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Streit um Erinnerungskultur in Chile: Rechte kritisieren "Museum der sozialen Revolte"

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Eingangsbereich des "Museo del Estallido Social"
Eingangsbereich des "Museo del Estallido Social"

Santiago. In Chile ist es im Zusammenhang mit dem "Tag des kulturellen Erbes" zu einem heftigen Streit über das "Museum der sozialen Revolte" gekommen.

Es war aus diesem Anlass in die Liste der zu besuchenden Einrichtungen auf der Museumsseite des Kulturministeriums aufgenommen worden, was umgehend scharfe Kritik auslöste.

Bereits kurz nach den massenhaften Protesten ab Oktober 2019 war die Idee eines Museums geboren und schließlich in Eigenregie im traditionellen Viertel Bellavista nahe dem Platz Baquedano symbolhaft in Platz der Würde umbenannt verwirklicht worden.

Die Idee entstand aus der Notwendigkeit, künstlerische Zeugnisse dieser Zeit zu bewahren, zu dokumentieren und zu reproduzieren, da viele Graffitis und Wandbilder schnell übertüncht, Skulpturen zerstört wurden. Das Museum kann gegen einen freiwilligen Beitrag besucht werden und findet Interesse bei einer breiten Öffentlichkeit. Es finanziert sich durch ehrenamtliche Arbeit, Spenden und im Jahr 2022 mit 19 Millionen Pesos aus dem Staatshaushalt zur Unterstützung privater musealer Einrichtungen.

Als das "Museo del Estallido Social" am letzten Maiwochenende in die offizielle Liste der geöffneten Einrichtungen der Museumsseite des Ministeriums für Kulturen, Kunst und Kulturerbe aufgenommen wurde, war die Empörung in manchen Kreisen groß.

Dabei tat sich unter anderem die Politikerin und ehemalige Präsidentschaftskandidatin Evelyn Matthei Tochter von Fernando Matthei, Luftwaffengeneral und Juntamitglied unter Diktator Augusto Pinochet hervor: "Anstatt Kultur zu säen, erzeugen sie Hass und Spaltungen. Hört auf, Gewalt zu romantisieren und als Kultur zu tarnen."

An die Regierung gerichtet meinte der konservative Bürgermeister der Gemeinde La Florida, einem Wohngebiet der gehobenen Mittel- und Oberschicht: "Sie stachelten zum Hass auf, rechtfertigten Gewalt und unterstützten die Primera Linea."

Als "Primera Linea" wurden während der Revolte die Selbstverteidigungsgruppen bezeichnet, die Demonstrierende gegen Polizeiübergriffe, Wasserwerfer und Greiftrupps schützten.

Der Gründer der ultrarechten Republikaner-Partei und Präsidentschaftskandidat 2021, Felipe Kast, wandte sich ebenfalls an die Regierung: "Es ist eine Ode an die Gewalt, den Hass und die Spaltung der Chilenen, die von der Regierung gesponsert wird."

Die Ablehnung und Diskreditierung einer Kultur von unten, die während eines bedeutenden Moments in der jüngeren chilenischen Geschichte entstand, reiht sich nach Auffassung von Kritikern ein in die Bemühungen rechter, konservativer Kreise, den Militärputsch gegen die demokratische Regierung von Salvador Allende, der sich im September zum fünfzigsten Mal jährt, zu verklären. Indem soziale Proteste als gewalttätig verurteilt werden, solle von den Menschenrechtsverletzungen durch den Staatsapparat während der Militärdiktatur abgelenkt werden.

In einer Erklärung zu den jüngsten Angriffen stellt das Museums-Team fest, dass es sich um ein selbstverwaltetes Projekt handelt, das ausschließlich durch die freiwillige Mitarbeit der Nutzergemeinschaft getragen wird und in keiner Weise vom Staat abhängig ist. Weiter heißt es: "Wir haben Hunderte von Drohungen von denen erhalten, die der Meinung sind, dass dieses Projekt Hass und Polarisierung erzeugt. Paradoxerweise sind sie diejenigen, die den Hass gegen ein Projekt schüren, das aus dem legitimen Recht der Bürgerschaft erwächst, sich zu organisieren und ihr aktives gegenhegemoniales Gedächtnis aufzubauen, das als Gegenpol zur 'offiziellen Geschichte' der Medien aufgebaut wird, die die Interessen der Oligarchie verteidigen."