Kolumbien: Amnestie für 32.000 Paramilitärs

Neues Dekret setzt Gesetz zur Wiedereingliederung in Kraft. Versprechen auf Recht zur Wahrheit und Entschädigung der Opfern enttäuscht

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Opfer des bewaffneten Konflikts: Bilder verschwundener Kolumbianer
Opfer des bewaffneten Konflikts: Bilder verschwundener Kolumbianer

Bogotá. 32.000 ehemaligen Mitgliedern der paramilitärischen Vereinigten Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens (AUC) könnte eine Gefängnisstrafe erspart bleiben. Dies resultiert aus dem Gesetz 1424, das Präsident Santos letzten Mittwoch in Kraft gesetzt hat. Durch den Erlass reglementierte Präsident Santos die juristische Situation der Ex-Angehörigen der AUC, die zwischen 2003 und 2006 als demobilisiert registriert wurden. Jeder Demobilisierte, der bis Ende 2011 eine Vereinbarung der Hohen Kommission für Wiedereingliederung ACR unterschreibt, darf Nutznießer des Gesetzes werden. Darin werden alle Strafen gegen Ex-Mitglieder der AUC aufgehoben, solange sie kein schweres Menschenrechtsverbrechen begangen haben.

"Es handelt sich um einen verdeckten Gnadenerlass", wendet der Chef der Kolumbianischen Juristenkommission ein. Schon im Jahr 2010 hatte das Verfassungsgericht ein ähnliches Gesetz als verfassungswidrig abgelehnt, weil es die Form eines Gnadenerlasses darstellte. Grund dafür war, dass die juristische Maßnahme keine demobilisierten Paramilitärs decken darf, weil sie keine politischen, sondern gewöhnliche Verbrecher sind.

Laut der Regierung unterscheide sich das neue Gesetz von einem Gnadenerlass durch eine neue Reglung. Und zwar müssen sich die Demobilisierten dazu verpflichten, zur Aufklärung der Wahrheit beizutragen. Das Problem dabei sei, dass die Enthüllungen der ehemaligen AUC-Mitglieder nicht juristisch verwendet werden dürfen, erklärt Gallón. Ihre Aussagen werden ausschließlich vor der ACR stattfinden und diese Kommission darf sie nicht an andere staatliche Stellen weiterleiten. Die gesammelten Informationen sollen allein der historischen Rekonstruktion der Taten dienen. Die neuen Regelungen widersprechen dadurch dem Gesetz für Opfer und Land, das Santos vor drei Wochen in Anwesenheit des Generalsekretärs der UNO Ban Ki-moon verabschiedete. Damit wäre die Erwartung enttäuscht, vier Millionen Opfern das Recht zur Wahrheit und Entschädigung zu gewähren, so Gallón weiter.

Hinzu kommt, dass der Demobilisierungsprozeß der Existenz paramilitärischer Strukturen kein Ende gesetzt hat. Laut einem Bericht der NGO Indupaz hat es Ende 2010 noch 7.000 bewaffnete Paramilitärs in 15 der 32 Bundesländer Kolumbiens gegeben.