Venezuela

Randale an der Asamblea Nacional

Oppositionelle Abgeordnete inszenieren Aussperrung aus dem venezolanischen Parlament. Eigentlich Protest gegen Kürzung von regionalen Haushalten

Caracas. Hochrangige Mandatsträger der antichavistischen Opposition haben am Dienstag gewaltsam versucht auf das Gelände der Nationalversammlung in Venezuelas Hauptstadt Caracas zu gelangen, berichteten am Dienstag abend (Ortszeit) verschiedene staatliche und private Medien übereinstimmend. Parlamentspräsidentin Cilia Flores von der Regierungspartei PSUV verurteilte das aggressive Vorgehen der Oppositionspolitiker, darunter Abgeordnete, Bürgermeister und Gouverneure. Die meisten davon stammen aus der alten politischen Elite vor dem Amtsantritt des linksgerichteten Präsidenten Hugo Chávez, die das Land bis in das Jahr 1999 über 40 Jahre kontrolliert hatte. Die Oppositionellen waren nach der Eskalation der Situation mehrfach mit Eiern, Tomaten und Gegenständen beworfen worden, vermutlich von Regierungsanhängern.

Nur getrennt durch Gitter und Polizeiketten stand den oppositionellen Funktionären eine gleichzeitig stattfindende Kundgebung der Regierungspartei PSUV gegenüber. In der unübersichtlichen Situation verwehrten die Sicherheitskräfte auch zwei oppositionellen Abgeordneten vorerst den Zutritt auf das Gelände des Palacio Federal Legislativo. Ismael García (Podemos) und Wilmer Azuaje (Frente Popular Humanista) kletterten anschließend in Eigeninitiative über das Eingangstor. Die Sicherheitskräfte reagierten umgehend und verwiesen sie wegen Wiederstand gegen die Staatsgewalt vorerst wieder vom Parlamentsgelände. Der ehemalige Chávez-Unterstützer Azuaje beklagte eine rabiate Behandlung durch die Sicherheitskräfte und begab sich umgehend ins Krankenhaus.

Nach Abschluss der Verhandlungen mit der Parlamentsverwaltung wurden die Abgeordneten und Politiker um den Gouverneur des Bundesstaates Miranda, Henrique Capriles Radonski, schlussendlich auf das Gelände gelassen und sie konnten eine Protestnote überreichen. Darin fordern sie die Erhöhung der Haushaltszahlungen an die Regionalverwaltungen für das kommende Jahr. Diese waren im Zuge der allgemeinen Haushaltskürzungen aufgrund des gesunkenen Ölpreises von der Nationalversammlung reduziert worden.

Wegen der Kürzung sei die ausreichende Finanzierung von Entwicklungsprojekten nicht mehr gewährleistet, so Capriles, seines Zeichens Mitglied der rechtspopulistischen Partei Primero Justicia (Gerechtigkeit Zuerst). Vertreter der von Chávez initiierten Kommunalräte (Consejos Comunales) in seinem Bundesstaat verweisen allerdings darauf, dass bereits von den dieses Jahr von der Nationalversammlung an die Regionalverwaltung ausgezahlten Geldern kaum etwas bei der Bevölkerung angekommen sei. Sie vermuten, dass der Rechtspolitiker die Haushaltskürzung als Vorwand für die Veruntreuung von Projektgeldern nutzen wolle. Die PSUV hat daher vor kurzem Strafanzeige gegen Capriles wegen Korruption gestellt.

Die oppositionellen Funktionäre waren als Delegation einer eigentlich friedlichen Demonstration für ihr Anliegen vor der Nationalversammlung erschienen, nachdem ihre einige hundert Unterstützer nur bis zu einem nahegelegenen Platz marschieren durften. Die chavistische Stadtverwaltung hatte die Demonstrationsroute eingeschränkt, da vor dem Parlamentsgebäude schon eine Gegendemonstration von Regierungsanhängern stattfand. Durch die Trennung der politischen Veranstaltungen und eine massive Polizeipräsenz sollten Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten Lagern eigentlich vermieden werden.