Honduras

Honduras am Scheideweg

Während sich die USA und Brasilien in der UNO um eine Lösung der Krise bemühen, kommen aus dem mittelamerikanischen Land Berichte über erste Tote

Mit dieser Entwicklung hatte selbst die Demokratiebewegung in Honduras nicht gerechnet. Die Anführer der Nationalen Front gegen den Staatsstreich (1), dem zentralen Protestbündnis gegen das Putschistenregime, hatten in Tegucigalpa am Montagmittag gerade eine Pressekonferenz begonnen, als sie die Nachricht erreichte: Knapp drei Monate nach dem Staatsstreich in dem mittelamerikanischen Land ist der gewählte Präsident Manuel Zelaya zurückgekehrt. Wenig später meldete sich der 57-Jährige aus der brasilianischen Botschaft. Tausende Menschen strömten zu der diplomatischen Vertretung, um dem Staatschef zu begrüßen und ihn zu beschützen. Für das Putschregime ist die Rückkehr eine klare Niederlage. Die Machthaber hatten in den vergangenen Wochen mehrfach versucht, die Einreise des Politikers zu verhindern.

Ebenso überrascht wie seine Widersacher reagierte das Regime unter Führung des ehemaligen Parlamentspräsidenten Roberto Micheletti. Zunächst leugnete das Putschoberhaupt die Präsenz Zelayas. Es handele sich um eine Medienfinte, so Micheletti, nach dessen ersten Angaben sich Zelaya tatsächlich "in einer Hotelsuite in Managua" befand. Als sich die Anwesenheit des Präsidenten nicht mehr leugnen ließ, reagierten die Putschisten wie gehabt: mit der Einschränkung der Grund- und Bürgerrechte. Unabhängige Redaktionen wurden von der Armee besetzt, Handynetze abgeschaltet und eine Ausgangssperre wurde verhängt. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen ist es seit der Nacht zum Dienstag zu schweren Menschenrechtsverletzungen gekommen. Die argentinische Tageszeitung Página12 berichtete (2) am Mittwoch von drei Toten, darunter ein achtjähriges Mädchen. Über 300 Menschen seien festgenommen, 35 Demonstranten mit erheblichen Verletzungen in das Uni-Krankenhaus eingeliefert worden.

Nichtregierungsorganisationen begrüßen Rückkehr Zelayas

In Berlin erreichte die Nachricht von der Rückkehr Manuel Zelayas mehrere Vertreter honduranischer Organisationen während einer Veranstaltung zur aktuellen Lage in dem mittelamerikanischen Land. "Diese Nachricht bewegt mich sehr", sagte Reina Rivera von der Menschenrechtsorganisation CIPRODEH (3). "Mit der Rückkehr des Präsidenten erfüllt sich eine der wichtigsten Forderungen der Widerstandsbewegung", fügte Gilda Rivera von der Frauenrechtsorganisation CDM (4) an. Sie sei keine Anhängerin Zelayas gewesen, sagte die Aktivistin. "Aber ich erkenne an, dass Zelaya für die Interessen der Bevölkerungsmehrheit steht", so Gilda Rivera. Seine Rückkehr nach Honduras werde die Demokratiebewegung knapp drei Monate nach dem Staatsstreich "erheblich stärken". Von einer "guten Nachricht" sprach auch der Regionalpolitiker Victor Romero. Der Mitarbeiter der Stadtverwaltung in der Gemeinde Las Lajas nahe der Stadt Comayagua hatte zuvor über die Repression gegen demokratische Strukturen nach dem Putsch berichtet.

Auch deutsche und europäische Organisationen begrüßten die Rückkehr des Präsidenten. Das "Observatorium zur Menschenrechtssituation in Honduras", ein Zusammenschluss von rund einem Dutzend Organisationen aus Europa und Lateinamerika, drängte auf eine "friedliche Lösung nach der Rückkehr des legitim gewählten Präsidenten". In dem gemeinsamen Kommuniqué (5) verurteilen die Organisationen zudem die erneut verhängte Ausgangssperre als "Instrument zur Kontrolle der Bürgerbewegung". Wenn es zu einem Blutbad kommt, so läge dies alleine in der Verantwortung der Putschisten.

Die internationale Menschenrechtsorganisation FIAN (6) und das Bündnis Kopenhagen-Initiative für Zentralamerika (7) forderten den deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier auf, "den Druck auf die De-facto-Regierung zu erhöhen". Nach Ansicht (8) des Europa-Abgeordneten der Linkspartei, Helmut Scholz, "eröffnen sich (durch Zelayas Rückkehr, d. Red.) neue Möglichkeiten für eine politische und friedliche Lösung der durch den Putsch verursachten Krisensituation". Thilo Hoppe, Bundestagsabgeordneter der Grünen und Vorsitzender des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, bezeichnete (9) die Rückkehr Zelayas als "wichtige Etappe auf dem Weg zurück zur Demokratie in Honduras".

