Honduras

Liberale Ehrung für Putschisten

Vor den international kritisierten Wahlen in Honduras ernennt die "Liberale Internationale" Machthaber Roberto Micheletti zu ihrem Vizepräsidenten

Knapp zwei Wochen vor dem regulären Wahltermin in Honduras setzen die Unterstützer des Putschregimes zur politischen Offensive an. Überraschend verkündete am Freitag der Präsident der Liberalen Internationale (1), der Niederländer Hans van Baalen (2), die Ernennung des Machthabers Roberto Micheletti zum Vizepräsidenten des internationalen Zusammenschlusses liberaler Parteien. Es sei eine "Ehre" für ihn gewesen, Micheletti bei einem Treffen in Tegucigalpa von der Entscheidung des Kongresses des Parteienbündnisses zu unterrichten, sagte Van Baalen auf einer Pressekonferenz in der honduranischen Hauptstadt. Die Berufung Michelettis zum zweiten Mann der "Liberalen Internationale", der auch die FDP (3) angehört, soll die putschistischen Kräfte in dem mittelamerikanischen Land stärken. Sie ist zugleich Teil einer regionalen Strategie gegen die anti-neoliberale Staatenmehrheit in Lateinamerika.

Micheletti war nach dem militärischen Sturz (4) des letzten gewählten Präsidenten von Honduras, Manuel Zelaya, am 28. Juni zum Oberhaupt eines zivilen Regimes ernannt worden, das vom Militär gestützt wird. International ist er isoliert. Allem Widerstand im Land und auf internationaler Ebene entgegen will das Regime am 29. November Präsidentschaftswahlen durchführen, um einen Nachfolger Michelettis zu bestimmen. Nach Ansicht von Menschenrechtsorganisationen und der Demokratiebewegung im Land soll durch den Urnengang das Regime - ohne Micheletti - legitimiert werden.

Dementsprechend nahm Van Baalen auf die Abstimmung Bezug. Der honduranische Putschistenchef Micheletti sei von der "Liberalen Internationale" gewählt worden, "weil er den Prozess demokratischer Präsidentschaftswahlen ermöglicht hat", wird der Niederländer von der spanischen Nachrichtenagentur EFE zitiert (5). Das Parteienbündnis werde nun alles daran setzen, dass das Ergebnis der international scharf kritisierten Abstimmung anerkannt wird.

Zuvor hatte die US-Regierung ihre Billigung der Wahlen auch ohne die vorherige Rückkehr Zelayas an die Regierung erklärt (6). Auch wenn die Europäische Union bislang unentschieden ist, zeichnete sich in internen Beratungen zuletzt eine ähnliche Tendenz ab ( EU strebt Normalisierung der Beziehungen zu Honduras an (7)). Er sei davon überzeugt, so Van Baalen, "dass die EU und andere Staaten weltweit die freien und gerechten Wahlen anerkennen".

Massive Zunahme von Folterfällen

Menschenrechtsbeobachter und regierungsunabhängige Organisationen laufen genau dagegen Sturm. Honduras befinde sich "kurz vor einer simulierten Präsidentschaftswahl", schreibt (8) die Schweizer Sektion der Hilfsorganisation medico international. Die Abstimmung unter Kontrolle der Machthaber bedeute eine Verlängerung des Putschregimes über die Wahlen hinaus. Medico international verweist zudem auf einen Bericht der Menschenrechtsorganisation CPTRT (9). Diese habe von Juli bis Oktober 475 Folterüberlebende betreut. Das seien rund 118 dokumentierte Fälle monatlich. Im Vorjahr seien pro Monat lediglich 2,5 Fälle an sie herangetragen worden. "Dies entspricht einer Steigerung der durch das CPTRT dokumentierten Folterfälle von 4750 Prozent", stellen die humanitären Helfer aus der Schweiz fest.

Dass sich die Gewalt durch das Putschregime noch weiter verschärfen wird, ist aufgrund der Ankündigungen Michelettis zu erwarten. 12.000 Soldaten und 5000 Reservisten will der Machthaber in den Einsatz schicken, um seine Wahlen gegen den internen Widerstand durchzusetzen. Präsident Zelaya, der seit seiner überraschenden Rückkehr am 21. September in der von Polizei und Armee belagerten brasilianischen Botschaft eingeschlossen ist, hat sich auch deswegen den Boykottforderungen angeschlossen. Für den 29. November sei ein "antidemokratisches Wahlmanöver" geplant, sagte (10) der linksliberale Politiker. Die Wahl gewähre den Honduranern und den Kandidaten nicht die gleichen Rechte und Freiheiten. Eine Anerkennung der Wahlen würde lediglich den geplanten Betrug legitimieren, sagt auch der Zelaya-Berater Rasel Tomé.

Wahlen in Region nicht anerkannt

Trotz der Unterstützung, die neoliberale Kräfte - unter ihnen die deutsche FDP - und die USA den Putschisten angedeihen lassen, ist der Ausgang des Konfliktes nach wie vor offen. Die Organisation der Vereinten Nationen, die Rio-Gruppe, das Staatenbündnis ALBA und die Mehrheit der Regionalstaaten lehnen die Wahlen unter Kontrolle der Putschisten in Honduras ab.

Im Land hat die Demokratiebewegung massiven Widerstand angekündigt. Das Protestbündnis Nationale Widerstandsfront gegen den Staatenstreich (11) will die Abstimmung sabotieren. Angesichts der Mobilisierung von mehreren zehntausend Mitgliedern der bewaffneten Staatsorgane sind gewaltsame Auseinandersetzungen programmiert.

