Venezuela

Wild-West-Methoden in der Aluminiumproduktion

In Venezuela wurde Aluminium des staatlichen Unternehmens ALCASA beschlagnahmt. Verdacht auf illegale Geschäfte der Betriebsleitung

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Wild-West-Methoden in der Aluminiumproduktion
Werksanlage ALCASA in Guayana

Caracas. In der vergangenen Woche beschlagnahmte die Nationalgarde im Bundesstaat Bolivar 2063 Tonnen Aluminium aus den Unternehmen Alcasa und Venalum. Das Aluminium sollte in San Félix auf Schiffe verladen und illegal in die USA und nach Griechenland exportiert werden. Erst in dieser Woche machte das Ministerium für Schwerindustrie und Bergbau die Vorfälle bekannt. Nachdem der Fall an die Staatsanwaltschaft überwiesen wurde, betonten die Direktoren der beiden Unternehmen, dass sie nichts mit dem Schwarzhandel zu tun hätten. Eine besondere Dimension erhalten die Ereignisse dadurch, dass beide Firmen staatliche Betriebe aus dem Verband der Schwerindustrie CVG sind. Zwischen deren Direktorien und der sozialistischen Regierung kommt es immer wieder zu Konflikten. Erst vor drei Wochen hatte Hugo Chávez der Leitung und den Betriebsgewerkschaften des Unternehmens Alcasa illegale Praktiken vorgeworfen und sie als "Mafia" bezeichnet.

Die Aluminiumfirma Alcasa ist das zweitgrößte Unternehmen des Landes nach dem Öl-Produzenten PdVSA. Anders jedoch als das Erdölunternehmen, aus dessen Umsätzen bis zu 90 Prozent der Staatseinnahmen stammen, schreibt Alcasa seit Jahren rote Zahlen. Diese Defizite lassen sich allerdings nicht aus der Marktsituation erklären: Die Weltmarktpreise für Aluminium an der Londoner Metallbörse (LME) steigen seit Jahren rasant. Vor dem Beginn der globalen Finanzkrise überholte der Aluminiumpreis zeitweise sogar den Goldwert. Für das Jahr 2009 prognostizieren Analysten ein internationales Produktionsdefizit, was die Aluminiumpreise neuen Rekorden entgegen treiben wird. Selbst Aluminium-Schrott wird inzwischen zu Höchstpreisen gehandelt. Zudem verfügt Venezuela als staatlicher Energie-Produzent über eine hervorragende Marktposition, denn der enorme Energieaufwand bei der Aluminiumproduktion stellte den höchsten Kostenfaktor bei anderen Unternehmen.

Umso erstaunlicher ist für Außenstehende, dass Alcasa jährlich mehrere Millionen US Dollar Defizite auf Kosten des venezolanischen Staatshaushaltes abschreibt. Sie entstehen aus dubiosen Praktiken der Geschäftsleitung. So wird Aluminium seit Jahren im Termingeschäft weit unter dem Weltmarktpreis verkauft, Abfälle werden nicht abgerechnet und externe Dienstleistungen werden von privaten Unternehmen weit überteuert eingekauft. Seit vielen Jahren hat es keine Investitionen in die Modernisierung des Unternehmens gegeben, der Aufbau einer neuen Produktionsstrecke wird seit Jahren verschleppt. Diese Misswirtschaft wird von den Vertretern der Betriebsgewerkschaft aus dem sozialdemokratischen Dachverband CTV unterstützt. Das Direktorium revanchiert sich regelmäßig mit massiven Lohnerhöhungen für die fest angestellten und gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter. Mit bis zu 7.000 Euro monatlich gehören sie zu den Spitzenverdienern in Venezuela. Alle diese Faktoren führen dazu, dass die Produktionskosten bei dem Staatsunternehmen um 300% über dem weltweiten Durchschnitt liegen.

Als die Betriebsleitung und die oppositionellen Gewerkschaften Anfang März eine weitere Lohnerhöhung aushandeln wollten, platzte dem Präsidenten der Kragen. Er rief die Belegschaften und die Regionalregierung auf, die "mafiösen Seilschaften" aus den Betrieben zu werfen. "Wir werden jetzt die Produktionskosten, die Ineffizienz und die Privilegien überprüfen, die sich die Geschäftsführung, die Direktoren, die Gewerkschaften und die Arbeiter eingeräumt haben." Als ein Beispiel für die Geschäftspraktiken in den Unternehmen der Schwerindustrie beschrieb Hugo Chávez, dass der zuständige Minister für Schwerindustrie, Rodolfo Sanz, regelmäßig Morddrohungen erhalte, wenn er gegen korrupte Strukturen vorgehen will. Chávez forderte außerdem den Militärgeheimdienst DIM auf, die Praxis der illegalen Exporte zu untersuchen. Die Reaktion der Opposition und der Geschäftsleitungen folgte unmittelbar. Nur wenige Tage später gründeten die verschiedenen Oppositionsparteien von Un Nuevo Tiempo (UNT) über Acción Democrática (AD) bis zu Primero Justicia (PJ) zusammen mit den rechten Gewerkschaftsgruppen Sintrabauxilum und Gente del Petróleo einen Verband namens Allianz zur Verteidigung von Guayana (Alianza para la Defensa de Guayana).