Honduras

"Rückkehr Zelayas stärkt Widerstand"

Gilda Rivera über die Herausforderungen für die Demokratiebewegung in Honduras

Gilda Rivera ist leitende Mitarbeiterin des honduranischen Frauenrechtszentrums CDM. Sie ist in der Bewegung "Feministinnen im Widerstand" aktiv. ND-Mitarbeiter Harald Neuber sprach mit ihr am Montagabend in Berlin - unmittelbar, nachdem die Nachricht von der Rückkehr Manuel Zelayas nach Honduras bekannt geworden war.

Frau Rivera, knapp drei Monate nach dem Staatsstreich ist Manuel Zelaya wieder in Tegucigalpa. Was bedeutet das?

Zunächst muss ich sagen, dass mich diese Nachricht sehr bewegt. Und es tut mir sehr leid, dass ich in diesem für Honduras historischen Moment nicht dort bin, auf der Straße, bei meinem Volk.

Als Anhängerin Zelayas?

Nein, als Demokratin. Ich hatte an Zelayas Politik zwar auch viel Kritik. Aber ich erkenne seinen Mut und seine Würde an. Und ich sehe, dass er ein Präsident ist, der - trotz aller Widersprüche - auf der Seite des Volkes steht.

Was bedeutet seine Rückkehr also?

Der Umstand, dass die Botschaft Brasiliens Präsident Zelaya aufgenommen hat, um ihn vor der Gewalt der Putschisten zu schützen, ist ein Beleg für die immense Unterstützung, die unserer Demokratiebewegung auf internationaler Ebene zukommt. Dazu gehört auch die Solidarität von Ihnen in Deutschland, schließlich bin ich hier auf Einladung von gut einem Dutzend Organisationen. Wie sich die Lage kurzfristig entwickelt, vermag ich jetzt noch nicht zu sagen. Aber die Rückkehr des Präsidenten bedeutet zweifelsohne eine Stärkung des demokratischen Widerstands gegen das Regime von Machthaber Roberto Micheletti. Und sie könnte ein erster Schritt auf dem Weg zur Restauration von Demokratie und verfassungsmäßiger Ordnung sein.

Sehen Sie keine Gefahren?

Natürlich besteht nun die Gefahr einer Zunahme der Gewalt. In diesem Moment hoffe ich aber, dass die Putschisten von ihrem Fanatismus ablassen und Vernunft einkehren lassen. Ich hoffe, dass sie die Kraft und den Willen des honduranischen Volkes anerkennen. Schon jetzt erreichen uns Nachrichten über tausende Menschen, die auf die Straße gehen, um Manuel Zelaya zu begrüßen. Zugleich gibt es erneut eine Mediensperre und Falschinformationen der regimenahen Presseorgane. Aber davon wird sich die Bevölkerung nun noch weniger aufhalten lassen als in den vergangenen Wochen.

Was erwarten Sie als Aktivistin der Widerstandsbewegung von Präsident Zelaya?

Ich denke, dass er nun einige wichtige Aufgaben vor sich hat. Vor allem aber muss er verstehen, dass er nur eine Figur in diesem großen politischen Spiel ist. In den vergangenen fast 90 Tagen seit dem Putsch hat die Bevölkerung in der Widerstandsbewegung ein neues politisches Bewusstsein entwickelt. Diese Bewegung ist zu einem politischen Faktor geworden, den niemand mehr ignorieren kann. Manuel Zelaya ist zwar das politische Oberhaupt, aber es ist alleine die Stimme des Volkes, die zählt.

Wie hat sich die Widerstandsbewegung in den vergangenen drei Monaten verändert?

Sie ist reifer geworden. Die Forderungen gingen zuletzt über den Ruf nach einer Rückkehr des legitimen Präsidenten hinaus. Immer mehr von uns Widerstands- und Demokratieaktivisten haben die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung gefordert. Inzwischen ist auch klar, dass hunderttausende Menschen, die im Widerstand aktiv sind oder ihn politisch unterstützen, keine Straffreiheit für die Gewalttäter des Putschregimes akzeptieren werden. Das ist ein wichtiger Punkt, denn selbst wenn Präsident Zelaya in sein Amt zurückkehrt, wird die Gewalt nicht aufhören. Die Rechte wird weiterhin mit allen Mitteln versuchen, den politischen Prozess aufzuhalten, der in Honduras in Gang gekommen ist. Schon jetzt gibt es Berichte über die Reaktivierung der Todesschwadronen aus den 80er Jahren und über die Rekrutierung kolumbianischer Paramilitärs. Uns stehen schwierige Aufgaben und Herausforderungen bevor.


Den Originaltext in der Tageszeitung Neues Deutschland finden Sie hier.