Dabei hatten die demokratischen Kräfte in Honduras bis zuletzt versucht, eine friedliche Lösung der durch den Umsturz Ende Juni verursachten Staatskrise zu erreichen. Bis vor zwei Wochen verhandelten Unterhändler der gewählten Regierung mit den Putschisten über die Bildung einer Einheitsregierung (12). Präsident Zelaya nahm dafür sogar von der Forderung nach einer Verfassungsreform - eine der Ursachen für seinen Sturz - Abstand. Dennoch verweigerten die Machthaber Zelaya selbst die symbolische Rückkehr an die Staatsspitze und ließen den von der Organisation Amerikanischer Staaten initiierten Prozess scheitern (13). Der Chef der "Liberalen Internationale", Van Baalen, griff die Regionalorganisation nun gar frontal an, weil sie "direkt für den Expräsidenten Zelaya Partei ergriffen" habe.

Nach Ansicht der Demokratiebewegung gibt es keine Aussicht mehr auf eine Verhandlungslösung vor den Wahlen. Zwei Kandidaten - der Gewerkschafter Carlos H. Reyes und der liberale Putsch-Gegner Rodolfo Padilla - haben sich aus dem Wahlkampf zurückgezogen. Nach Ansicht des Zelaya-Beraters Tomé wenden sich 60 Prozent der Bevölkerung gegen die Putschisten. Ob ihr Boykott sich auf das Abstimmungsergebnis am 29. November auswirkt, ist aber fraglich: Die Wahlbeteiligung lag in der Vergangenheit in Honduras kaum über 50 Prozent.

Bedenken in gesamter Region nehmen zu

So setzen die Gegner der gewählten Regierung in Honduras alles daran, den Wahlprozess zu legitimieren. Hans van Baalen kündigte bei seinem Besuch in Tegucigalpa die Entsendung von Wahlbeobachtern durch die "Liberale Internationale" an. Das Parteibündnis reagiert damit offenbar auf die gescheiterte Forderung nach der Entsendung einer Beobachterkommission durch die EU. In internen Beratungen hatte die Europäische Kommission einem solchen Ansinnen ihre Absage erteilt, weil zu wenig Zeit zur Vorbereitung einer Beobachterdelegation blieb. Stattdessen wurden von Brüssel aus drei Experten im Rahmen einer "technischen Mission" entsandt. Die Mitglieder der "Liberalen Internationale" wollen nun willfährige Beobachter nach Honduras schicken. Federführend dabei ist nach Angaben (14) der regimenahen Presse aus Honduras die FDP-nahe deutsche "Friedrich-Naumann-Stiftung".

Zugleich mehrt sich in der Region die Sorge vor einer weiteren Zuspitzung durch neoliberale Kräfte. Vor seinem Freundschaftsbesuch beim honduranischen Machthaber Micheletti hatte der Präsident der "Liberalen Internationale" im benachbarten Nicaragua für einen Eklat (15) gesorgt. Bei seiner Visite am 10. und 11. November rief Van Baalen die Angehörigen der nicaraguanischen Liberalen zum Widerstand gegen die linksgerichtete Regierung von Staatschef Daniel Ortega auf. Die liberalen Kräfte müssten auf jeden Fall eine erneute Kandidatur des ehemaligen Revolutionsführers verhindern, forderte der Niederländer. Vor wenigen Wochen hatten Wahlgericht und Oberster Gerichtshof einer erneuten Kandidatur Ortegas zugestimmt und damit Proteste der Opposition hervorgerufen.

Nach dessen Auftritt in Managua warf (16) Ortega dem Liberalenchef Van Baalen nun die Vorbereitung eines Putsches auch in Nicaragua vor. Der Niederländer habe sich unter einem Vorwand mit hochrangigen Militärs getroffen, um die Möglichkeiten einer Erhebung gegen seine Regierung zu eruieren, so Ortegas Vorwurf. Das Ansinnen sei jedoch am Widerstand der Armeesitze gescheitert.


LINKS

  1. http://www.liberal-international.org
  2. http://www.hansvanbaalen.eu
  3. http://www.liberal-international.org/editorial.asp?ia_id=726
  4. http://www.heise.de/tp/blogs/8/141261
  5. http://www.google.com/hostednews/epa/article/ALeqM5hET_8tbB_TC9EwZzIhGB7VGSia2A
  6. http://www.kansascity.com/444/story/1571163.html
  7. http://www.heise.de/tp/blogs/8/146488
  8. http://www.medicointernational.ch/content/view/186/1/
  9. http://www.cptrt.org/comunicado_tratos%20crueles.html
  10. http://www.prensa-latina.cu/index.php?option=com_content&task=view&id=137881&Itemid=1
  11. http://contraelgolpedeestadohn.blogspot.com
  12. http://www.heise.de/tp/blogs/8/146452
  13. http://www.heise.de/tp/blogs/8/146473
  14. http://www.latribuna.hn/web2.0/?p=55081
  15. http://www.nicaraguahoy.info/dir_cgi/topics.cgi?op=view_topic;cat=NoticiasGenerales;id=57872
  16. http://www.el-nacional.com/www/site/p_contenido.php?q=nodo/108591/Internacional/Ortega-asegura-que-eurodiputado-sondeaba-golpe-en-Nicaragua

Den Originaltext des Onlinemagazins Telepolis finden Sie hier.