela Demonstrationszüge der Regierungsgegner und der Unterstützer von Präsident Hugo Chávez zusammen. Ziel der Opposition war es, den Präsidentenpalast zu erreichen und Chávez zu stürzen. Um dies zu verhindern hatten sich tausende seiner Unterstützer auf der Straße vor dem Präsidentenpalast versammelt. Als die Demonstrationen an der Brücke Llaguno zusammentrafen, schossen Angehörige oppositioneller Polizeieinheiten sowie unbekannte Scharfschützen auf die Regierungsanhänger. Nachdem mehrere von ihnen von Kopfschüssen getroffen zusammenbrachen, erwiderten einige Chavisten das Feuer, wobei sich die oppositionelle Demonstration zu diesem Zeitpunkt bereits zurückgezogen hatte, so dass es sich um einen Schusswechsel zwischen Polizei und Regierungsanhängern handelte. Die privaten Fernsehkanäle Venevisión, RCTV und Globovisión manipulierten die Bilder derart, dass der Eindruck entstand, Regierungsanhänger schössen auf die oppositionelle Demonstration.

Diese Version der Ereignisse bot mehreren Generälen den Anlass, Präsident Chávez zum Rücktritt aufzufordern. Sie drohten damit andernfalls den Präsidentenpalast zu bombardieren. In Abstimmung mit seinem Kabinett entschied Chávez, sich in die Hände der putschenden Militärs zu begeben, weigerte sich jedoch zurückzutreten. Am folgenden Tag übernahm eine Putschregierung um den Unternehmerpräsidenten Carmona die Regierung, setzte die Verfassung außer Kraft und ließ bekannte Unterstützer des Präsidenten verhaften. Während sich die Mitglieder der Putschregierung und die Vertreter der privaten Medien vor laufenden Kameras zum geglückten Coup beglückwünschten, lief auf der Straße die Gegenmobilisierung an: Die Bevölkerung aus den Armenvierteln der Stadt mobilisierte zum Präsidentenpalast und belagerte die Putschregierung. Als schließlich bekannt wurde, dass Chávez, anders als von den privaten Medien verbreitet, nicht zurückgetreten war, holte die Präsidentengarde zum Gegenschlag aus und setzte die Putschisten fest.


Film The Revolution will not be televised über die Ereignisse im April 2002 (Englisch)