Kuba

Kubas Botschafter - Eine Klasse für sich

Der scheidende kubanische Vertreter in Caracas erhält hohe venezolanische Auszeichnung

Caracas. Kubas Botschafter sind eine Klasse für sich. Im Gegensatz zu vielen anderen Diplomaten legen sie nicht nur die für die Profession typische Gewandtheit und Zurückhaltung an den Tag, sondern sie verfügen auch über eine ausgesprochene Prinzipientreue, Standhaftigkeit und Zivilcourage, wenn es hart auf hart kommt. Diesen Diplomatentypus verkörpert Kubas scheidender Botschafter in Venezuela, Germán Sánchez Otero. Am 25. August zeichnete Venezuelas Präsident Hugo Chávez den Vertreter der Inselrepublik mit der ersten Klasse des Libertador-Ordens aus, einer der höchsten Auszeichnungen, die sein Land an Ausländer vergibt. Nach fünfzehn Jahren in dem Karibikstaat kehrt der Botschafter in seine Heimat zurück, wo er neue Aufgaben übernehmen wird.

Sánchez zeigte seine Prinzipientreue, Standhaftigkeit und Zivilcourage, als eine Horde rechtsradikaler Putschisten während des Staatsstreiches im April 2002 seine Botschaft belagerte. Die erklärten Feinde des bolivarianischen Venezuelas und des mit ihm verbündeten Kubas verlangten von ihm, auf das extraterritoriale Gelände vorgelassen zu werden, um das Botschaftsgebäude nach flüchtigen Angehörigen des festgenommenen Präsidenten Chávez zu durchsuchen - andernfalls würden sie das Gelände stürmen. Sánchez stellte sich quer und machte den Putschisten in einem direkten Gespräch klar, dass er die Vertretung mit seinem Leben verteidigen würde. Daraufhin sahen die Chávez-Gegner vom Sturm auf die Botschaft ab und kühlten ihren Mut am kubanischen Fahrzeugpark ab, der vor der Vertretung stand. Außerdem kappten sie die Strom- und Wasserleitungen, um die Kubaner zur Aufgabe zu zwingen. Die zeigten sich aber ebenso standhaft wie weite Teile der venezolanischen Bevölkerung, die nach vier Tagen zusammen mit loyalen Militärs Chávez ins Amt zurückholten.

Sánchez' Auftreten vor den Putschisten scheint eine Eigenschaft zu sein, die zum Wesenszug kubanischer Diplomaten gehört: Während des Putsches in Honduras am 28. Juni 2009 verhielt sich der dortige Vertreter Kubas, Juan Carlos Hernández Padrón, gleichermaßen standhaft. Zusammen mit seinen Kollegen aus Venezuela und Nicaragua nahm er die honduranische Außenministerin Patricia Rodas in Schutz, als sich das Militär auch ihrer bemächtigen wollte. Zuvor hatte ein Spezialkommando den legitimen Präsidenten Manuel "Mel" Zelaya aus dem Präsidentenpalast entführt und gewaltsam nach Costa Rica verbracht. Dasselbe Schicksal sollte auch Rodas ereilen, aber die drei Diplomaten bildeten einen menschlichen Schutzring um die Außenministerin, um sie vor dem Zugriff der fünfzehn maskierten Soldaten zu bewahren. Letztere mussten kräftig zulangen, um die Botschafter Nicaraguas und Venezuelas von der Außenamtschefin zu trennen. Bei Hernández hingegen scheiterten sie, der trotz heftiger Schläge Rodas nicht losließ. Die Elite-Soldaten sahen keine andere Möglichkeit, als den Kubaner zusammen mit der Honduranerin in einen bereitstehenden Lieferwagen zu verfrachten. Die Fahrt endete auf einer Luftwaffenbasis. Erst dort gelang es den Kidnappern, die beiden zu trennen. Die Außenministerin wurde ins Exil geflogen, der Botschafter kam in Haft. Just in dem Moment klingelt sein Handy: sein Vorgesetzter, Kubas Außenminister Bruno Rodríguez Parrilla, will sich nach der Lage erkundigen. Ein maskierter Soldat entreißt dem Botschafter gewaltsam das Mobiltelefon und Hernández, der schon einiges an Prügel einstecken musste, antwortet: "¡No me empujes, cojones!", was frei übersetzt soviel bedeutet wie: "Bei meinen Eiern - stoß mich nicht!" Anschließend gaben die Entführer den Diplomaten frei, der einen Teil des Heimweges zu Fuß zurücklegen musste.

Der Comandante der kubanischen Revolution, Fidel Castro, ehrte noch am 28. Juni das Verhalten seines Vertreters in Honduras, indem er die Episode in einer seiner "Reflexiones", die den Titel trägt "Un error suicida" (Ein suizidaler Irrtum), verewigte. Da der von Hernández gewählte Kraftausdruck zwar in Spanien, nicht aber auf Kuba üblich ist - und schon gar nicht für Diplomaten - fügte Fidel hinzu: "Ich kann mich nicht erinnern, ob das Wort, das er gebraucht hat, jemals von Cervantes [dem bedeutenden spanischen Schriftsteller Miguel de C., IN] benutzt wurde, aber ohne jeden Zweifel Botschafter Juan Carlos Hernández hat unsere Sprache bereichert."

In Caracas wird zukünftig Rogelio Polanco Fuentes die Republik Kuba diplomatisch vertreten. Der neue Botschafter war bis zu seiner Ernennung Chefredakteur von "Juventud Rebelde", dem Organ des kubanischen Jugendverbandes, und Mitglied der kubanischen Nationalversammlung. In den vergangenen fünf Jahren hat er "verschiedene wichtige Missionen im Zusammenhang mit der Bolivarianischen Revolution in Venezuela durchgeführt", schreibt seine Zeitung. Polanco Fuentes hat einen Abschluss der Fakultät für Internationale Beziehungen. Er vertrat sein Land bei der Internationalen Studentenunion und leitete die Abteilung für Internationale Beziehungen der Unión Jóvenes Comunistas (UJC).