Projekt entwirft Zukunftsszenarien für Lateinamerika

Millennium-Projekt stellt Bericht von Zukunftsforschern vor. Kaum alternative Denkansätze in den ausgewählten und erwarteten Entwicklungen

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Logo des UN-Millennium-Projekts
Logo des UN-Millennium-Projekts

Tokio. Das sogenannte Millennium-Projekt, das unter anderem von der UN-Universität getragen wird und ein internationale Netzwerk von Zukunftsforschern darstellt, lädt zur Entwicklung von Szenarien über die Zukunft von Lateinamerika ein. Zu diesem Zweck hatten sich bereits vor einem Jahr über 550 Interessierte aus 60 Staaten an einem speziellen Delphi-Verfahren beteiligt, in dem eine Auswahl an wichtigen und wahrscheinlichen Trends herausgearbeitet wurden (amerika21.de berichtete). Dessen Resultate sind nun öffentlich zugänglich in dem Bericht "Latin America 2030".

Zu den Ergebnissen gehören unter anderem folgende Erwartungen: Im Laufe der nächsten zwanzig Jahre könnte Lateinamerika mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit dem Modell der europäischen Integration folgen, die Nahrungsmittelpreise könnten sich verdoppeln, alle wichtigen Städte könnten mit Breitbandkommunikation vernetzt sein, Tourismus könnte stark ansteigen und das Bruttoinlandsprodukt (BIP) könnte um etwa 50 Prozent anwachsen. Auf der negativen Seite wird erwartet, dass Organisierte Kriminalität mächtiger werden könnte als manche Regierungen, der CO2-Ausstoß stark ansteigt, und Protektionismus zunehmen könnte.

Auffallend hierbei ist, dass kaum wirklich "alternative" Entwicklungslinien gedacht und thematisiert werden, so als könnten künftige Entwicklungspfade auch auf dem südamerikanischen Subkontinent nur nach dem nordamerikanisch-westeuropäischen Muster verlaufen. Die Möglichkeiten der Vertiefung von ALBA oder auch der Ansätze eines "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" werden nicht angesprochen oder weiterverfolgt. Nachhaltige Entwicklung oder fortschrittliche Klimapolitik bilden kein Thema.

In der aktuellen Projektphase geht es den Organisatoren darum, in einem nächsten Schritt Szenarien zu entwerfen. Vermutlich werden ein sehr positives und ein sehr negatives Bild mit überdeutlichen Titeln "Gott ist Lateinamerikaner" bzw. "Desintegration in der Hölle" verwendet werden. An der Gestaltung dieser Szenarien können Interessierte bis Ende März teilnehmen. Die Mitarbeit und der Zugang hierzu ist auf Englisch, Spanisch und Portugiesisch möglich. Angesichts der bisherigen Phantasielosigkeit des Vorhabens und der Ideen für die Szenarien für Lateinamerika bis zum Jahr 2030, erscheint ein Engagement progressiver Experten und Interessenten empfehlenswert.


Dr. Edgar Göll arbeitet als Zukunftsforscher in Salzburg