Historisches Urteil: Chiquita finanzierte Todesschwadronen in Kolumbien

US-Gericht verurteilt Bananenkonzern wegen der Finanzierung paramilitärischer Kräfte zur Durchsetzung der kommerziellen Interessen

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Geschworene haben Chiquita Brands für die Finanzierung von Paramilitärs verurteilt
Geschworene haben Chiquita Brands für die Finanzierung von Paramilitärs verurteilt

Miami/Bogotá. Ein US-Geschworenengericht in Miami hat am 10. Juni den Bananenkonzern Chiquita Brands International für die Finanzierung der Vereinigten Selbstverteidigungskräfte von Kolumbien (Autodefensas Unidas de Colombia, AUC), einer paramilitärischen Todesschwadron, verurteilt. Chiquita muss 38 Millionen Dollar Entschädigung an die Hinterbliebenen von acht ermordeten kolumbianischen Plantagenarbeitern zahlen. Dies ist ein erster und bedeutender Erfolg für die Familien von Opfern der paramilitärischen Gewalt in Kolumbien nach langwierigen 17 Jahren Gerichtsverfahren.

Das historische Gerichtsurteil bestätigt, dass Chiquita die AUC wissentlich aus Profitgier und trotz deren ungeheuerlichen Menschenrechtsverletzungen finanziert hat. In den USA wurden die AUC als terroristische Organisation eingestuft. Durch die Bereitstellung von über 1,7 Millionen Dollar an illegalen Geldern für die AUC zwischen 1997 und 2004 habe Chiquita zu unsäglichem Leid und Verlusten in den kolumbianischen Bananenregionen Urabá und Magdalena an der Karibikküste beigetragen, auch zur brutalen Ermordung unschuldiger Zivilist:innen. Die sogenannten "Schutzzahlungen" an die Paramilitärs hat das Unternehmen eingeräumt. Einige der Opfer von Chiquitas Handlungen und ihre Familien werden nun endlich entschädigt.

Die AUC gelten als eine der grausamsten rechten paramilitärischen Gruppen im bewaffneten Konflikt in Kolumbien, die mit Abstand für die meisten Todesopfer verantwortlich waren. Einst gegründet zur Bekämpfung linker Guerillas wie der Farc, heuerten vor allem Großgrundbesitzer und Unternehmen wie Chiquita Brands diese Paramilitärs an, um ihren Besitz zu verteidigen. Auch der kolumbianische Staat und seine Armee kooperierten mit ihnen, mit der Folge schwerster Menschenrechtsverbrechen. Die Paramilitärs schufen durch Zwangsvertreibungen riesige Landgüter für die Rinderzucht und für Monokulturen wie Bananen und Palmöl. Davon profitierten die großen Unternehmen.

Die Opfer begrüßten die Entscheidung des Gerichts als Anerkennung ihres Leids und als Gelegenheit zur Wiedergutmachung. Nach Jahren des Kampfes, der Unsicherheit und des Leidens sei nun eine Debatte um Gerechtigkeit und Wiedergutmachung eröffnet.

Die US-Menschenrechtsorganisation EarthRights hatte die Opfer seit 2007 juristisch begleitet. Die Klage wurde 2008 mit mehreren anderen Klagen gegen Chiquita zusammengelegt, und der Fall hatte mehrere Stationen durchlaufen, bevor es zu diesem Prozess kam. Laut EarthRights sind diese acht Todesfälle erst der Anfang der möglichen strafrechtlichen Verfolgung von Chiquita. Die im Urteil benannten Todesfälle machten weniger als ein Prozent von tausenden Mordklagen aus, die vor US-Gerichten gegen Chiquita eingereicht wurden.

Dieses Urteil ist das erste, bei dem ein amerikanisches Geschworenengericht ein großes amerikanisches Unternehmen für die Mitschuld an schweren Menschenrechtsverletzungen in einem anderen Land verantwortlich gemacht hat. Earthrights-Direktor Marco Simons nennt das Urteil einen Meilenstein für die Gerechtigkeit. Es sende eine deutliche Botschaft an Unternehmen in aller Welt: Wer von Menschenrechtsverletzungen profitiert, bliebe nicht ungestraft.

EarthRights erklärte seinen tiefen Respekt vor dem Mut und der Entschlossenheit der Opfer bei ihrem Streben nach Gerechtigkeit. Chiquita hat indessen angekündigt, Berufung gegen das Urteil einzulegen.

Es ist nicht das erste Mal, dass das multinationale Unternehmen unter gleichen Vorwürfen vor Gericht steht. Bereits 2007 wurde Chiquita wegen Finanztransaktionen an die AUC verurteilt und zahlte damals eine Strafe von 25 Millionen US-Dollar. Laut EarthRights ging von diesem Geld nichts an die Opfer der Gewalt.

Der multinationale Konzern Chiquita ist 1984 aus der berüchtigten United Fruit Company (UFCO) hervorgegangen. Die UFCO war ein riesiges Unternehmen, das jahrzehntelang die wirtschaftliche Vorherrschaft in mehreren lateinamerikanischen Ländern ausübte. Sie unterstützte autoritäre Regierungen in der Region und setzte sich bei der US-Regierung erfolgreich für den Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten von Guatemala, Jacobo Arbenz, 1954 ein. Dieser hatte Arbeitsrechts- und Landreformen durchgeführt. Der damalige US-Außenminister John Foster Dulles hatte als Anwalt für UFCO gearbeitet und sein Bruder Allen Dulles war Leiter des US-Geheimdienstes CIA.

Der Handel mit Bananen bringt enormen Reichtum. Im Jahr 2022 importierten die USA Bananen aus Guatemala, Honduras, Costa Rica, Mexiko, Ecuador und Kolumbien im Wert von 2,8 Milliarden Dollar. Die Arbeiter:innen, die die mit hoch giftigen Pestizid-Cocktails besprühten Bananen anbauen, ernten, transportieren, säubern und stapeln, erhalten nur einen sehr geringen Anteil an den Einnahmen.

Laut Alistair Smith von der Fairhandels-Organisation Banana Link drängt die Bananenindustrie weiter darauf, beim Handel "die Realität zu akzeptieren" und die Obstpreise von den globalen Discountern vorgeben zu lassen. Stattdessen müssten Smith zufolge die Preise steigen, welche die Supermärkte an ihre Lieferanten zahlen. Diese Preise müssten hoch genug sein, um den Bananenproduzent:innen existenzsichernde Löhne zu garantieren. Die Migration in die USA und nach Spanien sei nach Smith auch auf mangelnde wirtschaftliche Perspektiven in den Bananen produzierenden Ländern zurückzuführen.