Amerikas

Ortega klagt

Nicaraguas Parlament lehnt "Volksräte" ab - der Präsident zieht vor das Verfassungsgericht

San José. Der erste Staatsbesuch von Nicaraguas Präsident Daniel Ortega im Nachbarland Costa Rica Ende vergangener Woche war für den Sandinisten von schlechten Nachrichten aus seiner Heimat überschattet. "Ich musste von hier aus die Klage meiner Regierung vor dem Verfassungsgericht auf den Weg bringen", erklärte Ortega vor Journalisten. Zuvor hatte der Staatschef sein Veto gegen eine Entscheidung des Parlamentes eingelegt: Am Dienstag hatte die Nationalversammlung in Managua beschlossen, den Regierungsplan zur Einrichtung von "Volksräten" als neue Elemente der Volksdemokratie in den Gemeinden abzulehnen. "Ich sehe diese Entscheidung als Beginn der Wahlkampagne für die Kommunalwahlen 2008. Im Parlament haben sich alle antisandinistischen Kräfte hinter einer US-finanzierten Kampagne zusammengeschlossen", sagte Ortega.

Nicaraguas Präsident kündigte zudem an, dass gegen den spanischen Konzern Union Fenosa eine Untersuchung eingeleitet werde. Vor sieben Jahren hatte das Unternehmen die Verwaltung des Stromnetzes übernommen und lässt es seither verkommen. Stromausfälle gibt es in Managua täglich. Der Unmut in der Bevölkerung ist groß. "Die Privatisierung der Stromnetze durch die Konservativen war ein Fehler", konstatierte Ortega. Nun suche er nach einem Weg, die Zusammenarbeit mit Fenosa zu beenden.

Bei mehreren Auftritten in Costa Rica unterstrich der Nicaraguaner seine Solidarität mit Venezuelas Präsident Hugo Chávez. Gastgeber Oscar Arias -ein rechter Sozialdemokrat und Parteigänger des neoliberalen CAFTA-Freihandelsabkommen zwischen Mittelamerika und den USA - lächelte zwar, schien aber doch pikiert: Auf seiner eigenen Pressekonferenz kam er kaum zu Wort und hatte zudem der Privatisierungskritik des Sandinisten nichts entgegenzusetzen. Ortega vermied es indes, sich in die andauernde Auseinandersetzung um das CAFTA zwischen Mittelamerika und den USA und die darin geplanten Privatisierungen in Costa Rica einzumischen. "Wir sind gegen CAFTA, aber die Entscheidung über die Mitgliedschaft muss jede Bevölkerung für sich treffen", sagte er. Nicaragua hat sich der von Hugo Chávez initiierten bolivarischen Alternative für die Amerikas (ALBA) angeschlossen. Da sich die konservative Vorgängerregierung CAFTA angeschlossen hatte, gehört das Land zugleich dem Abkommen mit den USA an.

Ortega und Arias gelten als Rivalen und hatten seit ihrer Wahl bislang jeden direkten Kontakt vermieden. Dafür entschuldigte sich der nicaraganische Präsident nun: "Bei meiner ersten Rundreise durch Zentralamerika vor zehn Monaten hatte ich keine Gelegenheit, Präsident Arias zu treffen. Ich bedaure das." Frauengruppen nutzten den Staatsbesuch indes für einen Protest gegen das rigide Abtreibungsverbot in Nicaragua. Als Konzession für die Wahlunterstützung konservativer Kreise hatten Ortegas Sandinisten in der Wahlkampagne vor einem Jahr der Abschaffung des therapeutischen Schwangerschaftsabbruches zugestimmt.


Den Originaltext in der Tageszeitung junge Welt finden Sie hier.