Venezuela

Venezuela vorne

Die NGO Latinobarometro hat ihren jährlichen Bericht über die demokratische und wirtschaftliche Entwicklung Lateinamerikas veröffentlicht

Der Bericht basiert auf einer repräsentativen Umfrage, bei der in allen 18 lateinamerikanischen Ländern, mit Ausnahme von Kuba, tausende Bürger befragt wurden. Die Daten der unabhängigen Stiftung mit Sitz in Santiago de Chile werden von politischen und gesellschaftlichen Akteuren ebenso genutzt, wie von internationalen Organisationen, Regierungen und Medien. Sie sind jedoch diesmal von den Medien kaum verbreitet worden - der Grund dafür liegt in den Daten, die in Venezuela ermittelt wurden: Venezuela steht an erster Stelle der lateinamerikanischen Länder bei der positiven Bewertung seiner wirtschaftlichen Situation und an zweiter Stelle bei der Zufriedenheit mit der Demokratie.

Auf die Frage: Sind Sie im allgemeinen sehr zufrieden, einigermaßen zufrieden, nicht sehr zufrieden oder überhaupt nicht zufrieden mit der Demokratie in ihrem Land?, war 1998 die Zahl der "Zufriedenen" in gesamt Lateinamerika bei 37% (die Summe der Antworten "sehr zufrieden" und "einigermaßen zufrieden"). Der entsprechende Prozentsatz lag in Venezuela mit 35% unter dem Durchschnitt. In der Befragung 2007 lag der Mittelwert in Lateinamerika wieder bei 37%, während er in Venezuela auf 59% anstieg. Dieser Umfrage zufolge ist Venezuela in den letzten neun Jahren auf Platz 2 der Länder gestiegen, die den höchsten Grad an Zufriedenheit mit der Demokratie aufweisen, direkt hinter Uruguay.

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Die Zufriedenheit mit der Regierung in Venezuela betrug im letzten Jahr 66% und nahm somit den zweiten Platz aller lateinamerikanischen Länder ein, der Mittelwert betrug nur 39%. Auf die Frage: Schätzen Sie die Regierung des Präsidenten oder nicht?, ergab das Ergebnis in Venezuela folgendes:

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Während die Medien den venezolanischen Präsidenten weiterhin als Laster für seine Bürger hinstellen, ergab die Umfrage von Latinobarometro, dass das Vertrauen der Bevölkerung in Chávez 60% beträgt. Die lateinamerikanischen Durchschnitt liegt die Beliebtheit des Präsidenten bei 43%.

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Die positive Bewertung des demokratischen Systems schlägt sich auch in dem Vertrauen nieder, dass die Bürger in das System der politischen Parteien haben. In ganz Lateinamerika ergab sich hier eine sehr niedrige Quote, aber in Venezuela ist es mit 36% die höchste aller befragten Länder (Durchschnitt 20%).

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Betrachten wir die Meinungen über die wirtschaftliche Situation. Die Befragten nahmen Stellung zu der Frage: Wie beurteilen Sie die ökonomische Situation im allgemeinen in Ihrem Land? Würden Sie sagen, sie ist sehr gut, gut, normal, schlecht oder sehr schlecht? Wenn man die Antworten "sehr gut" und "gut" zusammenfasst, kann man sehen, dass Venezuela mit großem Abstand die besten Ergebnisse erzielt (mit 52%). Der Mittelwert liegt weit darunter, nämlich bei 21%.

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Ähnliche Ergebnisse zeigen die Antworten nach den Zukunftsperspektiven der wirtschaftlichen Lage.

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Die Studie bringt uns weitere wertvolle Einschätzungen der Lateinamerikaner nahe. Mit der Aussage: Die Marktwirtschaft ist das einzige System, mit dem sich das Land entwickeln kann, waren die Bürger von 13 Ländern in ihrer Mehrheit nicht einverstanden, gegenüber nur 6 Ländern, in denen die Bürger sich mehrheitlich zustimmend äußerten. Diese Tendenz kann man auch bei der folgenden Frage feststellen: Man sagt, dass der Staat die Probleme unserer Gesellschaft lösen kann, weil er die Mittel dazu hat. Würden Sie sagen, dass der Staat alle Probleme lösen kann, die Mehrzahl der Probleme, ziemlich viele Probleme, nur einige Probleme oder dass der Staat kein einziges Problem lösen kann? Die Zahl der Antworten, die alle, die Mehrzahl oder ziemlich viele Probleme durch den Staat für lösbar halten, stieg im Vergleich zu den früheren Jahren, während die Zahl der Antworten, die nur einige Probleme durch den Staat für lösbar halten, abgenommen hat.

