Kolumbien: Staat übernimmt Verantwortung für Mord an Professor Freytter

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Nach 19 Jahren erkannte der kolumbianische Staat seine Verantwortung für den Mord an Jorge Adolfo Freytter Romero an
Nach 19 Jahren erkannte der kolumbianische Staat seine Verantwortung für den Mord an Jorge Adolfo Freytter Romero an

Bogotá. Die Regierung von Kolumbien hat die Familie des ermordeten Universitätsdozenten, Gewerkschafters und Juristen Jorge Adolfo Freytter Romero um Verzeihung gebeten. Seine Angehörigen haben die Entschuldigung nicht akzeptiert.

Freytter wurde am 28. August 2001 nach einer Sitzung mit der Vereinigung der Rentner der Universität Atlántico bei der Ankunft an seinem Haus in Barranquilla von Mitgliedern der militärischen Spezialeinheit gegen Entführung und Erpressung (Gaula) sowie von Paramilitärs der Vereinigten Selbstverteidigungskräfte Kolumbiens (AUC) angehalten und entführt. In einem Lagerhaus wurde er erniedrigt und gefoltert und schließlich getötet. Aufgefunden wurde sein Leichnam am Rand der Straße Ciénaga – Baranquilla.

Während rund 20 Jahren war Jorge Adolfo Freytter Romero Professor an der Universidad del Atlántico. In dieser Zeit engagierte sich der Humanist auch als Gewerkschafter. Er prangerte Unregelmäßigkeiten bei der Bezahlung von Renten und generell die mangelhafte Administration der Universität Atlántico an. Und er wies auf die Allianzen von Paramilitärs und Politikern hin, die es auf das Budget der Bildungseinrichtung abgesehen hatten.

Nach der Ermordung von Freytter wurde seine Familie bedroht. Seine Söhne Franco und Florián gingen deswegen ins Exil. Von dort aus kämpften und kämpfen sie für die Wahrheitsfindung im Zusammenhang mit dem Verbrechen an ihrem Vater und prangern weitere Morde an: Zwischen 1996 und 2006 wurden 30 Angehörige der Universität Antlántico umgebracht.

Anlässlich einer virtuellen Zeremonie "der Anerkennung der Verantwortung des Staates" (Acto de reconocimiento de responsabilidad del Estado) hat Camilo Gómez Alzate, Direktor der Agentur der Rechtsverteidigung des Staats (Agencia de Defensa Jurídica del Estado) die Verantwortung des kolumbianischen Staates für das Verbrechen an Freytter übernommen. Diese Tat, die als Verbrechen gegen die Menschheit eingestuft wurde, hätte nie geschehen dürfen, erklärte er. Den Universitätsprofessor charakterisierte er als eine Person, die sich für ein würdiges Land und für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzte. Gómez entschuldigte sich bei den Familienangehörigen und bat um Verzeihung.

Freytters Söhne fordern indes, dass alle Verantwortlichen für den Mord an ihrem Vater zur Rechenschaft gezogen werden. Heute seien die Namen der direkt an dem Verbrechen beteiligten Personen bekannt, unterstrich Florián Freytter. Ihr Aufenthaltsort ist jedoch unbekannt. Bislang wurden drei Männer zu Haftstrafen von 18 und 35 Jahren verurteilt. Sie beschuldigten wiederum drei andere Männer namentlich der unmittelbaren Täterschaft. Von großer Bedeutung sei zudem, dass auch die "intellektuellen Autoren" zur Verantwortung gezogen würden.

"Ich kann ihre Entschuldigung wegen der stundenlangen Folter, dem Erdrosseln, den Elektroschocks und Schlägen und der anschließenden Erschießung, die mein Vater erfahren musste, nicht akzeptieren. Ich anerkenne die Geste, aber ich akzeptiere sie nicht, solange der Paramilitär 'Montería' nicht einmal um Verzeihung gebeten hat und die Hintermänner dieses Verbrechens nicht gefasst sind", erklärte Franco Freytter.

Die Straflosigkeit im Fall Freytter ist in Kolumbien bekanntermaßen keine Ausnahme und stellt eines der wesentlichsten Probleme im kolumbianischen Justizsystem dar. Anwälte vertreten die Meinung, Straftäter wüssten, dass sie von der Justiz höchstwahrscheinlich nicht belangt werden und dass deswegen auch die Verbrechen weitergingen.