Venezuela / Spanien

Medienmanipulation am Pranger

Das venezolanische Informationsministerium stellt die Desinformationskampagnen der spanischen Tageszeitung El País bloss

Venezuelas Informations- und Kommunikationsministerium (MinCI) hat eine Broschüre veröffentlicht, die das Informationsgebahren des spanischen Leitmediums El País gegenüber der Bolivarischen Republik analysiert. Das spanischsprachige Werk trägt den Titel "La Guerra Mediática contra Venezuela desde del diario español El País" (Der Medienkrieg der spanischen Tageszeitung El País gegen Venezuela) und steht im Internet zum Download bereit.

Der Autor Fernando Cazado kommt zu dem Ergebnis, dass Spaniens größte und einflussreichste Tageszeitung im ersten Quartal 2008 zu 65 Prozent "negative" Nachrichten über Venezuela brachte. Diesen standen 29 Prozent "neutrale" Berichte gegenüber. Hinzu kamen fünf Leitartikel, die der Verfasser als "sehr negativ" bewertete. Cazado schlussfolgert, dass El País auf "die Progaganda zurückgreift, um das Vorgehen der venezolanischen Regierung vor der Internationalen Gemeinschaft zu kriminalisieren". Diesem Ziel will das Informationsministerium mit seiner Analyse entgegenwirken.

El País hat eine durchschnittliche Tagesauflage von 450000 Exemplaren. Samstags und sonntags steigt der Druck sogar auf 750000 Ausgaben. Das Blatt erreichte zwischen April 2006 und März 2007 täglich etwa 2,1 Millionen Leser. Es wird nur noch von der Sportzeitung Marca (2,3 Mio. Leser) übertroffen. Die Artikel von El País dienen vielen Korrespondenten anderer europäischer Medien als Referenz für die eigene Lateinamerika- und Spanien-Berichterstattung.

Die Zeitung gehört zum Medienkonzern PRISA, der seit den 80er Jahren den spanischen Sozialdemokraten (PSOE) nahesteht. Das Unternehmen ist seit den 90er Jahren auch auf dem lateinamerikanischen Medien- und Büchermarkt stark vertreten und versucht stetig, seine Position auszubauen. PRISA besitzt allein etwa 200 Radiostationen in den USA, Mittel- und Südamerika. Der Konzern hält 19 Prozent der Aktien von Caracol Radio, dem meistgehörten Sender in Kolumbien. Mit dem venezolanischen Multimillardär und Chávez-Gegner Gustavo Cisneros ist PRISA über die gemeinsame Beteiligung am digitalen Fernsehen der spanischen Firma Sogecable eng verbunden. Hinzu kommen gemeinsame wirtschaftliche Interessen mit dem spanischen Energiemulti Repsol und den Banken BBVA und BSCH, die alle eine einflussreiche Stellung in Lateinamerika einnehmen.

Folglich bekämpft El País die progressiven und sozialistischen Regierungen in Lateinamerika und der Karibik. Wenige Tage bevor Hugo Chávez 1999 seinen Amtseid als venezolanischer Präsident ablegte, präsentierte das Blatt ihn als potentiellen Psychopathen. Der Artikel "El enigma de los dos Chávez" (Das Geheimnis der zwei Chávez) von Gabriel García Márquez lieferte die Grundlage für eine breitangelegte Medienkampagne, die im April 2002 das für einen Putsch nötige Klima schuf. Deutsche Medien übernahmen die Versionen des Madrider Blatts und erklärten so ihren Lesern, warum der Staatsstreich so selbstverständlich war. Zum Medien-Gau kam es, als El País und alle jene Zeitungen, die sich an ihr orientiert hatten, über die Rückkehr von Chávez aus der Gefangenschaft ins Präsidentenamt berichten mussten.

Dass El País weiterhin eine Gefahr für die progressiven Regierungen in Lateinamerika und auch für deren Solidaritätsbewegungen in Europa darstellt, zeigt die aktuelle Berichterstattung. Ihr ärgster Kritiker, der spanische Journalist Pascual Serrano, warnte vor den Manövern von PRISA in Bolivien. Deren Ziel sei es, den demokratisch gewählten Präsidenten Evo Morales zu stürzen. Dazu nutze der Medienmulti seine landesweit erscheinende Zeitung La Razón, das nur im Regierungssitz La Paz vertriebene Blatt Extra und die Fernsehstation ATB.

In Europa hat sich El País in den Dienst des kolumbianischen Präsidenten Álvaro Uribe gestellt und führt dessen Anti-Guerilla-Kampf journalistisch fort. Eine besondere Rolle kommt dabei der Reporterin Maite Rico zu. Sie durfte schon den Mord am Guerilla-Kommandanten der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) Raúl Reyes im März 2008 schönreden und auch die angebliche Geiselbefreiung Anfang Juli in den prächtigsten Farben darstellen. Rico hat zusammen mit dem französischen Journalisten Bernard de la Grange versucht, den zapatistischen Subcomandante Marcos publizistisch zu entmythifizieren. Außerdem behauptet das Duo, die Überführung der Gebeine des Che von Bolivien nach Kuba wäre eine gefakte Propagandaaktion gewesen. Jetzt erhielt Rico erneut Einblick in die angeblichen Computerdateien von Reyes, um die spanische Lateinamerika-Aktivistin Remedios García als Unterstützerin der FARC zu kriminalisieren. Die EU führt die Guerilla seit 2001 als "terroristische Organisation". Nach der Verhaftung von García übernahm El País die mediale Vorverurteilung, musste aber zurückrudern, als die spanische Justiz die Aktivistin gegen Kaution freiließ. Dann kam Rico ins Spiel, die unter Berufung auf angebliche Emails aus Reyes' Laptops versuchte, den Ruf ihres Blattes zu retten und den von García weiter zu schädigen. Die Attacken auf García lassen befürchten, dass El País künftig nicht nur die linken Organisationen und Regierungen in Lateinamerika diffamieren wird, sondern auch alle Europäer, die sich mit ihnen solidarisch erklären.