Haiti / Politik

Kenias Polizeimission in Haiti mit ungewisser Zukunft

Premier Conille und USA fordern Umsetzung der zugesagten multinationalen Hilfen ein. Verengung auf Kriminalitätsbekämpfung und Zurückweisung von Dialog mit den "Banden" ein Irrtum?

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Die Erzählung des US-Außenministeriums: "Haiti" hat um die internationale bewaffnete Intervention gebeten
Die Erzählung des US-Außenministeriums: "Haiti" hat um die internationale bewaffnete Intervention gebeten

Port-au-Prince. Der Befehlshaber der Multinationalen Sicherheitsmission (Multinational Security Support - MSS) in Haiti, Godfrey Otunge, hat "die Bandenchefs in Haiti" gewarnt, dass sie sich nicht mehr verstecken könnten, wenn seine Truppen in naher Zukunft mit ihren Operationen beginnen. Otunge äußerte dies bei einem Treffen mit dem Sonderbeauftragten des Generalsekretärs der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Haiti, Cristóbal Dupouy.

Die Formulierung einer Ankündigung "in naher Zukunft" lässt aufhorchen, da die kenianischen und einheimischen Einsatzkräfte bereits vor vier Wochen erstmals in größerem Umfang gegen "Banden" vorgingen (amerika21 berichtete).

Medien der benachbarten Dominikanischen Republik sind in einen von Kampagnen der Aufstandsbekämpfung bekannten Bodycount verfallen. Sie berichteten, dass sieben mutmaßliche Banditen während eines Einsatzes der hoch militarisierten Polizei in der westlich der Hauptstadt gelegenen Gemeinde Gressier erschossen wurden. Dabei sei ein Kalaschnikow-Gewehr beschlagnahmt worden.

Die staatliche Nachrichtenagentur der Nachbarinsel Kuba, Prensa Latina, schilderte: "Die Banden in Haiti beginnen eine weitere Woche mit ihrer intakten Herrschaft". Die von den Vereinten Nationen versprochenen Truppen sind noch immer nicht in Haiti eingetroffen. Von den 1.000 geplanten kenianischen Einsatzkräften sind bisher nur 600 vor Ort, die personellen Zusagen anderer Länder nicht umgesetzt.

Die Kenianer seien nicht mehr auf der Straße zu sehen, seit Bandenmitglieder einem von ihnen in die Schulter geschossen hätten. Sie verblieben in ihrer Basis, "um Französisch und Haitianisch zu lernen", so die Nachrichtenagentur weiter.

Ein Nachrichtenportal der Dominikanischen Republik bezeichnete die Lage als kritisch. Die "Banden" hätten ihren Einfluss in mehreren Bereichen der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince und anderen Regionen des Landes gar ausgeweitet.

Der MSS-Befehlshaber nannte als "gute Fortschritte", dass die Beziehungen zu Premierminister Garry Conille und dem Generaldirektor der Nationalen Polizei, Normil Rameau, "eng und herzlich" seien.

Der haitianische Premierminister äußerte sich jedoch besorgt über die schleppende Unterstützung der Mission und sagte, dass die Hilfe der internationalen Gemeinschaft "zu langsam kommt und die Menschen ungeduldig werden".

Die USA bekräftigten indes die "entscheidende" Rolle der MSS bei der Bekämpfung der Gewalt in Haiti. Der Staatssekretär im US-Außenministerium für Angelegenheiten der westlichen Hemisphäre, Brian A. Nichols, wiederholte jüngste Forderungen nach mehr Unterstützung für die Mission.

"Wir fordern weiterhin eine breite Unterstützung der Mission durch Geber, insbesondere aus der Region, in Form von Finanzmitteln, Personal und Sachleistungen. Die MSS (Multinationale Sicherheitsunterstützung) muss angemessen unterstützt werden, um ihre Ziele zu erreichen", erklärte Nichols auf der Platform X.

Er bezeichnete die Lage in Haiti als ernst und warnte vor einer "Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit in der Region".

Der US-Offizielle sagte, dass die von Kenia angeführten Polizeibeamten auf haitianischem Territorium seien, um die Kapazitäten der nationalen Polizei zu verbessern und den Weg für eine langfristige Stabilität im Land zu ebnen.

Nichols äußerte sich wenige Tage, nachdem Premierminister Conille seine Kritik vor den Botschaftern der USA und Kanadas in Haiti, hochrangigen Vertretern anderer Länder und mehreren internationalen Organisationen vorbrachte.

Ein leitender General der kenianischen Mission bekräftige in dieser Situation: "Unser Ziel ist klar: Wir wollen die Bandenstrukturen zerschlagen und sicherstellen, dass die Bandenführer vor Gericht gestellt werden".

Zu Beginn der Mission hatte der Premierminister Haitis die Weichen dahingehend gestellt, dass es sich um eine reine Aufgabe der Kriminalitätsbekämpfung handele. Als der einflussreiche Anführer der irregulären bewaffneten Kräfte in Haiti, Jimmy Cherizier, Conille die Niederlegung der Waffen vorgeschlagen hatte, um "einen nationalen Dialog" und "die Wiederherstellung des Friedens" zu fördern, hatte der Premier dies zurückgewiesen (amerika21 berichtete).

Der ehemalige Polizist Cherizier ist zum Sprecher einer "Koalition von Banden" geworden, die unter dem Namen Vivre Ensemble (Zusammenleben) bekannt ist. Seiner Auffassung nach seien die bewaffneten Banden nicht als solche, sondern als rebellische Kräfte zu betrachten.