Kolumbien

Proteste gegen Gesundheitsreform in Kolumbien

Uribe-Regierung nach Unterzeichnung von Notstandsdekreten in der Kritik

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Proteste gegen Gesundheitsreform in Kolumbien
Demonstration gegen Notstandsgesetze und weitere Privatisierung der Gesundheitsversorgung

Bogotá. Die Reform des Gesundheitswesen sorgt in Kolumbien für Proteste. Am vergangenen Wochenende demonstrierten landesweit tausende Kolumbianer gegen insgesamt 15 von Präsident Álvaro Uribe erlassene Dekrete. Bereits im Dezember letzten Jahres hatte dieser den "sozialen Notstand" ausgerufen. Die auf dieser rechtlichen Grundlage erlassenen Dekrete sollen nach offiziellen Angaben einen Kollaps des chronisch unterfinanzierten Gesundheitssystems verhindern. Kritiker werfen der Regierung hingegen vor, eine umfassende Reform ohne Diskussion durchzusetzen und befürchten eine noch tiefere Spaltung der Zwei-Klassen-Medizin durch die weitere Privatisierung des Gesundheitswesens.

Für kostspielige Leistungen, die nicht von der Grundversorgung abgedeckt werden, werden zukünftig je nach finanziellen Situation der Patienten neue Regelungen für Zuzahlungen gelten. Berücksichtigt werden soll dabei nicht nur das Einkommen, sondern auch etwaige Ersparnisse oder andere Rücklagen. Patienten, die sich teure Behandlungen nicht leisten können, haben die Möglichkeit, Geld bei dem staatlichen Fonds Fonprés zu beantragen. Dieser zahlt jedoch nur solange, bis ein festes jährliches Budget aufgebraucht ist.

Ein weiterer umstrittener Punkt der Reform betrifft Einschränkungen für Ärzte bezüglich der Vergabe von Medikamenten. Ärzte, die zukünftig Medikamente verschreiben, die nach Ansicht der Regierung zu teuer sind, können dafür mit Geldstrafen sanktioniert werden. Darüber hinaus sehen die Dekrete unter anderem eine Erhöhung der Steuern auf Tabak, Alkohol und Glücksspiel vor, um zusätzliche Einnahmen zu generieren.

Der Studierende Juan Ortiz, der die Proteste vom Wochenende mitorganisiert hat, bezeichnete die Dekrete als "gegen die Patienten gerichtet". Begünstigt würden lediglich "einige private Unternehmen", kritisierte er in Anspielung auf die privaten Krankenkassen, die im kolumbianischen Gesundheitssystem eine wichtige Rolle spielen. Auch zahlreiche Ärzte protestierten gegen die Maßnahmen. Juan Pablo Poveda, der Präsident der unabhängigen Organisation Kolumbianische Allgemeinmediziner, sagte, Ziel der Maßnahmen sei, "dass sich die Ärzte zweimal überlegen, ob sie einem Patienten verschreiben, was er benötigt".

Die Regierung widersprach der Kritik. Das Gesundheitssystem werde durch die Dekrete nicht nur vom Bankrott gerettet, sondern verbessert, ließ Präsident Uribe verlauten. Weder sei die Autonomie der Ärzte in Gefahr, noch werde die Situation für die arme Bevölkerung oder die Mittelklasse verschlechtert, da die Zuzahlungen nur Wohlhabende beträfen. Laut Diego Palacio, dem Minister für soziale Sicherung, solle durch die Dekrete "garantiert werden, dass alle Kolumbianer Zugang zur Gesundheitsversorgung haben". Die bestehenden Teile des Gesundheitssystems würden zusammengeführt und ausgeweitet.

Seit 1993 basiert das kolumbianische Gesundheitssystem auf zwei Säulen. Abhängig Beschäftigte zahlen einen Teil ihres Lohns in ein Beitragssystem ein. Arbeitslosen oder in der informellen Ökonomie Beschäftigten steht ein subventioniertes System offen, dass eine minimale Basisversorgung sicherstellen soll. Für diese fallen je nach sozialer Situation der Patienten unterschiedlich hohe Zuzahlungen an. Da die Versicherungen in vielen Fällen jedoch die Behandlungskosten verweigern, ist ein umfassender Schutz nur durch private Zusatzversicherungen möglich.


Bildquelle: TeleSur