Honduras / USA

Doppeltes Spiel

Wie die USA die Putschisten in Honduras begünstigen

Washington, Tegucigalpa. Ein Monat ist vergangen, seitdem das honduranische Militär den rechtmäßigen Präsidenten Manuel "Mel" Zelaya entführte und gewaltsam ausser Landes brachte. US-Präsident Barack Obama forderte umgehend die Wiedereinsetzung des gestürzten Staatsoberhauptes. Seine Außenministerin Hillary Clinton tat es ihm gleich. Aber den Worten folgten keine Taten. Nach vier Wochen scheint diese Tatenlosigkeit keineswegs Ausdruck eines neuen zurückhaltenden politischen Stils im Weißen Haus zu sein, sondern vielmehr Teil der alten US-Lateinamerikapolitik im neuen Outfit. Diese zielt darauf ab, die Konsolidierung der Bolivarianischen Allianz der Amerikas (ALBA), zu der Honduras gehört, zu stoppen und das linke Staatsbündnis aufzurollen. Neu ist dabei lediglich, dass der US-Präsident und seine Chef-Diplomatin für ein gestürztes Staatsoberhaupt das Wort ergreifen, de facto aber den Putsch begünstigen, indem sie nichts dagegen unternehmen. Die neue Zurückhaltung wird dann offiziell damit begründet, dass man sich nicht in die inneren Belange eines fremden Landes mischen könne. Die Realität der US-Politik gegenüber Honduras sieht freilich anders aus.

"Unverantwortlich" schalt Clinton den honduranischen Präsidenten Zelaya, als dieser vergangene Woche kurzfristig von Nicaragua aus die Grenze zu seinem Heimatland überschritt. Anstatt sich in der Grenzregion aufzuhalten, forderte die Secretary of State von dem Staatsoberhaupt, es möge an den Verhandlungstisch in San José zurückkehren und sich dem Vermittlungsangebot seines costaricanischen Amtskollegen Oscar Arías fügen. Das läuft darauf hinaus, Zelayas politische Stellung und sein Ansehen nachhaltig zu schwächen. Andererseits fällt auf, dass die Weltmacht USA von den politischen Mitteln keinen Gebrauch macht, um den Forderungen von Obama und Clinton nach Zelayas Rückkehr ins Amt Nachdruck zu verleihen. Vielleicht wollen sie das gar nicht.

Denn der US-Präsident und seine Außenamtschefin haben es bisher vermieden, von einem "Putsch" in Tegucigalpa zu sprechen. Stattdessen reden sie von "illegalen Vorgängen". Dadurch vermeiden beide Politiker, dass sie aufgrund eines US-Gesetzes jegliche Art der Unterstützung an das Regime von Roberto Micheletti einstellen müssten. Dass Washington den Putschisten als Präsidenten toleriert, zeigt des Weiteren die Tatsache, dass der US-Botschafter weiter in Honduras weilt, während die EU-Staaten ihre Vertreter abberufen haben. Brüssel hat außerdem Hilfszahlungen von 92 Millionen US-Dollar eingestellt. Die USA haben bisher nur die Militär- und Entwicklungshilfe von 18 Millionen US-Dollar ausgesetzt. "Amerikanische Hilfszahlungen in zehnfacher Höhe sind von den moderaten Strafmaßnahmen vorerst nicht betroffen", stellt die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in ihrer Ausgabe vom 27. Juli fest. Während Nicaragua mit einem Einfuhrstopp honduranischer Güter versucht, seinem ALBA-Partner zu helfen, fließt der Warenverkehr in die Vereinigten Staaten ungehindert weiter. Mit 70 Prozent sind die USA der größte Handelspartner des zentralamerikanischen Landes.

Trotz der eingefrorenen Militärhilfe dürfen honduranische Militärs weiterhin am Western Hemisphere Institute for Security Cooperation (WHINSEC), der ehemaligen School of the Americas (SOA), Kurse belegen. Die meisten lateinamerikanischen Putschisten in Uniform haben dieses Ausbildungszentrum der US Special Forces in Fort Benning im US-Bundesstaat Georgia durchlaufen. Zu den Absolventen gehört auch die Befehlshaber der honduranischen Armee, General Romeo Vásquez Velásquez, der den Militärputsch gegen Zelaya anführte. Der Offizier besuchte zwischen 1974 und 1984 mehrere Lehrgänge der School of the Americas, als diese noch in der panamesischen Kanalzone ansässig war. Der Soldat wurde im Februar 1993 als Kopf der Autoschieberbande "Banda de los Trece" (Gang der 13) in Honduras festgenommen. Das schien seiner Karriere nicht abträglich gewesen zu sein. Womöglich schützten Vásquez seine hochrangigen Verbindungen aus den Jahren 1980 bis 1990, als die USA von Honduras aus mit den bewaffneten Einheiten der Contra die sandinistische Revolution in Nicaragua bekämpften. Damals entstand in Tegucigalpa eine Todesschwadron namens "Batallón 316", die mindestens 184 linke Aktivisten, Studenten und Gewerkschafter, Lehrer und Professoren ermordete. Verantwortlich für Washingtons "schmutzigen Krieg" gegen Managua war John Negroponte, der seinerzeit als US-Botschafter in Tegucigalpa tätig war. Der Neocon war zuletzt Chef aller US-Geheimdienste und Berater von US-Außenministerin Condoleezza Rice. Heute steht er Clinton zur Seite und arbeitet außerdem für eine Anwaltskanzlei, die unter anderem den US-Agrarkonzern "Chiquita" berät, der über großen Einfluss in Honduras verfügt, wie die FAZ schreibt. Unter Negroponte entstand 1981 der US-Militärstützpunkt Soto Cano, auf dem nach offiziellen Angaben zurzeit 600 US-Soldaten tätig sind. Dort lebt die gleiche Anzahl an honduranischen Militärs, weil sich auf dem Gelände auch die Luftwaffenakademie des Landes befindet. 2008 kündigte Zelaya an, er wolle die Basis mit ALBA-Geldern in einen zivilen Flughafen umbauen. Dem kam der Putsch zuvor. Von den Plänen wusste der US-Botschafter Hugo Llorens Bescheid, der sich vor dem Staatsstreich dreimal mit den Verschwörern traf, um eine andere Lösung zu finden, wie Sprecher des State Departements erklärten.

Am gestrigen Sonntag forderte Zelaya von der US-Regierung, sie möge mit Kraft der Diktatur in seinem Land gegenübertreten. Ob Washington seinen Wunsch erhört, werden die Fakten zeigen.