Panama

Schüsse in den Rücken

Panama: Zusammenstöße zwischen Polizei und Arbeitern nach dem Tod eines Gewerkschaftsführers

Panama-Stadt. Airomi Smith Rentería ist tot. Der 28jährige Gewerkschaftsführer starb am Dienstag in der panamaschen Provinz Colón - erschossen von der Polizei. Verwundet wurden Felix de Léon, 24, und Donaldo Pinilla, 28 Jahre. Rosaura Renería, die Mutter des Toten, trauert um ihren Sohn und sagte zugleich, sie sei stolz darauf, dass Airomi für die Rechte der Arbeiterklasse gekämpft habe.

Nach dem gewaltsamen Tod des Gewerkschafters hat sich die politische Landschaft des einst so ruhigen Panamas verändert. Es kam zum Aufstand. Am Mittwoch legten die Mitglieder der Baugewerkschaft SUNTRACS das gesamte Land lahm. Mit Straßensperren und Barrikaden brachten Maurer und Zimmerleute am Mittwoch den Verkehr auf den Hauptstraßen des zentralamerikanischen Landes zum Stillstand. Auch die bedeutende Route »Panamericana«, die Atlantik- und Pazifikküste verbindet, wurde blockiert.

Spezialeinsatzkräfte der Polizei gingen mit ungeheurer Härte gegen die Proteste vor, versuchten, die Sperren zu räumen und setzten dabei Tränengas und Wasserwerfer ein. Die Demonstranten, unter denen sich auch Studierende der Universität von Panama und Angestellte aus Sozialeinrichtungen befanden, antworteten mit Stein- und Knüppelwürfen. Es kam zu Verletzungen. Mehr als 200 Demonstranten wurden festgenommen. Das Rote Kreuz registrierte fünf Menschen, die angeschossen wurden. Die Auseinandersetzungen waren von einer in Panama bislang unbekannten Brutalität gekennzeichnet, so dass sich selbst Justizminister Daniel Delgado verwundert gab.

Am Mittwoch abend kommentierte Delgado die Zusammenstöße: »Das zeigt nicht unser Land. Das ist nicht unsere Realität«, behauptete der Mitverantwortliche für die staatliche Gewalt vor Pressevertretern. Er drohte zugleich, es würden »die notwendigen Maßnahmen« ergriffen, um »das Recht der Bürger auf Verkehrsfreiheit« sicherzustellen. Schließlich könnten ja durch die Proteste Investoren abgeschreckt werden. Dagegen verweisen die Gewerkschaften weiter darauf, dass die Arbeiter im Bausektor bislang wenig von den in den vergangenen Jahren immer stärker gewachsenen Gewinnen profitiert haben.

Der Bau- und Immobiliensektor in Panama boomt. Seit fünf Monaten wird der Kanal für veranschlagte 5,24 Milliarden US-Dollar ausgebaut. Die 80 Kilometer lange Wasserstraße wird um einen dritten Schleusenweg erweitert, der es künftig auch den so genannten Postpanmax-Schiffen mit mehr als 294 Metern Länge, 32 Metern Breite und zwölf Metern Tiefgang erlaubt, den Seeweg zwischen Atlantik und Pazifik abzukürzen. In Erwartung der durch den Kanalausbau wachsenden Geschäfte siedeln sich immer mehr Banken, Finanz- und Logistikdienstleister in dem Land an. Während im Zentrum von Panama-Stadt Wolkenkratzer in die Höhe schießen, leben am Stadtrand weiterhin viele Menschen in Hütten. Die Lebenshaltungskosten sind in den vergangenen Jahren enorm gestiegen.

Ursprünglich hatten die Arbeiter für höhere Löhne und die Verbesserung der Sicherheit auf den Baustellen demonstriert. So fanden allein in den vergangenen zwei Jahren 50 Arbeiter bei der Errichtung von Mehrfamilienhäusern und bei Dammaufschüttungen den Tod. Schuld daran waren defekte Gerüste oder fehlende Sicherheitsnetze. Der SUNTRACS-Beauftragte für die Arbeitsplatzsicherheit, Gregorio Guerrel, beklagte: »Hunderte Arbeiter bekommen von den Unternehmen nicht einmal eine Schutzausrüstung gestellt.« Von den schätzungsweise 80000 Arbeitern im Bausektor ist die Hälfte in der SUNTRACS organisiert.

Nach dem Tod von Airomi Smith Rentería, haben sich die Proteste radikalisiert. Die Polizeiführung behauptete tatsächlich, der Beamte habe in Notwehr gehandelt, doch Vertreter der SUNTRACS widersprachen umgehend, sich auf Augenzeugen berufend: Smith sei, als sich eine Demonstration bereits aufgelöst habe, in den Rücken geschossen worden. Die Demonstranten fordern jetzt den Rücktritt von Justizminister Delgado, sowie Polizeichef Rolando Mirones. Sie setzten die Protestmärsche auch am gestrigen Donnerstag fort.


Den Originaltext der Tageszeitung junge Welt finden Sie hier.