Kritiker von Kissinger-Professur diffamiert

Scharfe Töne im Streit um Lehrstuhl zu Ehren von Ex-US-Außenminister. Kissinger für Terror und Morde in Lateinamerika verantwortlich

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Henry Kissinger und Chiles Diktator Pinochet bei einem Treffen im Jahr 1976
Henry Kissinger und Chiles Diktator Pinochet bei einem Treffen im Jahr 1976

Bonn. An der Universität Bonn verschärft sich der Konflikt um eine Stiftungsprofessur zu Ehren des international umstrittenen Ex-US-Außenministers Henry Kissinger. Nachdem sich Studierende, Wissenschaftler und zivilgesellschaftliche Organisationen gegen die "Henry-Kissinger-Professur für Internationale Beziehungen und Völkerrechtsordnung" gewandt hatten, folgte nun die Gegenattacke von Sympathisanten Kissingers, der von Menschenrechtsorganisationen für schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Südostasien und Lateinamerika verantwortlich gemacht wird.

In einem Interview mit Deutschlandradio hatte der Bonner Politikwissenschaftler Christian Hacke den Protest gegen die umstrittene Professur Anfang des Monats als "Irrwitz" bezeichnet. Lukas Mengekamp von der Grünen Hochschulgruppe konterte die Attacke umgehend. Wenn der Politologe ein solch pauschales Urteil fälle, "ohne sachliche Argumente vorzubringen, zeigt dies erneut, dass die Befürworter der Professur auf Kritik offenbar nur mit Allgemeinplätzen und diffamierenden Äußerungen antworten können."

In einer Pressemitteilung forderte die Grüne Hochschulgruppe Bonn die Universitätsleitung zum wiederholten Male zu einer kritischen Diskussion auf. Nicht die Kritik an dem Lehrstuhl, sondern die Ehrung eines Mannes, dem Völkerrechtsbruch und Kriegsverbrechen vorgeworfen werden, stelle den "Irrwitz" dar, heißt es in der Erklärung. Zuvor hatte Hacke den Allgemeinen Studierendenausschuss und "andere linke Gruppierungen" kritisiert und eine "realistischere Betrachtung der Außen- und Sicherheitspolitik an deutschen Hochschulen" gefordert.

"Wenn wir die Sache realistisch betrachten, dann sehen wir vor allem aber, dass zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik ein Lehrstuhl hauptsächlich vom Verteidigungsministerium finanziert wird“, sagte dazu Charlotte Schwarzer-Geraedts von der Grünen Hochschulgruppe. "Im Sinne einer kritischen und unabhängigen Forschung und Lehre werden wir als Hochschulgruppe auch weiterhin dagegen protestieren", fügte die Hochschulaktivistin an. Das Verteidigungsministerium überweist der Universität Bonn für die Professur eine viertel Million Euro.

Die Studierendenvertreter erinnerten Hacke als Bonner Emeritus daran, dass die Kritik nicht von "irgendwelchen AStA-Leuten oder ähnlichen linken Gruppierungen"  geäußert worden sei, wie er im Rundfunk vorgab, sondern unter anderem von der demokratisch legitimierten Bonner Studierendenvertretung. "Für eine gute Debattenkultur an der Universität spricht der Umgang mit der Kritik sicherlich nicht", kommentieren die Studierendenvertreter. So sei lange versucht worden, die Kritik an der Professur tot zu schweigen oder es sei auf die "Ambivalenz"  Kissingers verwiesen worden. Der Angriff auf den AStA stelle einen "traurigen Höhepunkt" in der Debatte dar.

Henry Kissinger wird unter anderem vorgeworfen, während seiner Zeit als Sicherheitsberater der US-Regierung (1996-1973) und US-Außenminister (1973-1977) die Militärdiktaturen in Chile und Argentinien unterstützt zu haben, um den Einfluss der Sowjetunion südlich der USA einzudämmen. Während der Terrorherrschaft in beiden Staaten wurden zehntausende Menschen ermordet.