Wie geschlechterblind ist das Völkerstrafrecht?

Berlin: Zum justiziellen Umgang mit sexualisierter Kriegsgewalt in Kolumbien

Alle sechs Tage wurde 2013 eine Frau im bewaffneten Konflikt in Kolumbien vergewaltigt. In den Jahren zwischen 2010 und 2012 waren mehr als die Hälfte der Täter staatliche Akteure. Diese Form der Gewalt und ihr Ausmaß dürfen nicht als „übliche Begleiterscheinung“ in Konflikten verharmlost und abgetan werden: Die sexualisierte Gewalt spiegelt auch die Diskriminierung von Frauen und Mädchen aller Altersgruppen im kolumbianischen Alltag wider und potenziert sich im bewaffneten Konflikt um ein Vielfaches.

Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind Verbrechen, die die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren und „den Frieden, die Sicherheit und das Wohl der Welt“ gefährden. Zu diesen Verbrechen gehört auch sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt in Konfliktgebieten, über deren Ausmaß und systematischen Einsatz immer häufiger berichtet wird. Das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs hat 2002 in seinen Definitionen die verschiedenen Gewaltformen sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt als Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit als anerkannten Straftatbestand im Völkerstrafrecht kodifiziert. Auch zahlreiche Dokumentationen und Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (VN) betonen die negativen Auswirkungen solcher Gewalt auf Frieden und Sicherheit. Der Sicherheitsrat verpflichtet alle VN-Mitgliedstaaten ausdrücklich, konfliktbezogene sexualisierte Gewalt strafrechtlich zu verfolgen. Er erkennt damit an, dass ein Ende der Straflosigkeit solcher Taten für dauerhaften Frieden, Gerechtigkeit, Wahrheit und nationale Aussöhnung unerlässlich ist. Und doch werden die wenigsten Täter wegen sexualisierter Gewalt verurteilt.

Woran liegt das? Fehlen Strategien zur Aufarbeitung sexualisierter Kriegsgewalt oder ermitteln die Behörden nur mangelhaft? Stehen Gerichte und Strafverfolgungsbehörden bei Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht immer vor etlichen Hindernissen, die eine erfolgreiche Verurteilung der Gewalttäter  -  insbesondere mächtiger staatlicher Akteure – fast unmöglich machen? Reichen die Normen und Regeln des Römischen Statuts aus, um alle Straftäter für alle Taten gleichermaßen zur Verantwortung zu ziehen? Ist es tatsächlich nötig, bei (Vor-) Ermittlungen, Gerichtsverfahren und Entschädigungsverfahren zwischen der Art der Tat zu differenzieren?

Diese Fragen wollen wir mit Völkerstrafrechtler/innen und Frauenrechtsaktivistinnen aus Lateinamerika und Europa diskutieren. Als konkretes Beispiel dient die juristische Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im bewaffneten Konflikt in Kolumbien.

Mit:

  • Viviana Rodríguez Peña (SISMA Mujer, Kolumbien)
  • Anna von Gall (European Council for Constitutional and Human Rights - ECCHR, Deutschland)
  • Dr. Boris Burghardt (Humboldt Universität zu Berlin, angefragt)

Sprache: Spanisch/Deutsch mit Simultanübersetzung

Eine Kooperation der Heinrich-Böll-Stiftung mit dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR)

Information: Ines Thomssen, Projektbearbeitung, Heinrich-Böll-Stiftung
E-Mail, thomssen@boell.de, Telefon +49(0)285 34 -324

Termindaten
Datum: 04.05.2015, 19:30 - 21:30
Stadt: Berlin
Veranstaltungsart: Informations- und Diskussionsveranstaltung
Veranstaltungsort: Heinrich-Böll-Stiftung, Schumannstraße 8, 10117 Berlin
Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung