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Kongress in Peru verabschiedet neues Agrargesetz, zwei Tote bei Protesten

Gewerkschafter bezeichnen neue Normen als Hohn, Unternehmen gehen sie zu weit. Panamericana wieder von Landarbeiter:innen blockiert

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Landarbeiter:innen blockieren erneut die Panamericana in Peru
Landarbeiter:innen blockieren erneut die Panamericana in Peru

Lima. Zwanzig Tage nach der Aufhebung des alten Agrargesetzes, das Unternehmen zahlreiche Umgehungen arbeitsrechtlicher Mindeststandards ermöglichte, hat der peruanische Kongress nun ein neues Gesetz verabschiedet. Die Neuregelungen stoßen bei Unternehmen und Landarbeiter:innen auf massive Kritik.

Mit 58 Ja-, 31 Nein-Stimmen und 29 Enthaltungen wurde der fünfmal überarbeitete Entwurf angenommen, der Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in der Agrarindustrie einführen soll. Zuvor hatten Landarbeiter:innen seit Anfang Dezember die Fernstraße Panamericana während tagelanger Streiks blockiert und für ein höheres Gehalt und bessere Arbeitsbedingungen protestiert.

Das nun verabschiedete Gesetz sieht unter anderem eine Festlegung des Grundgehalts auf den Mindestlohn in Höhe von 930 Soles vor sowie eine Beschränkung der maximalen Arbeitszeit auf 48 Stunden in der Woche bzw. acht Stunden täglich. Die Auszahlung von Tageslöhnen soll sich ebenso am Mindestlohn orientieren. Hinzu kommt der sogenannte Bono especial por trabajo agrario (Beta), eine Sonderzahlung, die 30 Prozent des Mindestlohnes betragen wird. Für Nacht- und Sonntagsschichten sowie Überstunden sollen weitere Zuschläge folgen.

Ferner werden in dem Gesetz Entschädigungszahlungen bei Kündigungen sichergestellt sowie die Kündigungen schwangerer und stillender Frauen ausgeschlossen. Agrarunternehmen werden darüber hinaus verpflichtet, Räume für stillende Frauen bereitzustellen. Minderjährige dürfen künftig nicht mehr beschäftigt werden.

Auch fiskalisch ergeben sich Veränderungen aus dem neuen Agrargesetz. Unternehmen mit Einnahmen unter 7,3 Millionen Soles pro Jahr sollen bis 2030 demnach 15 Prozent Steuern zahlen, ab 2031 wird dieser Wert auf den regulären Steuersatz von 29,5 Prozent angehoben. Unternehmen mit Einnahmen über 7,3 Millionen Soles pro Jahr müssen 2021 und 2022 ebenfalls 15 Prozent Steuern zahlen, danach steigt der Steuersatz in mehreren Schritten auf den regulären Satz von 29,5 Prozent. Darüber hinaus sollen Landarbeiter:innen mit fünf Prozent an den Gewinnen des Unternehmens beteiligt werden.

Von der neuen Norm ausgenommen sind Agrarunternehmen, die in der Produktion von Tabak, Weizen, ölhaltigen Samen, Ölen und Bier tätig sind.

Unternehmerverbände und Wirtschaftskammern kritisieren das neue Agrargesetz und bemängeln, dass die Frage um den Mindestlohn eine technische sei, die im Konsens mit den Landarbeiter:innen gelöst würde. Das alte Gesetz sei sehr erfolgreich dabei gewesen, Tausende Arbeitsplätze zu schaffen und die Armut in ländlichen Regionen zu reduzieren. In der Vergangenheit hatte dies dazu geführt, dass die Landarbeiter:innen jedoch weit unterhalb des Mindestlohns und zu prekären Bedingungen beschäftigt wurden. Ungeachtet dessen bauen die Unternehmensvertretungen eine Drohkulisse auf, wonach die Regulierung zum Anstieg von informeller Arbeit führen würde.

Dagegen kritisiert Juan Herrera Huanca, Vorsitzender der Federación Nacional de Trabajadores del Sector Agrario, Industrial y Riego del Perú, das neue Gesetz als "Witz" und "Beleidigung". Es orientiere sich nicht an den Bedürfnissen der Arbeiter:innen in der Landwirtschaft. Im Fokus der Kritik stehen die Beta-Zahlungen, die etwa das Einkommen aus Sonntagsarbeit und Überstunden nicht erhöhen würden.

Zudem reguliere die Gesetzesreform befristete Beschäftigungsverhältnisse weiterhin nicht. So sei im Gesetz lediglich festgehalten, dass Arbeiter:innen befristet wie auch unbefristet beschäftigt werden können. Kettenbefristungen würden somit nicht verhindert. Völlig ausgeklammert blieben darüber hinaus Rechte auf kollektive Verhandlungen und das Recht für die Arbeiter:innen, sich in Gewerkschaften zu organisieren, heißt es in einer Stellungnahme der Gewerkschaft Fentagro (Federación Nacional de Trabajadores Agroindustriales).

Unterdessen kommt es erneut an verschiedenen Orten zu Blockaden der Panamericana, der Hauptverkehrsachse des Landes. Bei einem Polizeieinsatz gegen die Protestierenden in der Provinz Virú im nördlichen Departamento La Libertad wurden zwei Zivilisten getötet und zehn verletzt. Das Büro des peruanischen Ombudsmannes forderte das Innenministerium und die Nationalpolizei auf, "so schnell wie möglich zu erklären, was passiert ist".

Allein in der Provinz Virú arbeiten in den 30 dort ansässigen Agarunternehmen 800.000 Menschen unter extrem schlechten Bedingungen.