Auf die Frage: Sind Sie sehr einverstanden, einverstanden, nicht einverstanden oder überhaupt nicht einverstanden mit der folgenden Aussage: Die Privatisierung von staatlichen Unternehmen waren für das Land gut?, erreichten die Antworten "sehr einverstanden" und "einverstanden" in keinem einzigen Land die Mehrheit.

Die Frage: Welche von den im folgenden genannten Aktivitäten sollten Ihrer Meinung nach hauptsächlich in den Händen des Staates sein und welche hauptsächlich in privater Hand liegen?, antworteten "in privater Hand" nur 24% für den Bereich Telekommunikation, 18% für den Bereich Stromversorgung und 16% für Benzin und Brennstoff. In den Händen des Staates sollten im Gegenzug gemäß 77% der Befragten Benzin und Brennstoff liegen, 76% befürworteten das für die Stromversorgung und 69% für die Telekommunikation.

Die Umfrage kam zu folgendem Schluss:

Ohne dass die Bürger den Konsens von Washington kennen und ohne dass sie verstehen, woraus er besteht, sind seine Forderungen ganz eindeutig abgelehnt worden, weil es mehr Forderungen nach dem Staat und weniger Forderungen nach dem Markt gibt, um das Land weiter zu entwickeln.

Die Studie analysiert auch die Ergebnisse der letzten Präsidentschaftswahlen der betreffenden Länder. Sie hebt hervor:

Die Wahlsiege von Evo Morales in Bolivien, von Álvaro Uribe in Kolumbien und von Hugo Chávez in Venezuela sind Beispiele für Wahlen, in denen die Präsidenten in der ersten Wahlrunde mehr als 50% der Stimmen erhalten haben.

Sie fügt hinzu:

Wenn man jedoch die Wahlbeteiligung in Relation zur Gesamtzahl der Wähler setzt, wurde Hugo Chávez in Venezuela von 45% der wahlberechtigten Bürger gewählt, Evo Morales in Bolivien von 42% und Uribe in Kolumbien von nur 28% aller wahlberechtigten Bürger.

Die Befragungen im Jahr 2007 umfassten 20000 Interviews zwischen dem 7. September und dem 9. Oktober und gelten als Repräsentativ für die 18 Länder, die insgesamt mehr als 527 Millionen Einwohner umfassen. Bisher sind 12 Umfragen mit insgesamt mehr als 200000 Interviews durchgeführt worden.

Die Studie 2007 wurden von zahlreichen Organisationen und Regierungen unterstützt, u.a. von der OEA (Organisation der Amerikanischen Staaten), der Andengemeinschaft (CAN), SIDA (Swedish International Development Cooperation Agency), ELCANO (Königliches Institut Elcano, Madrid), AECI (Spanische Agentur für internationale Kooperation) und der dänischen Regierung.

Die erste Befragungensrunde von Latinobarometro in Lateinamerika wurde zwischen Mai und Juni 1995 durchgeführt und umfasste 8 Länder: Argentinien, Brasilien, Chile, Mexico, Paraguay, Peru, Uruguay und Venezuela. Seit 1996 wurden die Umfragen in 17 Ländern durchgeführt, im Jahr 2004 kam noch die Dominikanische Republik hinzu. Damit umfasst die Studie heute alle 18 lateinamerikanische Länder, mit Ausnahme von Kuba.

Latinobarometro ist im Besitz der ersten Datenbank von Meinungsumfragen in spanischer Sprache, die erste auch in der südlichen Hemisphäre und in Lateinamerika. Nach Auskunft auf ihrer Homepage latinobarometro.org wird sie von JDS System in Madrid gepflegt. 2007 hat Latinobarometro ein Abkommen mit UK Data Archive geschlossen und so Zugang zu 150 Universitäten des Vereinigten Königreiches über ww.esds.ac.uk erhalten. Dieser Zugang wird von UK Data Archive finanziert.


Den Originalartikel des Internetportals Rebelion.org finden Sie hier.

Grafikquellen: rebelion.org