Chile / Menschenrechte

UN-Kritik an Chiles Anti-Terror-Gesetz

UN-Sonderberichterstatter Ben Emmerson übergibt chilenischer Regierung einen Bericht mit Empfehlungen zum Mapuche-Konflikt

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UN-Sonderberichterstatter Ben Emmerson
UN-Sonderberichterstatter Ben Emmerson

Santiago de Chile. Nach einem vierzehntägigen Aufenthalt in Chile hat der UN-Sonderberichterstatter für Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte, Ben Emmerson, der chilenischen Regierung persönlich einen Bericht mit Empfehlungen zum Umgang mit dem Mapuche-Konflikt überreicht.

Emmerson traf sich während seines Aufenthaltes mit Vertretern von Mapuche-Gemeinden und Menschenrechtsorganisationen. Außerdem besuchte er  Familienangehörige der bei einem Brandanschlag im Januar dieses Jahres umgekommenen Eheleute Bernard Luchsinger und Vivianne McKay. Die Großgrundbesitzer sollen einem Attentat von Mapuche-Aktivisten zum Opfer gefallen sein.

Drei Empfehlungen hat Emmerson in seinem Bericht ausgesprochen. Erstens solle der chilenische Staat eine nationale Strategie zum Umgang mit der Mapuche-Problematik entwickeln. Dazu bedürfe es eines politischen Paradigmawechsels. Ein Eckpfeiler dieser neuen nationalen Strategie wäre demnach die konstitutionelle Anerkennung der Mapuche als indigenes Volk innerhalb des chilenischen Staates, sowie die Schaffung eines Ministeriums für indigene Angelegenheiten. Gegenüber der chilenischen Tageszeitung La Tercera sagte Emmerson, das neue Ministerium müsse "eine Lösung finden für die historische Schuld des chilenischen Staates und die Gewaltspirale beenden, bevor sie völlig außer Kontrolle gerät." Die Situation in den südlichen Bundesstaaten Araucania und Bio Bio, Regionen mit hohem Mapuche-Anteil, sei extrem instabil, so Emmerson.

Zweitens soll eine neue Einrichtung geschaffen werden, die Anzeigen in bezug auf Polizeigewalt gegen Mapuche nachgeht. "Die Staatsanwaltschaft hat eine indifferente Haltung gegenüber gewalttätigem Vorgehen gegen Mapuche-Gemeinden entwickelt, das ist inakzeptabel", so Emmerson. Er bezog sich indirekt auf den Freispruch des chilenischen Militärpolizisten Walter Ramírez Inostroza, welcher 2008 den jungen Mapuche Matías Catrileo erschoss.

Drittens übte Emmerson harsche Kritik am chilenischen Anti-Terror-Gesetz. "Die Anwendung des Anti-Terror-Gesetzes muss sofort eingestellt werden", unterstrich der UN-Sonderberichterstatter. Dieses werde in einer willkürlichen und diskriminierenden Art und Weise angewandt, hauptsächlich gegen das Volk der Mapuche, so Emmersons Einschätzung. Das Gesetz war 1984 noch unter der Herrschaft von General Augusto Pinochet beschlossen worden. Seine primäre Absicht war es, das Strafmaß für Oppositionelle zu erhöhen. Es ist eines der strengsten Gesetze im chilenischen Rechtssystem. Danach kann bei bestimmten Straftaten die Strafe verdoppelt werden. Außerdem erlaubt es eine Verurteilung auf der Basis anonymer Zeugenaussagen. "Chile ist von der internationalen Terrorgefahr verschont geblieben", erklärte Emmerson. "Terrorismus ist kein juristischer Terminus, sondern ein politischer, von daher wird das Anti-Terror-Gesetz falsch angewandt." Die Aufgaben des Anti-Terror-Gesetzes könnten von allgemeinen Bundesgesetzen abgedeckt werden, so Emmerson.

Die chilenische Regierung hat den Bericht bisher noch nicht kommentiert.