Venezuela

Neugründung von Gewerkschaftsverband

Bericht vom Ersten Außerordentlichen Kongress der chavistischen Unión Nacional de Trabajadores (UNT) in Caracas

Venezuelas wichtigster Gewerkschaftsbund, die Unión Nacional de Trabajadores (UNT), führte am 5. Dezember 2009 das Eröffnungstreffen ihres Ersten Außerordentlichen Kongresses durch. Ziel des Kongresses ist die Neugründung des Gewerkschaftsbundes, nachdem 2006 ein Kongress als Folge von internen Machtkämpfen geplatzt war.

Mehrere hundert Gewerkschaftsvertreter aus dem gesamten Land sowie verschiedensten Branchen diskutierten über die internationale und nationale politische und wirtschaftliche Situation, die Krise des Kapitalismus, über die Grundprinzipien des Gewerkschaftsbundes und ein politisches Programm der Arbeiter während der Transformation zum Sozialismus.

Den Vorsitz des Kongresses hatten Sprecher verschiedener Gewerkschaftsströmungen, die die Neugründung des UNT vorantrieben, darunter Stalin Perez Borges von Marea Socialista, Orlando Perez von den Bolivarischen Pädagogen (die auch andere Branchen organisieren) und Marcela Maspero von dem Arbieterkollektiv in Revolution (CTR), die alle in der Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) politisch aktiv sind, sowie Pedro Eudde von der Klassenströmung Cruz Villegas, die der Kommunistischen Partei Venezuelas (PCV) nahe steht.

Maspero, nationale Koodinatorin der UNT seit deren Gründung im April 2003, eröffnete den Kongress und betonte dabei die "historische Bedeutung" der Neugründung des nationalen Gewerkschaftsbundes.

Die Unión Nacional de Trabajadores war ursprünglich als Ad-hoc-Bündnis der Gewerkschaftsströmungen gegründet worden, nachdem der traditionelle Gewerkschaftsverband des Landes, der Verband Venezolanischer Arbeiter (CTV), sowohl 2002 an dem Militärputsch gegen die Regierung von Hugo Chávez, als auch an der vom Management verursachten Stilllegung der Ölindustrie von Dezember 2002 bis Januar 2003 (in einem weiteren Versuch die Regierung Chávez zu stürzen) beteiligt war.

Damals wurde auf dem Gründungskongress eine kommissarische Führung aus 21 nationalen Koordinatoren gebildet, die alle 5 Hauptströmungen repräsentierten. Aufgrund von internen Streitigkeiten über das Wahlverfahren wurden jedoch nie Wahlen abgehalten. Seitdem haben mehrere Strömungen die UNT verlassen, andere haben sich aufgelöst und neue Strömungen sind entstanden.

Maspero sagte, die drei bei diesem Termin anwesenden nationalen Koordinatoren - sie selbst, Stalin Perez Borges und Ruben Linares - von ihrer Position als nationale Koordinatoren zurücktreten würden um bei Neuwahlen erneut zu kandidieren.

In dieser "neuen, wiederbelebten" UNT sollen alle Entscheidungen von den Arbeitern an der Basis getroffen werden, betonte sie.

Auf Maspero folgte Eusse, der im Auftrag des Präsidiums ein Dokument zur Festlegung der wichtigsten Grundsätze vorstellte. Zu diesen Grundsätzen gehören: organisatorische und politische Autonomie, Unabhängigkeit von Staat und Kapital, interne Demokratie, Solidarität der Arbeiter, Internationalismus, Einheit, Gleichberechtigung der Geschlechter und die Ablehnung eines Klassenkompromisses.

Stalin Perez Borges stellte dann ein Dokument vor, dass ebenfalls verabschiedet wurde, bezüglich der "Aufgaben der Arbeiterklasse und des Übergangs zum Sozialismus" und betonte "die Erfordernis eines unabhängigen und demokratischen Gewerkschaftsverbandes für den Kampf gegen den Kapitalismus, den Imperialismus und konterrevolutionäre Bürokratie."

Das Dokument enthielt eine Reihe an wirtschaftspolitischen Vorschlägen wie die Verstaatlichung der Banken unter demokratischer Kontrolle der Arbeiter und der Bevölkerung, die Einrichtung eines Staatsmonopols auf Außenhandel und die Verstaatlichung aller essentiellen und strategischen Industriezweige, die weiterhin in der Hand von privaten Großeigentümern oder transnationalem Kapital sind.

Der Kongress drückte auch seine Solidarität mit den Arbeitern aus, die an etlichen Arbeitskämpfen beteiligt sind, insbesondere an dem Kampf in dem Mitsubishi Werk im Bundesstaat Anzoátegui. Dort hat das Arbeitsministerium einer Anordnung der Konzernführung zugestimmt, 150 Arbeitern, darunter 11 Gewerkschaftsführern, den Zutritt zu untersagen, nachdem die japanische Firma einen Antrag einreichte, die Arbeiter wegen ihrer Beteiligung an Streiks und Protesten außerhalb des Werks im Februar und März dieses Jahres zu entlassen.

Zu den auf dem Kongress vertretenen Branchen gehörten unter anderem Beschäftigte der Elektro- und Pharmaindustrie, Lehrer, Angestellte der Medien-, Gas-, Petro- , Öl-, Automobil-, und Grundstoffindustrie, Angestellte aus den Bereichen Öffentliche Verwaltung, Banken und Finanzsektor, Textilindustrie, Hotel, Gastronomie, Gesundheitswesen sowie Hafen-, Flughafen- und Zollarbeiter, sowie Arbeiter aus der Baubranche. Daneben waren Arbeiter einiger besetzter Fabriken unter Arbeiterkontrolle anwesend.

Nach dem Debakel des Kongresses 2006 war die Resonanz der Arbeiter auf diesem außerordentlichen Kongress überwiegend positiv.

Der Ölarbeiter Pedro Moreno sagte gegenüber Venezuelanalysis.com, "nach heute gibt es kein zurück, wir bewegen uns definitiv nach vorne" bei dem Aufbau eines starken, neu belebten Gewerkschaftsbundes.

Gustavo Martinez, Vertreter der Vereinten Gewerkschaft der Arbeiter von Fama de America, einer kürzlich verstaatlichten Kaffefabrik, begrüßte die "starke anti-bürokratische Gesinnung, die die Konferenz wiederspiegelt."

Insgesamt wurden 40 Resolutionen verabschiedet, 15 davon hat das Präsidium eingebracht und 25 initiierte das Kongress-Plenum. Eine neue kommissarische Führung aus 98 regionalen, nationalen und Branchen-Vertretern wurde durch eine Versammlung der Kongressdelegierten gewählt.

Zu den Aufgaben der neuen kommissarischen Führung gehören der Entwurf einer Satzung für den Gewerkschaftsbund, die Klärung und Formalisierung von Gewerkschaftszugehörigkeit um Wahlberechtigungen festzustellen und die Organisation des für Juni 2010 angesetzten landesweiten Urnengang.

Die zweite Sitzung des Ersten Außerordentlichen Kongresses ist für den 20. Februar 2010 geplant.


Den englisch-sprachigen Originalbeitrag von venezuelanalysis.com finden Sie hier.

Bildquelle: venezuelanalysis.com