Brasilien: Ermittlungen im Mordfall Marielle Franco bald auf Bundesebene?

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"Wer hat Marielle Franco ermordet"? Die Bundesbehörden Brasiliens sollen jetzt die Ermittlungen übernehmen
"Wer hat Marielle Franco ermordet"? Die Bundesbehörden Brasiliens sollen jetzt die Ermittlungen übernehmen

Brasília/Rio de Janeiro. Im Mordfall Marielle Franco und Anderson Gomes könnte bald auf Bundesebene ermittelt werden. Am 6. November hat die Abgeordnetenkammer den Antrag angenommen, der die Übergabe des Falls an die Bundesbehörden fordert. Momentan liegt die Zuständigkeit bei der Polizei des Bundesstaates Rio de Janeiro, deren Einsätze in den Favelas Franco immer wieder kritisierte. Die Politikerin und ihr Fahrer wurden am 14. März dieses Jahres im Zentrum von Rio de Janeiro von Unbekannten erschossen.

In Brasilien wurde vor 14 Jahren ein Rechtsinstrument geschaffen, das eine Ermittlung auf Bundesebene ermöglicht, wenn die Straftaten Menschenrechtsverletzungen einschließen. In Francos und Gomes‘ Fall wurde der Antrag einstimmig durch einen externen Ausschuss genehmigt, der die Ermittlungen begleitet. Eine weitere Zustimmung durch eine Plenarsitzung ist nicht notwendig. Der Ausschuss richtete nun ein Schreiben an die Generalstaatsanwaltschaft, die anschließend ein direktes Gesuch an den Obersten Gerichtshof stellt. Dieser entscheidet letztlich über die Änderung der Zuständigkeit.

Die Antragstellerin Maria do Rosário, Abgeordnete der Arbeiterpartei (PT) ist zuversichtlich, denn der Oberste Gerichtshof hatte in ähnlichen Fällen die Übergabe genehmigt. So im Fall Manoel Mattos: Der Menschenrechtsaktivist wurde ermordet, nachdem er öffentlich eine Todesschwadron angeprangert hatte, die zwischen den Bundesstaaten Pernambuco und Paraíba im Nordosten Brasiliens agierte. Damals hatte das Gericht sowohl die Tat als Menschenrechtsverletzung bezeichnet, als auch den Staat Brasilien darauf hingewiesen, dass er als Unterzeichner internationaler Menschenrechtsabkommen diesen auch nachkommen müsse. Außerdem hob das Gericht die Unfähigkeit der regionalen Institutionen und Behörden bei der Strafverfolgung hervor, "sei es aufgrund von Nachlässigkeit, Unterlassung, Trägheit, Ineffizienz oder mangelndem politischen Interesse". Do Rosário betont, dass der Fall von Franco und Gomes die selben Voraussetzungen habe und daher eine umfassende Untersuchung erfordert: "Der Staat ist dafür verantwortlich, aufzuklären, wer Marielle getötet, wer den Auftrag gegeben, wer ihn ausgeführt, wer dafür gezahlt hat und was die Morde bedeuten. Doch bis jetzt sehen wir nicht, dass dafür die Bedingungen gegeben sind“.

Seit am 1. November eine Untersuchung durch die Bundespolizei eingerleitet wurde, wird der Fall parallel von zwei Behörden untersucht: Die Bundespolizei soll klären, ob es eine Gruppe des organisierten Verbrechens gibt, die die Aufklärung des Falles verhindern möchte. Die Behörden des Staates Rio de Janeiro sollen die Umstände des Doppelmordes aufklären. Wenn der Gerichtshof den Antrag annimmt, würde auch Letzteres auf Bundesebene fortgeführt.