Bolivien

Bolivien einen Schritt weiter

Kongress genehmigt Verfassungsreferenden und bremst Autonomie-Bestrebungen

La Paz. Der Kongress in Bolivien hat am Freitagnachmittag (Ortszeit) auf Antrag der Regierungspartei "Bewegung zum Sozialismus" (MAS) grünes Licht für zwei Referenden gegeben. Mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit stimmten Abgeordnetenkammer und Senat Volksbefragungen über die im Dezember ausgearbeitete Verfassungsreform ebenso zu wie einem "beratenden Referendum", über eine gesetzliche Höchstgrenze für Landbesitz. Beide Urnengänge sollen am 4. Mai stattfinden. Ebenfalls beschlossen wurde eine Regelung zu Referenden in den Departements des Landes. Auch auf regionaler Ebene können Volksbefragungen demnach nur vom Kongress anberaumt werden. Die Legislative reagierte damit auf den Vorstoß oppositioneller Regionalpolitiker, eigenmächtig Referenden über selbst entworfenen "Autonomie-Statute" zu organisieren.

Die Abstimmung in La Paz, dem Sitz der Regierung, wurde am Freitag von Tausenden Regierungsanhängern und Vertretern sozialer Bewegungen gefeiert. Kokabauern, Land- und Bergarbeiter aus Staatsbetrieben waren schon seit mehreren Tagen im Regierungs­viertel präsent - auch, um oppositionellen Protesten von vornherein den Raum zu nehmen. Der Senator der rechtsgerichteten Partei Podemos Tito Hoz de Vila stellte die Rechtmäßigkeit des Votums indes in Frage. Die MAS, sagte er in der bolivianischen Presse, habe gegen die Kongressordnung verstoßen. Die Genehmigung der Referenden sei ohne das erforderliche Quorum erfolgt, "weil fünf Senatoren den Saal vor der Abstimmung verlassen haben". MAS-Abgeordneter Iván Canelas sieht das anders. So hätten zwar in einer offensichtlich abgesprochenen Aktion fünf oppositionelle Senatoren den Saal verlassen, bei der Abstimmung dann seien jedoch wieder zwei Stellvertreter ihrer Parteien anwesend gewesen, die für die Regierungsinitiative gestimmt hätten. Diese beiden dissidenten Oppositionspolitiker seien von den eigenen Leuten als "Verräter" beschimpft worden, so Canelas.

Der Kongressbeschluss ist ein bedeutender Erfolg für Präsident Evo Morales, der das Land mit einer novellierten Verfassung "neu gründen" will. Das ist auch notwendig, um das Patt zu überwinden. Der MAS gelingt es zwar weiterhin, in entscheidenden Momenten ihre Anhänger zu mobilisieren. Aber wie schon im Verfassungskonvent versucht eine labile und zerstrittene Opposition, die permanent drohenden Abstimmungsniederlagen aber durch Wahlboykotte zu verhindern, oder Niederlagen nachträglich juristisch anzufechten. Für den Fraktionschef der MAS, César Navarro, steht sie damit allerdings auf verlorenem Posten: "Das Volk kann sich jetzt selbst zum Verfassungsprojekt äußern."


Den Originaltext der Tageszeitung junge Welt finden Sie hier.