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Polen klagt gegen argentinische Zeitung Página12

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Página12, "Polen sollte auch gegen mich Klage erheben“
Página12, "Polen sollte auch gegen mich Klage erheben“

Warschau/Buenos Aires. Die argentinische Tageszeitung Página12 ist wegen eines Artikels über das Massaker an Juden im polnischen Jedwabne während der deutschen Besatzung im zweiten Weltkrieg von der konservativen Polnischen Liga gegen die Diffamierung (RDI) angezeigt worden.

Am 18. Dezember 2017 veröffentlichte Página12 den Beitrag "Rostros familiares“ (Vertraute Gesichter) von Federico Pavlovsky. Darin beschreibt der Journalist und Psychologe, wie am 10. Juli 1941 in Jedwabne im Nordosten Polens 1.600 Juden zuerst von den Dorfbewohnern gedemütigt und später in einem Kornspeicher lebendig verbrannt wurden. "An dem Tag haben 1.500 Personen andere 1.600 Personen umgebracht. Sie waren Bewohner jüdischer Herkunft. Bei dieser Vernichtungsaktion wurde kein Unterschied zwischen Frauen, Männern, Kindern oder älteren Leuten gemacht", heißt es in dem Artikel.

Dieses Massaker wurde lange Zeit von polnischer Seite geleugnet, bis der jüdische polnische Autor Jan Tomasz Gross mit den sieben Überlebeden sprach. Gross untersuchte auch die Akten zu zwei Gerichtsprozessen, die 1943 und 1953 von den Behörden des Landes durchgeführt wurden. Seine Recherche veröffentlichte er 2001 in dem Buch "Die Nachbarn: Die Vernichtung der jüdischen Gemeinde von Jedwabne". Die Nazis hätten das Massaker nicht verübt, auch nicht angeordnet. Sie hätten zugesehen und das Verbrechen fotografiert. Das Massaker wurde von Nachbarn, von "gewöhnlichen Personen durchgeführt", so Pavlovsky in seinem Artikel weiter.

Am 2. März 2018 reichte die RDI Klage gegen Página12 ein, einen Tag, nachdem das neue sogenannte Holocaust-Gesetz in Kraft getreten ist. Laut diesem Gesetz ist es nun verboten den polnischen Staat und/oder das polnische Volk für die Vernichtung von Juden während des Nationalsozialismus mitverantwortlich zu machen. Wer gegen das Gesetz verstößt, dem drohen bis zu drei Jahre Haft. Von Regierungsseite hieß es, man wolle sich beispielsweise dagegen wehren, dass die Vernichtungslager der Nazis in Polen als "polnische Lager" bezeichnet werden. Während der deutschen Besatzung 1939–1945 habe die polnische Staatsführung nicht mehr existiert und daher keinerlei Einfluss auf die Geschehnisse gehabt.

Die argentinische Zeitung gibt an, über die internationale Presse von der Anzeige erfahren zu haben. Zahlreiche solidarische Reaktionen folgten. So schrieb der Beauftragte für Menschenrechte in Argentinien, Claudio Avruj, im Kurznachrichtendienst Twitter: "Meine Solidarität mit Página12 und mit Federico Pavlovsky. Ein Gesetz kann nie das Recht auf freie Meinungsäußerung und Forschung einschränken“. Angehörige der Opfer, die nach Argentinien emigriert sind, schrieben in den sozialen Netzwerken: "Polen sollte auch gegen mich Klage erheben".