Amerikas

Rückkehr nach Lateinamerika

Bundestag debattierte neue "strategische Partnerschaft" mit dem Süden des amerikanischen Kontinents

Berlin/Lima. Wenige Tage vor Beginn des Gipfels zwischen Staaten der EU, Lateinamerikas und der Karibik in Lima standen im Bundestag am Freitag die Beziehungen Berlins zu der Region zur Debatte. Die Aussprache der Bundestagsfraktionen zeigte: Nach Jahren der politischen Absenz rückt der Kontinent wieder ins Visier der bundesdeutschen Politik. Deutlich wird das auch daran, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bereits am Dienstag nach Lateinamerika zu ihrer bislang längsten Auslandsreise aufbricht. In der vergangenen Woche hatten sich zudem die Parteien der großen Koalition, CDU und SPD, sowie die ihnen nahe stehenden Stiftungen in zwei voneinander unabhängigen Konferenzen der künftigen Lateinamerika-Politik gewidmet.

Welche Schwerpunkte die Unionsparteien dabei legen, wird in der Reiseroute Merkels deutlich. Während Lateinamerika und die Karibik in den vergangenen Jahren deutlich nach links gerückt ist, besucht die CDU-Politikerin demonstrativ zwei rechts regierte Staaten: Mexiko und Kolumbien. Gegen die mehrheitliche Position in der Region hängen die Regierungen dieser beiden Staaten nach wie vor neoliberalen Doktrinen an und unterhalten enge Beziehungen zu der US-Regierung. Die dritte Station Merkels wird Brasilien sein.

Zum Auftakt der Debatte im Bundestag bestätigte Außenminister Frank-Walter Steinmeier, er habe sich "ganz neu auf Südamerika konzentriert". An der politischen Ausrichtung dabei ließ er keinen Zweifel. Der "Weg einer nationalen Politik zur Verringerung der Kluft zwischen Arm und Reich" sei "allemal richtiger und besser (...) als die Rezepte von Hugo Chávez und anderen". Der SPD-Politiker lag damit auf einer Linie mit den Liberalen und der Union. Vor "rückwärtsgewandten neuen Autokraten" warnte für die FDP Werner Hoyer: "Diese Caudillos geben uns Anlass zur Sorge". Ähnlich äußerte sich Eckart von Klaeden (CDU).

Gegenposition wurde von der Linken bezogen. "Lateinamerika ist mehr als eine Marktlücke", sagte die entwicklungspolitische Sprecherin dieser Fraktion, Heike Hänsel. Sie verwies vor allem auf die Rolle der sozialen Bewegungen, die "es geschafft haben, den Widerstand gegen die neoliberale Globalisierung auszubauen". Nicht nur an dieser Stelle ihrer Rede gab es lautstarken Widerspruch aus dem konservativen und liberalen Lager. Im weiteren Verlauf der Debatte wurde Hänsel vorgeworfen, eine Fürsprecherin der kolumbianischen Guerillaorganisation FARC zu sein. Dementgegen erinnerte auch Wolfgang Gehrcke von der Linksfraktion daran, dass sich in Lateinamerika eine politische Trendwende vollzogen habe. "Der Wind nach links ist so stark, dass er sogar die SPD erreicht hat", sagte Gehrcke mit Bezug auf ein neues Strategiepapier der Sozialdemokraten zu Lateinamerika.

In deren Fraktion gab es offenbar Meinungsverschiedenheiten. So warf der SPD-Abgeordnete Sascha Raabe Venezuelas Regierung vor, mit den FARC zu kooperieren. Er bezog sich auf eine Meldung mehrerer Nachrichtenagenturen vom Freitag. Darin wurde ein Bericht des Wall Street Journal zitiert, nach dem US-Geheimdienste über Beweise über eine Zusammenarbeit verfügen sollen. Diese seien auf dem Computer des Ende Mai ermordeten FARC-Kommandeurs Raúl Reyes gefunden worden. Raabes Parteigenossen Lothar Mark ging dies zu weit: "Hinsichtlich der Computerfunde stehe ich allerdings im Gegensatz zu meinem Kollegen Sascha Raabe. Denn der US-Geheimdienst verkündet, was alles in diesen Computern zu finden sei. Die OAS hat in der Vergangenheit ganz klar gesagt, dies sei nicht zutreffend. Meines Erachtens sind weder Kollege Raabe noch ich in der Lage, das zu beurteilen."

Tatsächlich ließ die Beurteilungskraft Raabes auch an anderer Stelle zu wünschen übrig - als er über Lateinamerika behauptete, dass es "in den letzten Jahren, vielleicht sogar im letzten Jahrzehnt, keine militärischen Putschversuche mehr gab". Er vergaß dabei den Staatsstreich gegen die gewählte Regierung von Hugo Chávez im April 2002. Doch vielleicht galt auch hier, dass vermeintliche oder tatsächliche Demokratieverstöße von CDU und SPD nur gebrandmarkt werden, wenn das den eigenen politischen Zielen dienlich ist.


Die gesamte Debatte ist auf amerika21.de hier dokumentiert.