Kolumbien

Mehrfachwahlen in Kolumbien

Stimmenkauf und Parapolitik überschatten Wahlgang. Testballon für Präsidentschaftswahlen

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Mehrfachwahlen in Kolumbien
90 Parapolitiker im aktuellen Parlament

Bogotá. Am heutigen Sonntag finden in Kolumbien die Wahlen für beide Kammern des Parlaments statt. Außerdem sind die Kolumbianer aufgerufen, die Abgeordneten für das Andenparlament zu wählen und durch Vorwahlen die Kandidaten des konservativen Lagers für die Präsidentschaftswahlen zu bestimmen. So können etwa 30 Millionen Wahlberechtigte mit mindestens drei verschiedenen Stimmzetteln die Wahllokale besuchen, die von 08.00 (Ortszeit) bis 16.00 Uhr (22.00 Uhr MEZ) geöffnet sind. Bisher verfügen die Parteien des Regierungsbündnisses mit etwa 60 Prozent der Sitze über eine bequeme Mehrheit. Allerdings kriselt die Partei des rechten Präsidenten Àlvaro Uribe: Sinkende Umfragewerte und die Entscheidung des Verfassungsgerichts, dass Uribe nicht noch einmal zu den Präsidentschaftswahlen antreten darf, lassen die Linke um den Polo Democrático Alternativo (PDA) und die Grünen auf Wahlerfolge hoffen.

Gegen diese Hoffnung sprechen allerdings die politischen Verhältnisse Kolumbiens. Die weit verbreitete Praxis des Stimmenkaufs und die Einmischung der unter Uribe legalisierten Paramilitärs begünstigen massiv die wohlhabenden Kandidaten. Wie die Mission Wahlbeobachtung (MOE) feststellte, sind der Kauf von Stimmen sowie staatlicher Druck zugunsten von Kandidaten weit verbreitet. Das Meinungsforschungsinsitut Galup kam zu dem Ergebnis, dass 29 Prozent der Kolumbianer bei Wahlen ihre Stimme verkauft haben. Die meisten von ihnen erhielten Sachleistungen und bei immerhin 7 Prozent floss Bargeld. Zwar ist das Phänomen allgemein bekannt, allerdings werden die Täter von den Staatsanwaltschaften kaum verfolgt. Von 1.000 Anzeigen wegen derartiger "Unregelmäßigkeiten" - alleine im Bundesstaat Antioquia - nach den Kommunalwahlen im Jahr 2007 wurde bisher in nur sieben Fällen ermittelt, berichtet Patrica Fernandez von der MOE.

Mindestens 80 Kandidaten für den heutigen Wahlgang verfügen nach Angaben von MOE außerdem über enge Verbindungen zu den Paramilitärs, die in Kolumbien große Regionen in einer Vielzahl von Bundesstaaten kontrollieren. In diesen Gegenden wurde in den letzten Jahren die bäuerliche Bevölkerung vertrieben, auf dem geraubten Land betreiben von den Paramilitärs gegründete Firmen extensive Landwirtschaft. Die Paramilitärs zwingen die Bevölkerung in diesen Regionen zur Stimmenabgabe zugunsten von Kandidaten, die entweder dafür gezahlt haben oder ihnen - wie Präsident Uribe - politischen Schutz gewähren. "Die Mehrheit dieser Kandidaten gehört zur Koalition der Regierung Àlvaro Uribe." erklärte Ariel Ávila von der MOE. Gegen 90 der aktuell amtierenden Senatoren und Abgeordneten laufen Ermittlungen wegen entsprechender Vorwürfe. Erst am vergangenen Donnerstag ließ die Staatsanwaltschaft erneut 25 Bürgermeister verhaften, die bei den Kommunalwahlen derartige Allianzen mit den Paramilitärs eingegangen sein sollen.

Vor diesem Hintergrund erscheinen überraschende Erfolge für die parlamentarische Linke am heutigen Wahlsonntag fast ausgeschlossen. Zu erwarten ist wie immer eine niedrige Wahlbeteiligung - de facto entscheiden die konservativen städtischen Mittelschichten den Wahlausgang. Außerdem bergen die Vorwahlen von Uribes Partei der Einheit und der verbündeten Konvervativen Partei Spannungspotential. Während der Nachfolger von Uribe mit seinem Verteidigungsminister Manuel Santos bereits feststeht, könnte sich bei den Konservativen möglicherweise ein Kandidat durchsetzen, der eine größere Distanz zu Uribe sucht. Nur unter der Bedingung, dass das rechte Lager keinen gemeinsamen Kandidaten aufstellt, wäre eine grundsätzliche Veränderung im politischen System des Landes denkbar.


Homepage Misión de Observación Electoral (MOE)

Foto: Telesur