Verurteilte Militärs verhandeln um Strafnachlass

Inhaftierte Armeeangehörige wollen Urteile mindern. Ermittlungen dauern an. Zivilisten wegen Prämien ermordet

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Gedenken an die Opfer, die als angebliche Guerilleros von der 15. Brigade der Streitkräfte in Sochoa entführt und ermordet wurden.
Gedenken an die Opfer, die als angebliche Guerilleros von der 15. Brigade der Streitkräfte in Sochoa entführt und ermordet wurden.

Bogotá. In Kolumbien haben wegen mehrfachen Mordes verurteile Militärs in direkten Verhandlungen mit der Staatsanwaltschaft eine Reduzierung ihrer Strafen ausgehandelt. An den Konsultationen waren 19 Angehörige des Batallions Boyacá der kolumbianischen Armee beteiligt. Die Mitglieder der im Südwesten des Landes stationierten Einheit sind derzeit wegen der Ermordung von mindestens 15 Menschen inhaftiert. Die kolumbianische Tageszeitung El Tiempo spricht angesichts des Strafnachlasses von einem einmaligen Vorgang. Genaue Angaben zu Strafmaß und Reduzierung wurden nach dem weitgehend geheimen Deal nicht gemacht.

Die Militärs waren verurteilt worden, weil sie getötete Zivilisten als Angehörige der Guerilla oder als Paramilitärs ausgegeben hatten, die ihren Angaben nach bei Kampfhandlungen umgekommen sein sollen. Für die vermeintlichen militärischen Erfolge haben die Mörder Prämien kassiert. Die Tötungsdelikte geschahen zwischen 2007 und 2008. Eine staatsanwaltschaftliche Untersuchung hatte mit der Anzeige der Familie des ecuadorianischen Indigenen José Antonio Otávalo begonnen, der im Grenzgebiet Kleidung verkaufte und in die Hände der Militärs geriet.

Belege für die gehandelten Kleidungsstücke, das Fehlen von Einschusslöchern in der Kleidung und von Patronenhülsen widerlegten die Darstellung von Gefechten. Ein anderer ermordeter Zivilist litt an Gelenkversteifungen der Arme, so dass er unmöglich mit Waffen hätte umgehen können. Die Staatsanwaltschaft fand bei dem betreffenden Bataillon zudem die Waffen und andere Gegenstände, die bei den Taten eingesetzt worden waren. Im Zuge der Verhöre gestand schließlich ein Gefreiter der Einheit die Verbrechen. Ein weiterer Soldat berichtete, dass ein militärischer Vorgesetzter ihm "Urlaub, Auszeichnungen und eine Reise" versprochen habe, sollte er bei der Vertuschung der Morde helfen.

Zu den weiteren Opfern der Militärs zählen Kleinbauern, Obdachlose und Gemüsehändler aus den Gebieten Nariño, Cauca und Bogotá. Andere wurden den Ermittlungen nach an Kontrollposten des Militärs festgenommen und danach an vorbereitete Orte gebracht, wo sie ermordet wurden. In die Hände von toten Opfern wurden Pistolen gelegt.

Der Gefreite Alen Jaimes Pasuy berichtete der Staatsanwaltschaft, dass ihm Vorgesetzte empfohlen hätten, sozial Benachteiligte auszusuchen, die nicht aus der jeweiligen Stadt kommen und wenn möglich keine Dokumente besitzen. Tatsächlich konnten mindestens acht der Opfer der Einheit nicht identifiziert werden, wie die kolumbianische Tageszeitung El Tiempo berichtet.

Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen auf führende Offiziere ausgeweitet. Sie könnten an den Verbrechen teilgenommen, davon gewusst oder sie billigend in Kauf genommen haben.

In der Regel verbüßen verurteilte Militärangehörige ihre Strafe in Militäreinrichtungen. Kritische Stimmen in Kolumbien setzen dies mit Straflosigkeit gleich. In diesem Zusammenhang werden auch Pläne des kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos, seines Verteidigungsministers, hoher Militärs und von Kongressmitgliedern für eine Reform des Militärrechts kritisiert. Ziel der angestrebten Reform ist es, Verbrechen von Militärangehörigen bei der Militärgerichtsbarkeit zu belassen. Kritiker sprechen von einer Institutionalisierung der Straflosigkeit für Menschenrechtsverbrechen des Militärs.