Konflikt zwischen Militär und Regierung in Bolivien vorerst beigelegt

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Boliviens Präsident Luis Arce mahnte bei seiner Ansprache die Streitkräfte, sich an die Verfassung zu halten
Boliviens Präsident Luis Arce mahnte bei seiner Ansprache die Streitkräfte, sich an die Verfassung zu halten

La Paz. Nach einem Treffen mit Boliviens Präsident Luis Arce haben die Kommandeure der Streitkräfte zugestimmt, der Justiz und der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) Informationen über die Massaker an Zivilisten in Sacaba und Senkata im November 2019 zu geben.

Bei Militär- und Polizeieinsätzen waren damals fünfzehn Menschen erschossen worden, die an Protesten gegen den Putsch gegen den damaligen Präsidenten Evo Morales teilnahmen.

Die Bewegung zum Sozialismus (MAS) und ihre Präsidentschaftskandidaten Arce und David Choquehunaca hatten in ihrer Wahlkampagne stets betont, dass die Verantwortlichen für diese Verbrechen ermittelt und vor Gericht gestellt würden.

Am 26. November vernahm nun ein Gericht einen der ersten Angeklagten im Fall Sacaba, den Truppenkommandeur von Cochabamba, Alfredo Cuellar, der seitdem wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft im Hausarrest sitzt. Dies hatte heftigen Protest bei den Streitkräften ausgelöst. Der Oberkommandierende Jaime Zabala sagte gegenüber der Presse, die Armee sei "schockiert".

In einem Kommuniqué bezeichneten die Spitzen der Teilstreitkräfte die Situation von Cuellar als "beunruhigend" und erklärten, dass sie nicht "willkürlich" gehandelt hätten, sondern "auf Befehl Handlungen ausführten, die vom Oberbefehlshaber der Streitkräfte, der damaligen Präsidentin Jeanine Áñez, angeordnet wurden". Das militärische Oberkommando in Bolivien, das Alto mando militar, besteht aus dem Präsidenten, der zugleich den Oberbefehl inne hat (Capitán general de las Fuerzas Armadas), dem Verteidigungsminister und dem Oberkommandierenden (Comandante en jefe) der Streitkräfte.

Arce hatte daraufhin bei einer Ansprache vor Marine-Soldaten erneut bekräftigt, dass die "geistigen und materiellen Urheber der politisch-gesellschaftlichen Konflikte und der blutigen Ereignisse" im Zusammenhang des Putsches ermittelt und zur Verantwortung gezogen würden. Seine Regierung stelle der Justiz und der CIDH-Delegation, die die Geschehnisse untersuchen, alle Informationen zur Verfügung.

An die Militärs gerichtet sagte Arce: "Ich möchte den Streitkräften sehr deutlich sagen, dass es nicht möglich ist, der Justiz zu entgehen oder sich ihr zu entziehen. Als bolivianische Regierung und bolivianischer Staat sind wir durch das Mandat unserer Verfassung und der Gesetze verpflichtet, durch die Bereitstellung von Informationen zur Aufklärung der Ereignisse beizutragen".

Nun haben laut Verteidigungsminister Edmundo Novillo die Generäle verbindlich zugesagt, "alle Beweise zu liefern, die bei der Armee vorhanden sind". Es bestünde Konsens, den zuständigen Behörden zu helfen und ihnen Informationen zur Verfügung zu stellen.

Mit seiner öffentliche Aufforderung an das Militär, der Pflicht zur Aufklärung der Massaker nachzukommen, habe der Präsident nicht einen Wunsch geäußert, sondern vielmehr die Einhaltung der Verfassung gefordert. Dessen seien sich die Armeeführer bewusst, so Novillo.

Zudem stellte der Verteidigungsminister klar, dass es bei Verbrechen gegen die Menschheit kein Privileg oder Sondergerichtsbarkeit für Soldaten und Polizisten gebe.

Die Staatsanwaltschaft untersucht derzeit nicht nur die beiden Massaker, sondern ermittelt zugleich gegen Zivilisten und ehemalige Militär- und Polizeichefs wegen Terrorismus und anderer Verbrechen, die beim Staatsstreich und unter der eingesetzten De-facto-Regierung begangen wurden.