Putschisten suchen Legitimation durch Wahlen

Tatsächlich ist mit der Heimkehr des gewählten Präsidenten ein Plan der Putschisten zur Konsolidierung ihrer Macht gefährdet worden. Das Micheletti-Regime wollte bislang unter allen Umständen an dem regulären Wahltermin Ende November festhalten. Sowohl die Organisation Amerikanischer Staaten als auch das US-Außenministerium und die Demokratiebewegung lehnen diesen Urnengang jedoch ab. Unter den gegebenen Umständen, sagen sie, sei kein demokratischer Abstimmungsprozess möglich. Die Kritiker begründen ihre Ablehnung durch die allgemeine und zunehmende Gewalt. Jesús Garza von der Menschen- und Bürgerrechtsorganisation CHAAC (10) weist zudem darauf hin, dass die beiden größten am Putsch beteiligten Parteien - die Liberalen und die Nationalen - das Oberste Wahlgericht direkt kontrollieren.

Dennoch versuchen die Putschisten auch nach Zelayas Rückkehr, die Wahlen durchzusetzen. Am Dienstag erklärte (11) der "Außenminister" der Putschregierung, Carlos López Contreras, Micheletti sei zum Dialog mit Zelaya bereit, sofern dieser den Wahlgang unterstütze. Zelaya lehnte ab - offenbar, weil auch er eine nachträgliche Legitimierung des Putsches vermeiden will.

Der internationale Konsens in der Ablehnung der Wahlen unter dem Gewaltregime in Honduras wird allerdings nicht von allen Experten geteilt. In einem Interview (12) mit dem Auslandssender Deutschen Welle forderte der Lateinamerika-Fachmann der deutschen, regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik allem Widerspruch entgegen eine Unterstützung der Wahlen. Mit der Rückkehr Zelayas gestalte sich die Lage "politisch komplizierter", sagte Günther Maihold: "Die internationale Gemeinschaft muss deswegen zum nächsten Schritt bereit sein und die Wahlen Ende November legitimieren." Eine fragwürdige Minderheitenmeinung im internationalen Konzert der demokratischen Stimmen.

Initiative im UNO-Sicherheitsrat

Während aus Honduras stetig Meldungen über neue Gewaltexzesse von Polizei und Armee eintreffen, versuchen die USA und Brasilien offenbar gemeinsam, eine Lösung im Sicherheitsrat der Organisation der Vereinten Nationen zu erreichen. Dieser Schritt würde - zumindest theoretisch - die Möglichkeit zur stärkeren internationalen Intervention öffnen. "Ich hoffe, dass dieser Schritt die Putschregierung zum Nachdenken über die Konsequenzen ihres Handels bewegt", schrieb der honduranische Aktivist Garza in einer über Email verbreiteten Stellungnahme, die Telepolis vorliegt. "Hier will niemand eine internationale Intervention", so Garza, "aber die Übermacht, mit der Funktionäre, Polizei und Armee gegen das unbewaffnete Volk vorgehen, ist schier zum Verzweifeln."

Trotz einer weitgehenden Ausgangssperre hat die Nationale Front gegen den Staatsstreich für den heutigen Mittwochnachmittag (Ortszeit) zu erneuten Massenprotesten gegen die Machthaber in Tegucigalpa aufgerufen. Nach letzten Berichten des Radiosenders Globo - der inzwischen wieder abgeschaltet wurde - fanden auch in anderen Landesteilen Proteste statt. Die Führung der Demokratiebewegung hält nach wie vor an der Strategie des friedlichern Widerstandes fest. Beobachter befürchten jedoch, dass der Konsens zum gewaltlosen Widerstand von einzelnen Gruppierungen aufgekündigt werden könnte. Wie im gesamten mittelamerikanischen Raum sind Kleinwaffen in Honduras weit verbreitet. Eine gewaltsame Gegenwehr könnte jedoch eine noch massivere Repression der bewaffneten Organe nach sich ziehen. Honduras steht Scheideweg. "Tegucigalpa", schreibt Jesús Garza unter dem Eindruck der jüngsten Geschehnisse, "ist eine Stadt im Widerstand."


LINKS

  1. http://contraelgolpedeestadohn.blogspot.com
  2. http://www.pagina12.com.ar/diario/elmundo/4-132255-2009-09-23.html
  3. http://www.ciprodeh.org.hn
  4. http://www.derechosdelamujer.org
  5. http://www.fian.org/noticias/comunicados-de-prensa-1/retorno-a-la-democracia-con-respecto-a-los-derechos-humanos-en-honduras
  6. http://www.fian.de
  7. http://www.cifca.org
  8. http://die-linke.de/nc/politik/aktuell/nachrichten/detail/zurueck/presserklaerungen/artikel/die-linke-erneuert-solidaritaet-mit-praesident-zelaya
  9. http://www.gruene-bundestag.de/cms/presse/dok/305/305923.honduras_praesident_kehrt_zurueck_verhan@de.html
  10. http://chaac.org
  11. http://www.laprensa.hn/Apertura/Ediciones/2009/09/23/Noticias/Ni-la-OEA-ni-la-comunidad-internacional-deben-intervenir
  12. http://www.dw-world.de/dw/article/0,,4714268,00.html

Den Originaltext des Onlinemagazins Telepolis finden Sie hier.