Die Deutsche Welle wirbt auf ihrer Homepage für ihre Sendung Fokus Amerika mit dem Thema "Die neue Stärke Kolumbiens". Dabei wollen sie auf Biegen und Brechen die These untermauern, dass der kolumbianische Staatschef Uribe "Kolumbien aus der Isolation" geholt habe. Als Beweis dient: "Die Nachbarstaaten orientieren sich neu" und "alle Nachbarn bemühen sich um gute Beziehungen zu ihm". Doch da liegen sie falsch.
Explizit nennen sie Venezuela, Ecuador und Nicaragua. Diese nutzten die Gelegenheit der Befreiung Betancourts teilweise zwar für eine Annäherung. Doch außer dem überfälligen Präsidententreffen zwischen Chávez und Uribe auf Druck der Wirtschaft gibt es dabei nichts Handfestes. Und bei Chávez und Uribe ging es im Wesentlichen um lang geplante Projekte. Keiner der beiden Staaten kann sich leisten, diese abzubrechen. Vor allem Kolumbien bemühte sich um gute Beziehungen und Uribe machte sogar das Zugeständnis, Chávez nicht mehr als Terror-Unterstützer zu bezeichnen. Das widerspricht der Darstellung der DW. Denn es war vor allem ein Umschwenken von Uribe, was nicht gerade für seine Stärke spricht. Venezuela hatte sich trotz der Gegensätze immer um ein gutes Verhältnis zum Nachbarn bemüht – solange Kolumbien sich an internationale Abkommen halte und die nationale Souveränität anerkenne.
Ecuador dagegen hat eine grundsätzlich andere Position. Doch das scheint die Deutsche Welle nicht zu interessieren. Sie verlässt sich auf die hiesige Unwissenheit über die Außenpolitik des kleinen Andenstaates, die auch in der DW-Redaktion recht groß zu sein scheint.
Ecuador hat nämlich seit der Bombardierung von ecuadorianischem Territorium durch die kolumbianische Armee keine diplomatischen Beziehungen zu seinem Nachbarstaat. Eine Annäherung auf Vermittlung des ehemaligen US-Präsidenten Carter Anfang Juni zum Austausch von Diplomaten auf unterer Ebene war nach kurzer Zeit von kolumbianischer Seite zurückgezogen worden. Seitdem ist Ecuador wieder auf Distanz und hat gerade in der letzten Woche wieder eine Verbesserung der Beziehungen ausgeschlossen. Offenbar ist das nicht bis in die DW-Redaktion vorgedrungen.
Und Nicaragua hat unlängst die Politik Ecuadors unterstützt und der Regierung in Quito den Rücken gestärkt. Also wer orientiert sich neu?
Kolumbien war in ganz Südamerika isoliert nachdem es in Ecuador ein Guerilla-Camp angegriffen hatte. Dort musste es rauskommen und der Betancourt-Coup war Uribes Chance auf einen Neuanfang und keine "neue Stärke" wie die DW schreibt. Uribe steht trotz seiner Beliebtheit innenpolitisch unter enormen Druck und muss außenpolitische Erfolge vorweisen.
Chávez hat Uribe eine Chance gegeben und es ist davon auszugehen, dass er im Hinterkopf hat, damit den US-Einfluss in Kolumbien einzudämmen. Langfristig ist Kolumbien als Vorposten der USA in Südamerika die größte Gefahr für eine gemeinsame, unabhängige Entwicklung des Kontinents. Dagegen arbeiten die Nachbarn mit diplomatischen Mitteln und Angeboten von Zusammenarbeit. Doch dabei orientieren sie sich nicht neu. Die Strategie ist alt.